Seminar und Übung
- Physikalische Prozesse in der Ökologie -
Spurenstoffe, Wasser und Energie müssen beim Transport zwischen
Atmosphäre und Wald verschiedene Grenzschichten passieren.
Dabei müssen bestimmte
Transportwiderstände (r) überwunden werden.
Abb 1.: Konzeptmodell des Transports and der Grenzfläche Wald - Atmosphäre.
Analog zu einer elektrischen Reihenschaltung kann der atmosphärische Transport durch die verschiedenen Grenzschichten mit dem aerodynamischen Grenzschichtwiderstand, ra, dem laminaren Grenzschichtwiderstand, rb, und dem Oberflächenwiderstand, rc, simuliert werden. Der Spannungsdifferenz im elektrischen Analog entspricht die Konzentrationsdifferenz (c , z. B. als Teilchen pro Volumen ( mol m-3) oder als Dichte (kg m-3) ausgedrückt). Um die Charakterisierung der Grenzschichten und die Quantifizierung der Transportwiderstände in der Atmosphäre soll es in diesem Kurs gehen.
In dieser Schicht spielt sich in der Hauptsache das
Wettergeschehen ab. Energieaustausch mit dem Boden führt zu einem
tageszeitlich sehr dynamischen Verhalten der Grenzschicht (Abb. 3).
Treibende Kräfte für diese Prozesse sind die Reibung (friction)
und der Auftrieb (bouoyancy). Auftrieb, d.h. die nach oben
gerichtete Kraft, die Luftpakete mit geringerer Luftdichte als ihre
direkte Umgebung erfahren, entsteht im Wesentlichen durch die
Aufnahme von von fühlbarer Wärme von dem Untergrund
(konvektive Grenzschicht, tagsüber). Umgekehrt wird Auftrieb
vernichtet, wenn die Grenzschicht Wärme an den Untergrund abgibt
(stabile nächtliche Grenzschicht, nachts).
An den Vertikalprofilen z.B. der potenziellen
(virtuellen) Temperatur lassen sich charakteristische Schichten
ausmachen, die Oberflächenschicht oder auch Prandtlschicht (surface
layer) und die Mischungsschicht (mixing layer).
Nicht nur die Temperaturprofile kennzeichnen die
Grenzschichten, auch viele andere luftgetragene Größen
zeugen von den Prozessen in den einzelnen Schichten (Abb. 4).
Wir interessieren uns im Folgenden für die Prandtlschicht und darunterliegenden Schichten. Das Strömungsregime ist hier turbulent (Abb. 7).
In der Prandtlschicht sind die Flüsse zwischen Untergrund und Atmosphäre höhenkonstant (+- 10%) deshalb wird diese Schicht auch constant flux layer (CFL) genannt. In ihrem oberen Teil, der Trägheitsschicht, nehmen alle quantitativen Eigenschaften logarithmisch je nach Transportrichtung mit der Höhe zu (Flüsse sind dann nach unten gerichtet, z.B. CO2 am Tage , u) oder ab (Flüsse nach oben gerichtet, z.B. der fühlbare Wärmestrom, H, oder die Verdunstung, λE am Tage). Dies ist die Folge der Scherung in der turbulenten Strömung, langsame untere Schichten bremsen darüber liegende schnellere Schichten.
Das logarithmische Windprofil ermöglicht uns
einen Ansatz zur Quantifizierung des Transportwiderstandes, den die
turbulente atmosphärische Grenzschicht (=Prantdlschicht) einem
Transport bis zu einer Referenzhöhe entgegenbringt.
große blaue Pfeile als Stromlinien.
Das Windprofil ist proportional zum Profil des horizontalen Impuls (ρ·u, = Luftdichte mal Geschwindigkeit, momentum). An der Abnahme dieser Bewegungsgröße zum Boden hin erkennen wir, dass sie nach unten transportiert wird. Dies führt zur Impulsübertragung, die die Reibungskraft am Boden zur Folge hat. Der Boden wird von der Strömung in Strömungsrichtung geschoben, es wird die sogenannte Schubspannungskraft (Kraft pro Fläche in Strömungsrichtung) ausgeübt. Da der Boden(bewuchs) ortsfest ist, kommt es zu Verformungen bis hin zu Würfen und Brüchen. Die Bewegungsenergie wird letztlich in Wärme umgewandelt, die für unsere Überlegungen aber vernachlässigbar ist.
Der Impulsfluss, τ, ist für einen einem Ort definiert als
Abb. 8: Abhängigkeit des aerodynamischem
Transportwiderstands (rechte Hochachse), bzw. der aerodynamischen
Leitfähigkeit ra-1 (linke Hochachse) von der Windgeschwindigkeit über
verschieden rauen Vegetationsoberflächen,
Windgeschwindigkeit (aus Monteith und Unsworth
1990).
Unter der turbulenten Grenzschicht schließt
sich die laminare Grenzschicht (laminar boundary layer) an. In
dieser Schicht
ist die Strömung stärker geordnet (vgl. Abb. 7, oben). Sie
ist
eine vergleichsweise dünne Schicht, die alle festen Strukturen in
Ökosystemen
umkleidet. Aufgrund der fehlenden vertikalen Strömungskomponente
wirkt
sie dem Vertikaltransport sehr
effektiv entgegen.
An dieser Stelle sind wir zum erstenmal mit dem
sogenannten Maßstabsproblem (scaling problem)
konfrontiert. Prozesse spielen sich auf kleinen Raumskalen, z.B. den
Blättern, ab und summieren sich dann in ihrer Gänze zu einer
Eigenschaft des gesamten Ökosystems. Es gibt sowohl Ansätze,
den entsprechenden laminaren Transportwiderstand, rb,
auf Blattebene als auch auf Ökosystemebene zu bestimmen. Ein auf
empirischen Untersuchungen gestützter Parametrisierungsansatz auf
Ökosystemebene ist
mit kH der
Wärmediffusivität für Luft (z.B. 22,2 10-6 m2/s bei 20°C) und D dem molekularen
Diffusionskoeffizienten (z.B. für Wasserdampf 24,9 10-6 m2/s bei 20°C). In D werden die
individuellen Diffusionseingenschaften der gasförmigen
Moleküle berücksichtigt.
Mit den hier für adiabatische Grenzschichten (neutraler Fall)
vorgestellten Widerstandsansätzen lassen sich die
atmosphärischen Transportbedingungen für Oberflächen mit
bekannten aerodynamischen Eigenschaften parametrisieren. Eine Übungsaufgabe zu dieser Einheit finden Sie hier.