Seminar und Übung
- Physikalische Prozesse in der Ökologie -
Die Nettophotosynthese der Blätter liefert den Kohlenstoff für Wachstum und Erhalt der Waldbäume. In diesem Kurs werden fundamentale Beziehungen angesprochen, die die Netto-Photosynthese von Baumkronen und Kronenschichten steuern. Es werden folgende Themen behandelt:
Die photosynthetisch aktive Strahlung (PAR)
Entsprechend der photochemischen Prozesse bei der Photosynthese wirken vom Blatt absorbierte Photonen innerhalb des Wellenlängenbereiches 400 - 700 nm unabhängig ihres Energiegehaltes, d.h. überschüssige Energie wird über Fluoreszenz abgestrahlt oder führt zur Erwärmung des Blattes. Daher ist es sinnvoll, die Photonenflussdichte (FPAR im englischen auch PPFD, Einheit [E/(m² s)]) und nicht den Energiegehalt der ankommenden Strahlung zu messen. Dieses wird mit einem PAR-Sensor mittels Filtern dadurch erreicht, dass energie-reichere (= kürzere) Wellenlängen entsprechend stärker herab gewichtet werden (Abb. 1). Eine an-dere Bezeichnung für den PAR-Sensor ist deshalb auch "Lichtquantenzähler" (quantum sensor). Das PAR-Konzept hat in der Pflanzenökophysiologie das Lichtkonzept LUX abgelöst. Die Einheit µE (mikro Einstein) entspricht 10-6 mol Photonen. Sie haben in der Übung 3 bereits ausgerechnet, wie groß der Anteil des PAR-Bereiches an der Globalstrahlung in Energieeinheiten ist. Näherungsweise gilt für Strahlung außerhalb von Baumkronen FPAR » 2·G · µE/(m²·s) · (W/m²)-1.
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Abb. 1: Spektrale Filterung der kurzwelligen Strahlung des PAR-Sensors (LI-190, Fa. LI-COR, Lincoln, USA)
Die photosynthetisch nutzbare Strahlung (PUR)
Messungen der Photosyntheseleistung von Blättern in Abhängigkeit vom Spektrum der einfallenden Strahlung zeigten jedoch, dass die Photosyntheseaktivität nicht über den gesamten Wellenbereich des Lichtes konstant ist, sondern vielmehr im Grünbereich (550 nm) ein Minimum aufweist (Abb. 2). Hier ist die Absorption des (grünen!) Chlorophylls minimal. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil in diesen Wellenlängenbereich das Intensitätsmaximum der Globalstrahlung fällt. Der PUR-Sensor soll die einfallende Strahlung so wichten, wie es der mittleren spektralen Empfindlichkeit der Photo-synthese grüner Pflanzen entspricht. Die PUR-Strahlung wird hier in Energiestromdichte (W/m²) wie z.B. bei der Globalstrahlung und bei der Strahlungsbilanz angegeben.
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Abb. 2: Die mittlere spektrale Wirkungsfunktion der Photosynthese.
Die wissenschaftliche Entwicklung der letzen 30 Jahre
hat die wesentlichen Grundlagen der Steuerung der Photosynthese- und Blattgaswechselraten
aufgedeckt. Diese Grundlagen sollen hier nicht behandelt werden. Wir werden
uns nur mit ihrer Lichtabhängigkeit und das nicht kausal sondern nur
phänomenologisch beschäftigen.
Thornley beschrieb das Sättigungsverhalten der Brutto-Photosynthese GPR in Abhängigkeit von der Photonenflussdichte I mit der nicht rechtwinkligen Hyperbel:
mit den Parametern a: Lichtausnutzungseffizienz,
Pmax:
maximale Photosyntheserate und q: Parameter
für die Krümmung der Hyperbel. Die Form dieser Funktion ist in
Abb. 3 dargestellt.
Abb. 3: Lichtabhängigkeit der Bruttophotosyntheserate
von Sitkafichtenzweigen (Leverenz und Jarvis, 1983).
Die Nettophotosynthese NPR ergibt sich durch Berücksichtigung der Atmungsrate Rd nach
Interaktion zwischen Blättern und Strahlung
und optische Blatteigenschaften
Blätter wechselwirken auf verschiedene Weise mit der kurzwelligen Strahlung. Dabei ergeben sich sowohl spektrale Intensitätsunterschiede als auch Richtungsänderungen der Strahlung (Abb. 4 und Abb. 5).
