Zum Begriff der Tonbeugung
In dem Papier wird gezeigt, daß
der Begriff der Tonbeugung, wie er in Handbüchern und Abhandlungen zur
deutschen Metrik definiert und gebraucht zu werden pflegt, so erhebliche Mängel
aufweist, daß man versucht sein könnte, ihn völlig aufzugeben. Das wäre aber
voreilig. Es soll also ferner dargelegt werden, daß in Beziehung auf zwei
engumgrenzte Phänomene der Versdichtung (und zwar nicht etwa bloß ihres
Vortrags) von Tonbeugungen durchaus die Rede sein kann: wo nämlich der Konflikt
zwischen metrischer Position und prosodischem Wert einer Silbe 'ikonischen'
Charakters ist oder einer 'komischen' Wirkung dient. Abschließend werden einige
Vorschläge für eine brauchbare Explikation des Begriffs der Tonbeugung gemacht.
Was ist eine Tonbeugung? In den
Sachwörterbüchern wird der Begriff bald weiter und bald enger gefaßt. So wäre
nach Wilpert eine Tonbeugung immer dann gegeben, wenn zwischen dem
"natürlichen Tonfall der Sprache" und den "Forderungen des
Versmaßes" der gewöhnliche "Einklang" fehlt – was dann
"entweder zur Vergewaltigung des Prosasprachflusses oder zur Durchbrechung
des metrischen Rahmens" führt. Andere Lexikographen, wie Schweikle, wollen
jedoch von einer Tonbeugung nur in dem Fall sprechen, daß der
"Widerstreit zwischen der vom metr. Schema geforderten Akzentuierung und
der natürl. Sprachbetonung" zugunsten des Schemas entschieden wird. Weil
diese engere Begriffsbestimmung nun offenbar dem vorherrschenden Gebrauch des
Terminus entspricht, will ich auch nur sie zum Gegenstand meiner Erwägungen machen.
Es soll also eine Tonbeugung
überall dort zu verzeichnen sein, wo unter der Wirkung des metrischen Schemas
(des "Versakzents") die sprachliche Beschaffenheit einzelner Silben
(der "Wortakzent") verändert scheint. Einen ähnlichen Fall registriert
die Metrik der alten Sprachen unter dem Namen der "metrischen
Dehnung". Nur so nämlich lassen sich Wörter wie genomenon
(> geinomenon) und "Italiam", mit jeweils drei
kurzen Silben in Folge, in den daktylischen Hexameter bringen. Im Deutschen
gibt es für Wörter wie "Triumphbogen" oder "wiederbelebt",
deren Akzentmuster nicht ins Schema des alternierenden Verses passen, keine
entsprechende Lizenz. Geradezu verboten ist sicherlich das Auskunftsmittel, zu
dem Friederike Kempner dann und wann gegriffen hat, um ein widerspenstiges Wort
dem Metrum gefügig zu machen:
Süßes
Kindchen, Menschenräupchen,
Mach
kein bitterbös Gesicht,
Und
verbittre drum das Leben
Deinen
Mite-Raupen nicht.
Oder gar, im Vorgriff auf
Morgensterns Galgenlied von der "Schildkrökröte":
Anti-ti-semiten,
Höret
meinen Rat,
Heilet
eure Leber,
Gehet
nach Karlsbad!
Auf ähnliche Weise hätte die
Kempner auch den "Widerstreit" am Schluß der Strophe beilegen können
– mit:
Geht
nach Karlesbad!
– nach dem Beispiel, das Mörikes
Wispel in den Sommersprossen am Beginn seines ‚Sarkasme / An v. Goethe‘
gegeben hat:
Du hast
mich keiner AntiWort gewürdigt,
Wohl
weil mein Geist sich kühn dir ebenbürtigt?
Wer sich zu derlei Umbildungen
metri causa nicht verstehen will, kann wenigstens dann auf Nachsicht rechnen,
wenn er dreisilbige Wörter des im Deutschen häufigen Typus "ántworte"
als Amphibrachen setzt – wie Goethe in der Iphigenie (2032 f.):
Ich
halte meinen Zorn wie es dem Ältern
Geziemt
zurück. Antworte mir!
Dem poetischen Mundraub solcher
Setzungen begegnet die herrschende Lehre mit dem Begriff der "schwebenden
Betonung" – und spricht von einer "Tonbeugung" gewöhnlich erst
im Fall von Zuwiderhandlungen willkürlichen Charakters, wie sie Philipp
Nicolais Kirchenlied etwa in dem Vers zu bieten scheint:
Wie
schön leuchtet der Morgenstern
Neuere Gesangbücher geben den Vers
denn auch in der glatteren Version:
Wie
schön leucht' uns der Morgenstern
Auf ähnliche Weise hat
beispielsweise Weckherlin seine frühen Gedichte, als er sie dreißig Jahre
später aufs neue drucken ließ, eigenhändig nach den Regeln der inzwischen zur
Herrschaft gelangten Opitzischen Metrik umzuschreiben versucht. So jedenfalls
steht es noch vielfach zu lesen. Es muß nun aber – auch gegen Schweikles
Lexikon-Artikel – der Einwand vorgebracht werden, daß wie der Meistersang und
das Kirchenlied auch die Renaissancedichtung insofern gar keine Tonbeugungen
aufweisen kann, als diese Dichtungsweisen die Silben der Verse nur
zählen und keines der metrischen Schemata, die sie verwenden, eine
alternierende Akzentuierung verlangt. Es gibt da (außer vielleicht im
Reim) überhaupt keinen "Versakzent" und infolgedessen auch keinen
Widerstreit zwischen metrischer und sprachlicher Betonung. Und selbst wer noch
immer nicht von dem Aberglauben lassen will, es wären Verse der silbenzählenden
Art alternierend vorgetragen worden, kommt doch um das Eingeständnis
nicht herum, daß die Dichter sie jedenfalls nicht alternierend gebaut
haben. Insoweit bildet Nicolais Achtsilbler:
Wie
schön leuchtet der Morgenstern
einen nach den Regeln solcher Kunst
völlig korrekten Vers.
Ähnlich verhält es sich mit der
Dichtung des Mittelalters und dem sogenannten Volkslied der Neuzeit – wo das
jeweilige Metrum außer einer gewissen Reimbindung allenfalls eine bestimmte
Anzahl von Hebungen verlangt und der einzelne Vers die entsprechende Anzahl
tonstarker Silben in der Regel auch enthält. Eine gewisse Schwierigkeit
bereitet da freilich die sogenannte Klingende Kadenz. Weil in der letzten
Hebung solcher Verse allemal eine äußerst tonschwache Silbe steht:
dem
volget saelde vnd êre
ist das Merkmal einer Tonbeugung,
die "Vergewaltigung" durch den Versakzent, eigentlich mit jeder
solchen Kadenz gegeben. Wenn die mediävistische Metrik diesen Fall gleichwohl
nicht als Tonbeugung bucht, so vermutlich aufgrund der zusätzlichen
Voraussetzung, daß dann die "natürl. Sprachbetonung" gleich zweimal
verletzt sein müßte: indem (wie vermeintlich in Nicolais Kirchenlied) sowohl
eine tonstarke Silbe gesenkt als auch eine tonschwache Silbe gehoben
wird. Auf derlei Doppelfehler glaubt man beispielsweise in den Minneliedern
Burkhards von Hohenfels zu treffen. Diese Gedichte sind aber offensichtlich
nach romanischem Muster in silbenzählender Manier verfaßt. Ungeachtet dessen,
daß die Verse gutenteils (und wie denn auch nicht!) jambische oder trochäische
Tonverläufe zeigen, liegt ihnen doch keine Regel zugrunde, derzufolge
jede zweite Silbe auszuzeichnen wäre. Es ist also überhaupt kein Grund gegeben
dazu, etwa die Eingangsverse von Burkhards Lied IX:
Min
herze hat minen sin
wilt ze
iagen vs gesant
als trochäischen Vierer zu
skandieren:
Min
herze hat minen sin
wilt ze
iagen vs gesant
– und vollends abzuweisen wäre der
Versuch, die vermeintliche Tonbeugung durch eine als "Textkritik"
kaschierte Umdichtung zu tilgen:
zherze
mîn hât mînen sin
wie ihn vor einiger Zeit Helke
Jährling auf den Spuren des Altmeisters solcher Zurichtung, Carl von Kraus,
unternommen hat.