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Abb. 4: Reflexion, Transmission und Absorption eines Blattes (generalisiert, nach Monteith und Unsworth , 1990).Diese optischen Blatteigenschaften wollen wir mit t für die Transmission, a für die Absorption und r für die Reflexion bezeichnen (Achtung: Absorption nicht mit der Lichtausnutzungseffizienz verwechseln).
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Abb. 5: Richtungsabhängigkeit der Streuung (nach Kranigk, 1994)Die Berücksichtigung all dieser Einflussgrößen mach die Simulation der Strahlung in Kronenräumen numerisch extrem kompliziert und bisher nur für Spezialisten mit dem nötigen mathematischen Background möglich.
Es kann jedoch für unsere Zwecke nach geeigneten Näherungen gesucht werden. Ein erster Schritt ist der, von isotroper Streuung auszugehen (r=t) und die spezielle Richtungsabhängigkeit dann nur in zwei Richtungen zu betrachten (1D-Ansatz), bzw. noch stärker vereinfacht die Blätter in erster Näherung als schwarz anzusehen (r=t=0 und a=1). Wie in Tab. 1 zu erkennen ist, werden damit die optischen Eigenschaften von Fichtennadeln im PAR-Bereich gut angenähert.
Prozess | VIS (=PAR) | NIR |
Absorption | 90 | 41 |
Reflexion | 7 | 26 |
Transmission | 3 | 33 |
Die Blattskale
Es ist unmittelbar einsehbar, dass die Strahlung nur mit dem Teil der Oberfläche wechselwirkt, der der Strahlungsquelle zugewand ist. Mathematisch gesprochen heißt diese Fläche die senkrecht zur Strahlungsausbreitungsrichtung projizierte Fläche. Abb. 6 stellt diesen Zusammenhang am Beispiel eines Kollektives von Buchenblättern dar.
Abb. 6: Ein Kollektiv von Buchenblättern in einem
Volumenelement und ihre projizierte Fläche senkrecht zur Strahlrichtung
W
(aus
Kranigk, 1994).
Die projizierte Fläche Ap ist in der Regel kleiner
als die selten gleich der Gesamtfläche A. Das Verhältnis Ap/A
wird als Extinktionskoeffizient k bezeichnet. k ist
eine Funktion der Blattstellungswinkelverteilung. Wenn wir uns die verschiedenen
Formen vorstellen, die die Artenvielfalt von Waldbäumen hervorgebracht
hat, stellen wir leicht fest: Die Blattstellungswinkel sind keineswegs
konstant! Vielmehr variieren sie sowohl in azimutaler Richtung (Kompassrichtung)
als auch in vertikaler Richtung. Häufig reicht es aus, die azimutale
Verteilung der Blattstellungswinkel als gleichverteilt anzunehmen (jede
Richtung kommt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit vor). In der vertikalen
Winkelverteilung kommt es jedoch zu charakteristischen Unterschieden sowohl
zwischen verschiedenen Arten als auch innerhalb der Blattkollektive bestimmter
Kronenbereiche mancher Baumarten (Sonn- Schattenmodifikation).
Für die Strahlungsverteilung in Medien von schwarzen
Blättern hat k eine ganz einfache Konsequenz. Die Strahlungsabschwächung
in einer Schicht ist proportional zu Ap. Die Strahlungsabschwächung
pro Blattfläche ist dann
Abb. 7: Überlagerung der Projektionen eines Blattkollektivs.
Die Blattwinkelverteilungen lassen sich einfach anhand der Oberflächen geometrischer Körper darstellen. Denn, ordnet man die Blattstellungswinkel nach Azimut- und Vertikalwinkel, so kann man daraus einfache geometrische Figuren konstruieren. Unter der Annahme, dass alle Azimutwinkel gleichverteilt sind, bilden senkrecht angeordnete Blätter einen Zylinder, horizontal angeordnete Blätter eine Ebene. Ist neben dem Azimutwinkel auch der Vertikalwinkel gleichverteilt, so lässt sich aus den Blättern eine Kugeloberfläche konstruieren. Eine solche Verteilung heißt sphärisch. Übergänge zwischen senkrechter und sphärischer Verteilung , wir sagen erectophile Winkelverteilung, lassen sich mit einem Ellipsoid, der rotationssymmetrisch zur Vertikalen ist, und dessen Länge a in senkrechter Richtung die von b in horizontaler Richtung überschreitet. Herrschen horizontale Blattstellungen vor, spricht man von einer planophilen Verteilung (Abb. 8).
Abb. 8: Geometrische Repräsentation von Blattstellungswinkelverteilungen
(Ellipsoide aus http://www.geometrie.tuwien.ac.at/student/arch/).