Im prägnanten Sinn des Wortes kann
es Tonbeugungen nur innerhalb von Systemen geben, die den Vers Silbe für Silbe
auf die Beachtung eines Versakzents verpflichten. Ein solches System hat für
die deutsche Dichtung erst Martin Opitz begründet – mit der Forderung, es müsse
"ein jeder verß entweder ein iambicus oder trochaicus" sein, und zwar
aufgrund einer Prosodie, die das Gewicht der Silben statt nach der
"grösse" (der Quantität) nach "den accenten vnnd dem thone"
bemißt. Regelrechte Verse dieser Art gibt es seitdem wohl zu Millionen. Nicht
eben selten aber ist statt des vorgeschriebenen "Einklangs" ein
"Widerstreit" zwischen Vers- und Wortakzent zu bemerken, und in
derlei Fällen läge eine Tonbeugung jedenfalls in Wilperts Sinne vor.
Ich greife aus dieser Masse zunächst
nur die Dichtung in Blankversen heraus. Weil die Dichter ihre Verse hier
bloß nach dem Metrum und nicht auch noch nach dem Reim zu strecken brauchen,
sollte es ihnen eigentlich ein Leichtes sein, die Wortakzente vorschriftsmäßig
anzuordnen. Tatsächlich aber bilden solche "Blitzblankverse", wie
Karl Kraus sie einmal genannt hat, selbst im Drama des Weimarer Klassizismus
nur die Majorität – während beispielsweise im Tasso jeder fünfte Vers
auf die eine oder andere Weise abweichend gestaltet ist. Ja: in Goethes
Leipziger Prolog, geschrieben zur Eröffnung der Darstellungen des weimarischen
Hoftheaters daselbst, beginnen (nach Hettichs Auszählung) rund 40 % der
Verse mit einer "metrischen Drückung". Ein Beispiel (V. 29-32):
Belehrung!
ja, sie kann uns hier nicht fehlen,
Híer, wo
sich früh, vor mancher deutschen Stadt,
Géist und
Geschmack entfaltete, die Bühne
Zu
ordnen und zu regen sich begann.
Ähnlich frei sind viele Blankverse
in der Natürlichen Tochter gebaut. Aus 21 Versen einer Rede
(1970f.; 1985f.; 1989f.):
Únselige!
die mir, aus deinen Höhen,
Ein
Meteor, verderblich niederstreifst,
...
Um
Niederungen schwebend gift'gen Brodens,
Bláudunst'ger
Streifen angeschwollne Pest.
...
O! die,
so blühend, heiter vor mir steht,
Sie
soll, so früh, lángsamen Tods, verschwinden.
Eine Probe noch aus Tasso
(1589–1594):
Wer weinte
nicht, wenn der Unsterbliche
Vor der
Zerstörung selbst nicht sicher ist?
Geselle
dich zu diesem Degen, der
Dich
leider nicht erwarb, um ihn geschlungen
Rúhe,
wie auf dem Sarg der Tapfern, auf
dem
Grabe meines Glücks und meiner Hoffnung!
Fast alle Verse dieser Reihe (mit
Ausnahme etwa des letzten) lassen einen gewissen "Widerstreit zwischen der
vom metr. Schema geforderten Akzentuierung und der natürl. Sprachbetonung"
erkennen. Aber sind sie darum auch für tonbeugend (in Schweikles Sinn) zu
halten? Goethe selbst hätte die Frage wohl entschieden verneint – unter
Berufung auf Karl Philipp Moritz, dessen Versuch einer deutschen Prosodie
(1786) ihm schon bei der metrischen Ausarbeitung der Iphigenie, wie er
sagt, als "Leitstern" dienlich gewesen ist (Italienische Reise,
10. 1. 1787). Moritz nimmt die Sache nämlich so:
Und
warum soll denn auch der Vers gerade wie lauter Jamben gelesen werden? Die
Versart kann ja jambisch seyn, ohne daß jeder Vers gerade aus lauter
reinen Jamben bestehen darf. Wie untermischt waren nicht bei den Alten das
jambische und andere Versmaße? Sie hatten anapästische Verse, worin zuweilen
kein einziger Anapäst vorkam. Und warum sollen wir nun nicht die vortrefflichsten
Verse unsrer vortrefflichsten Dichter auf alle Weise zu retten suchen, und die
Freiheit, welche sie sich in irgend einer Versart verstattet haben, nicht
gelten lassen, wenn überdem der Vers dadurch [...] an Energie und Schönheit des
Ausdrucks gewinnt?
Mag sich
denn das jambische Versmaaß doch durch den Spondeus, Daktylus, Anapäst, Bachius
und Schwerfall [Palimbachius], der Absicht des Dichters gemäß, hindurchwälzen,
wie es wolle, wenn es nur immer zu sich selbst wieder zurückkehrt, als:
So
stehet ein Berg Gottes
Den Fuß
in Ungewittern,
Das
Haupt in Sonnenstrahlen.
Im Lichte dessen hätte man noch in
Goethes sperrigsten Blankversen statt einer "Vergewaltigung des
Prosasprachflusses" allemal die Alternative: eine "Durchbrechung des
metrischen Rahmens" anzunehmen. Auch steht diese Lösung des
Konflikts ja ganz außer Konkurrenz überall dort, wo sich ein Blankvers durch zu
viele oder zu wenig Jamben von der Norm entfernt – wie in den Versen von
Goethes Orest (Iphigenie, V. 1052–54):
Wie
gärend stieg aus der Erschlagnen Blut
Der
Mutter Geist
Und ruft
der Nacht uralten Töchtern zu:
oder auch am Schluß des Dramas mit
dem bloß noch zweisilbigen Vers (V. 2174):
Lebt
wohl!
Denn wie immer ein Darsteller des
Thoas sein Schlußwort auch sprechen mag: daran kann es keinen vernünftigen
Zweifel geben, daß der Vers aus nur einem jambischen (oder eigentlich:
spondeischen) Fuß besteht.
Im übrigen und überhaupt muß der
Begriff der Tonbeugung, wenn er einen metrischen Begriff abgeben soll,
gar einen "Grundbegriff" der deutschen Metrik, wie Paul und Glier es
wollen (§ 5), unabhängig von den Daten zu gebrauchen sein, die uns,
fragmentarisch genug, die Theatergeschichte zur Verfügung stellt. Aber
angenommen auch, man hätte auf den Bühnen der Goethezeit irreguläre Blankverse
unter Tonbeugungen deklamiert, so wäre das doch jedenfalls nicht im Sinn des
Theaterleiters Goethe gewesen, in dessen Regeln für Schauspieler (1803)
es mit aller wünschenswerten Deutlichkeit heißt (§ 32):
Der
Sylbenbau aber [nämlich: das Versmaß] so wie die gereimten Endsylben dürfen
nicht zu auffallend bezeichnet, sondern es muß der Zusammenhang beobachtet
werden wie in Prosa.
Eben darum auch wünscht Goethe in
Schillers Phädra-Übersetzung diejenigen Stellen abgeändert zu sehen, wo
"zwei kurze (unbedeutende) Silben statt eines Jambus stehen" – Verse
also wie (V. 299–301):
Ich sah
ihn, ich errötete, verblaßte
Bei
seinem Anblick, meinen Geist ergriff
Unendliche
Verwirrung [...].
Solche Doppelkürzen ("Pyrrhichien")
nämlich machen, wie er an Schiller schreibt (14. 1. 1805), "den ohnehin
kurzen Vers noch kürzer" – eine Wirkung, die ja bei einer
skansionsförmigen Darbietung, unter "Vergewaltigung des
Prosasprachflusses", gerade nicht eintreten könnte.