Wir kennen alle Übergänge von planophilen (z.B. Helianthus annuus oder die Schattenblätter von Fagus silvatica) bis hin zu erectophilen (Gladiolus, Allium) Blattwinkelverteilungen. Die Nadeloberfläche vieler Koniferen (z.B. Picea abies) ist mit guter Näherung sphärisch.
Wie sich die geometrischen Oberflächen auf verschieden Ebenen projizieren, veranschaulicht Abb. 8 am Beispiel der sphärischen Verteilung.
Abb. 9: Projektion der Kugeloberfläche senkrecht
zur Strahlungsrichtung (Ap) und auf die Horizontale (Ah)
aus Monteith und Unsworth (1990).
Ap/A der Kugel ist demnach gleich 0,25 und Ah/A der Kugel
gleich 0,25/sinb. Nun ist es aber so, dass die
Projektionen nur von einer Hälfte der Kugeloberfläche beeinflusst
wird. Die untere Hälfte wird von der Oberseite beschattet. Hier liegen
die Grenzen unserer Analogie, da wir die betrachtete Schicht ja so klein
gewählt haben, dass Selbstbeschattung vernachlässigt werden kann.
Demnach müssen wir Oberseite und Unterseite der Kugeloberfläche
jeweils getrennt betrachten. Für die sphärische Verteilung gilt
dann also: ksp=Ap/A=2·0,25=0,5!
Das Verhältnis der Projektionsfläche auf die horizontale Ebene
zur Gesamtfläche hängt vom Inklinationswinkel der Sonne, hier
b,
ab. Dies haben wir schon bei der Richtungsabhängigkeit der Strahlungsflussdichte
kennengelernt (hier,
Y
in der Abbildung entspricht in Abb. 9 b). Neben
der Architektur kommt es zumindest bei direkter Strahlung darauf an, in
welchem Winkel sie in den Kronenraum einfällt. Wie dieser in Abhängigkeit
von Ort und Zeit auf der Erdoberfläche zu berechnen ist, haben sie
am Beispiel der Berechnung der potenziellen Globalstrahlung kennengelernt.
In Abb. 10 sind Beispiele für Extinktionskoeffizienten
verschiedener Blattstellungswinkelverteilungen in Abhängigkeit von
dem Inklinationswinkel der Sonne dargestellt. Mit diesen Werten und dem
Lambert Beer'schen Gesetz (Gl. 4) sind sie nun in die Lage versetzt, die
Strahlungsverteilung in einem homogenen Medium aus schwarzen Blättern
berechnen zu können.
Abb. 10: Beispiele von Extinktionskoeffizienten bei unterschiedlichem
Sonnenvertikalwinkel und Blattstellungswinkelverteilung.
Effekte der Struktur auf die Strahlungsverteilung auf höheren räumlichen Skalen
In der Realität genügen Baumkronen nur sehr selten dem Kriterium der Homogenität. Die Auswirkungen verdeutlicht Abb. 11.
Abb. 11: Auswirkung der Heterogenität von Baumstrukturen auf verschiedenen Raumskalen. Unten rechts sind die "Penetration-Funktions" in Abhängigkeit des Zenitwinkels (Winkel q der Sonnenstrahlung zur Senkrechten auf der Erdoberfläche cosq entspricht sinb) dargestellt (Stenberg, 1996).
Wir erkennen, dass je stärker der Grad der Klumpung
ist, desto weniger Strahlung wird bei gleichem Blattflächenindex von
dem Krondach absorbiert, bzw. desto mehr Strahlung wird transmittiert.
Interessanterweise kann man beobachten, dass die Blattfläche von relativ
geklumpt angeordneten Kronenräumen i.d.R. höhere Blattflächen
aufwiesen als solche mit homogener Verteilung. Dies ist ein Beispiel für
dein Struktur-Funktionsbeziehung, die zu Zugang zum Verstehen des komplexen
Systems Baum-Baumbestand in seiner Umwelt vermittelt.
Ist die PAR-Flussdichte bekannt, kann die Photosynthese einfach mit den Gleichungen 1 und 2 berechnet werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Strahlungsflussdichte vom Winkel des Blattes zur Strahlungsrichtung abhängt. Die einfache Mittelung und anschließende Berechnung der Photosynthese ist wegen der Nicht-Linearität von Gl. 1 nicht erlaubt. Daher muss die Photosynthese für einzelne Klassen der Blattwinkelverteilung gesondert berechnet und über die Blattfläche einer Schicht integriert werden.