Wenn ich aus alledem nun schließen
wollte, in deutschen Versen kämen Tonbeugungen (wieder im engeren Sinn des
Wortes) überhaupt nicht vor und man täte gut daran, den Begriff nach Occams
Regel ("entia praeter necessitatem non sunt multiplicanda") aus den
Handbüchern zu streichen, dann hätte ich mich freilich übereilt. Das metrische
System, dem der Blankvers angehört, bestimmt ja nicht das Ganze der neueren
deutschen Poesie. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nimmt man es mit dem
Vorbild der Antike in doppelter Hinsicht genauer als Opitz am Beginn des
siebzehnten: im Feld der Versifikation durch die Nachbildung klassischer
Vers- und Strophenformen wie des daktylischen Hexameters und des elegischen
Distichons, im Feld der Prosodie mit dem Versuch, zumal in Dichtungen solcher
Art auch im Deutschen die Silben nach der "grösse" zu bemessen. Nach
dieser Prosodie besteht ein Wort wie "rückwärts" aus zwei langen
Silben – darf also im Hexameter nicht einen daktylischen Fuß eröffnen,
der nach einer langen zwei kurze Silben verlangt. Nicht also: "rückwärts
gewendet". Richtig steht das Wort hingegen im spondeischen Fuß:
"rückwärts wenden". Es kann sogar auf zwei Füße verteilt werden wie
im Pentameter des Goetheschen Distichons:
Vorwärts
| dringt der | Schiffenden | Geist, wie | Flaggen und | Wimpel,
Einer
nur | steht rück- | wärts | traurig ge- | wendet am | Mast.
Das gibt den vielgescholtenen
"geschleiften Spondeus" – uns allen am besten vertraut aus Vossens
Homer:
Drauf
ántwortete Zeus' bláuäugichte Tochter Athene (Od. 1, 44)
Voss selber hat in solchen
Setzungen eine "durch Kunst veredelte Natur" gesehen – und hätte sich
entschieden gegen Heuslers Auffassung verwahrt, derzufolge der
"geschleifte" für einen "falschen, d. i.
tonbeugenden, Spondeus" zu halten sei. Natürlich ist auch dem
Verfasser der Zeitmessung (1802) nicht entgangen, daß sich im Deutschen
die Silben außer durch die Dauer noch durch den Akzent
unterscheiden. Er schreibt:
Am
willigsten steht die Länge von höherem Ton in der Hebung des Verses, die von
tieferem in der Senkung: Meerflùt steigt [...] Aber kraftvoller ist ein
geschleifter Spondeus, dessen schwächer betonte Länge durch den Verstakt
gehoben wird: Brausender steigt Meerflùt im Orkan.
Und weiter:
Ein so
umgestellter Spondeus gewinnt dadurch Kraft, daß theils die schwächere Länge
durch den Stoß des Rhythmus sich verstärkt, theils die von Natur stärkere, mit
Gewalt in der Senkung gehalten, gleichsam aufschwillt, und den Takt ausdehnt.
Hierzu kommt die schöne Abwechselung des Tons, der sonst allzu oft die Hebung des
Verses träfe. Nur gebe der Vorleser der gesenkten hochtonigen Länge ihr volles
Recht an Dauer und Ton. Auch der Musiker wisse sie in dem schwächeren
Takttheile durch Höhe und kräftige Harmonie zu ehren.
In Vossens Sinne kann demnach
eigentlich keine Rede davon sein, daß der von ihm durchaus anerkannte, ja
geradezu gesuchte "Widerstreit zwischen der vom metr. Schema geforderten
Akzentuierung und der natürl. Sprachbetonung", wie es bei Schweikle heißt,
im Wege der Tonbeugung zugunsten des Schemas zu entscheiden wäre.
In der Mehrzahl der Fälle ist einfach eine Senkung gehoben (sozusagen
'beschwert') worden – wie man das besonders vom Anfang jambischer Verse zur
Genüge kennt:
Dréymal
sind schon sechs Jahr ...
Séin oder
Nichtsein, das ist hier ...
Kíndheit
und Jugend, allzuglücklich ...
Anders jedoch könnte es sich mit
einem Vers aus Schillers ‚Spaziergang‘ verhalten. In der ersten Fassung des
Gedichts, die unter dem Titel ‚Elegie‘ 1795 in den Horen erschienen ist,
war er wie folgt zu lesen:
Fréyheit
heischt die Vernunft, nach Fréyheit rufen die Sinne, (V. 145)
Für die Buchausgabe von 1800 hat
Schiller, von Humboldt metrisch beraten, den völlig korrekten Hexameter
abgeändert zu:
Fréiheit
ruft die Vernunft, Fréiheit die wilde Begierde, (V. 141)
Das Wort "Freiheit" ist
nun, um mit Voss zu sprechen, einmal als "fallender" und einmal als
"steigender" Spondeus gesetzt. Im zweiten Fall treten der Versakzent,
den die feste Länge des Verses mit sich führt, und der Wortakzent, der auf der
ersten Silbe des Wortes liegt, auseinander. Obwohl aber Schiller bisweilen mit
orthographischer oder typographischer Hervorhebung geradezu verlangt,
daß eine metrisch gesenkte Silbe sinngemäß mit entschiedener Betonung
auszusprechen sei:
Tausend
Hände belebt ein Geist, hoch schläget in tausend
Brüsten,
von einem Gefühl glühend, ein einziges Herz (V. 75 f.)
könnte er doch die Falschheit
des Rufs, den die "wilde Begierde" von sich gibt, hier dadurch haben
bezeichnen wollen, daß er die Losung nur entstellt laut werden läßt. Man
hätte es an dieser Stelle dann mit einer in 'malender' Absicht, wie man damals
sagte, einer 'ikonisch' gebrauchten wirklichen Tonbeugung zu tun. Dergleichen
gibt es nach Kelletats Beobachtungen auch bei Voss – etwa "wo Last,
Schwere, Mühsal und Hemmnis gemalt werden soll". August Wilhelm Schlegel
hat eben diese Möglichkeit in seinem Porträt des Hexameters virtuos erfaßt:
Wie
oft Seefahrt kaum vórrückt, múehvolleres Rudern
Fórtàrbeitet
das Schiff, dann plötzlich der Wog Ábgründe
Sturm
áufwühlt, und den Kiel in den Wallungen schaukelnd
dahinreißt.
Gibt man nun aber 'malende'
Tonbeugungen im Hexameter erst einmal zu, wird man sie auch im Blankvers nicht
prinzipiell ausschließen dürfen. Ein Vers wie:
Sie
soll, so früh, lángsamen Tods, verschwinden,
würde, bloß nach Wortakzenten
("lángsamen") gelesen, geradezu die gegenteilige Vorstellung wecken:
die eines geschwinden Sterbens. Und wenn Helena, nachdem sie die Reimverse des
Lynkeus angehört hat, sich an Faust mit den Worten wendet (V. 9367 f.):
Doch
wünscht' ich Unterricht, warum die Rede
Des
Manns mir séltsam klang, séltsam und freundlich.
so mag man in der unterschiedlichen
Setzung des Adjektivs, erst fallend, dann steigend, den Eindruck des
Befremdlichen, den die Griechin hier wörtlich bezeugt, sprachlich
ausgedrückt finden.
Wenn die angeführten Fälle für
exemplarisch gelten dürfen, dann treten in fußmetrisch organisierten Versen
(Hexameter, Blankvers) Tonbeugungen offenbar nur unter der Bedingung auf, daß
der Versakzent allein solche Silben trifft, die ihn, der vorausgesetzten
Prosodie gemäß, auch zu tragen vermögen. Nur wenn die in die Hebung gestellte
Silbe von einiger Schwere, im Regelfall also "lang" ist, kann sie
sich (wie bei "lángsam") bisweilen über den Wortakzent auf der
benachbarten Senkungssilbe erheben. Ist sie hingegen "kurz":
Rúhe,
wie auf dem Sarg des Tapfern [...]
dann ist der Widerstreit wohl
allein unter 'Tonversetzung', unter "Durchbrechung des metrischen
Rahmens", zu schlichten.
Mit Reimversen verhält es
sich ähnlich. Wenn die letzte Hebungssilbe zugleich den Reim zu tragen hat,
bringt sich der auf diese Weise gleichsam gestützte Versakzent – jedenfalls in
der deutschen Versdichtung nach Opitz – auch in den Fällen zur Geltung,
wo die Reimsilbe nicht auch den Wortakzent mit sich führt. So bei
Lichtenberg:
Nach
diesem Hieb auf Herrn Lávater
Setz ich
ein paar Trink-Regeln her.
Das geht zumal dann, wenn der
Wortakzent auf der jeweils vorangehenden Silbe liegt, nicht ohne einige Komik
ab. Die schönsten Beispiele bietet Kortums Jobsiade::
Trieb
auch sonst jedes nötige Stück
Aus der
lateinischen Grammátik. (I,7,1)
oder:
Zu
unsers Hieronimus großem Lobe
Kommt im
folgenden Kapitel eine Probe
Von
dieser kuriosen Korrespondenz;
Beschließe
also das itzge éilends. (I,13,20)
Auf derart 'unebene' Reime setzt
Eichendorffs ‚Mandelkerngedicht‘ von 1820:
Zwischen
Akten, dunkeln Wänden,
Bannt
mich, Freiheitsbegéhrenden,
Nun des
Lebens strenge Pflicht.
Und aus
Schränken, Aktenschichten
Lachen
mir die beléidigten
Musen in
das Amtsgesicht.
Die letzte Strophe:
Ein
Gedicht soll ich euch spenden?
Nun, so
geht mit dem Léidenden
Nicht zu
strenge ins Gericht!
Nehmt
den Willen für Gewährung,
Kühnen
Reim für Begéisterung,
Diesen
Unsinn als Gedicht!
Auch wenn in Eichendorffs Gedicht
die Störfälle nicht, wie in einer späten Schiller-Parodie, durch accents aigus
eigens bezeichnet sind:
Schau,
welch neue Kunst der Rede
Sich
dein Sänger aneignéte,
läßt sich die Spaßhaftigkeit
solcher Reimung gewiß nur durch einen Vortrag sinnfällig machen, der (dem Titel
dieser Parodie gemäß) ‚Verrückte Akzente‘ setzt. Bisweilen ergreift die
Tonbeugung rückwirkend auch die vorletzte Hebungssilbe: macht aus
"beléidigten" ein doppelt falsches "béleidígten". In
Wahrheit hat sich selbst der junge Schiller, der doch "Menschen" auf
"Wünschen" und "Bühne" auf "Träne" reimt, zu
solchen Wagnissen nirgends verstiegen. Das Äußerste bildet neben Paarungen wie
"Wiedersehn" : "Segnungen" und "daher" :
"feuriger" ein Reim wie "Begrabenen" :
"Hoffnungen". Vermutlich hat der Schwabe da einen Nebenton gehört –
kaum schwächer als auf der letzten Silbe von Wörtern wie "Ewigkeit"
und "fürchterlich", die ja allerwärts für reimfähig gehalten werden.
In späteren Zeiten findet sich ein schwachtoniges "e", zumal in
ungedeckter Position, gewöhnlich nur in malender oder komischer (oder auch
beiderlei) Absicht in den Reim gestellt – etwa bei Morgenstern:
Halt's
–
halt's
Maul!' so spricht die Frau, 'und geh
an
deinen Dienst, Zä-zi-li-ē!'
oder bei Brecht:
Und wenn
der wüste Kent den Grind
Sich
kratzte und blinzelte
Dann spürt
die Hanna Cash, mein Kind
Den
Blick bis in die Zeh.
Hier blinzelt, sozusagen, auch der
Reim.
Nach alledem gibt es in der
deutschen Dichtung der Neuzeit Tonbeugungen durchaus. Sie sind aber sicher
zu konstatieren vorerst nur in den engen Bezirken 'malender' und
'komischer' Versgestaltung – und selbst da nur unter der Voraussetzung, daß die
sprachwidrig gehobenen Silben entweder durch 'Länge' ausgezeichnet sind oder
vom Reim gewissermaßen 'gestützt' werden. In reimlosen Versen oder im Vorfeld
des Reims ist die tonbeugende Beschwerung einer prosodisch leichten Silbe
allenfalls noch an metrisch eigens markierten Stellen des Verses zu vermuten:
etwa am Schluß des jambischen Trimeters oder vor der Zäsur des Alexandriners.
So im Faust:
Und
keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin,
Die
jeden Fremdling freundlich sonst begrüßenden. (8672 f.)
Deshalb
denn ungesäumt verbind' ich mich sogleich
Mit euch
vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich. (10871 f.)
Was den Trimeter betrifft, so muß
man sich erinnern, daß in den antiken Mustern die letzte Stelle des Verses
anceps ist, also richtig auch mit einer brevis besetzt werden kann.
Entsprechend läßt Goethe seine Trimeter bisweilen mit einer schwach- oder
nebentonigen Silbe enden. Die Zäsur im Alexandriner bietet nach Opitzens
Vorschrift eine solche Freiheit nicht: da ist entweder ein "einsylbig
wort" oder ein Mehrsilbler mit dem "accent in der letzten
sylben" verlangt. "Zum exempel", heißt es weiter, "sey
dieses":
Dich
hette Jupiter, nicht Paris, jhm erkohren,
Vnd würd'
auch jetzt ein Schwan[.] wann dich kein Schwan gebohren,
Du
heissest Helena, vnd bist auch so geziehrt,
Vnd
werest du nicht keusch, du würdest auch entführt.
Demnach begnügt schon Opitz sich an
der Zäsur-Stelle mit einem "rhythmischen Nebenakzent" – der nach
Kiparsky dann auf "unbetonte Silben am Wortanfang oder am Wortende"
fällt, "wenn nicht unmittelbar vor oder nach ihnen eine betonte Silbe
steht":
Mèphistóphelès.
So hier: Júpitèr, Hélenà. Gewiß muß
unmittelbar vor der Zäsur ein Kolon, mindestens ein Wort zu Ende gehen; die
letzte Silbe jedoch braucht hier nicht schwerer zu sein als an jeder andern
Hebungsstelle vor dem Reim:
Vieleichte
werden noch die bahn so ich gebrochen,
Geschicktere
dann ich nach mir zue bessern suchen.
Von einer Tonbeugung dürfte
allenfalls dann die Rede sein, wenn am Ende eines Trimeters oder vor der Zäsur
eines Alexandriners ein Wort wie "grüßen" oder "würdig"
gestellt wäre. Solche Hinkjamben hat jedenfalls Goethe sich nirgends erlaubt –
und um so weniger ist anzunehmen, es könnte mit einem Schluß oder Halbschluß
auf "begrüßenden" oder "würdigen" eine Tonbeugung verbunden
sein. Außerhalb der abgemessenen Bereiche des 'malenden' und des 'komischen'
Gebrauchs, und zumal im Hinblick auf die bloß auf Silbenzählung und Reimbindung
verpflichteten Dichtungsweisen, hat die Rede von Tonbeugungen also schwerlich
einen Sinn.
Der Versuch einer brauchbaren
Explikation des Begriffs der Tonbeugung könnte seinen Ausgang nehmen von den
Erklärungen in den Handbüchern. Wilpert führt die Erscheinung auf
"mangelnden Einklang" zurück, Schweikle sieht in ihr einen
"Widerstreit" gegeben. Wie nun jedermann weiß, besteht in fußmetrisch
regulierter Dichtung zwischen metrischer und sprachlicher Ordnung im
allgemeinen weder Einklang noch Widerstreit. Bei durchgehendem Einklang
entstünde die Monotonie des von Wolfgang Kayser so genannten "metrischen
Rhythmus":
Mit
feuchtem Augenlide
Begrüß'
ich Hain und Flur:
Im
Herzen wohnt der Friede,
Der
tiefste Friede nur.
Und bei allzu häufigem Widerstreit
wäre die Gültigkeit der jeweils angenommenen Regel in Frage gestellt – so wenn
Kleist lauter Blankverse geschrieben hätte wie:
Tráeum ich?
Wách ich? Léb ich? Bín ich bei Sínnen?
Den Normalfall bildet die Spannung
zwischen den beiden Ordnungen; welche die neuere Verslehre gern unter dem
Begriff der "metrischen Komplexität" studiert. Diese Spannung kann
sowohl verschiedene Grade annehmen als auch in verschiedenen Gestalten
erscheinen. In einer ausgearbeiteten Theorie solcher Gestalten hätte dann neben
der "versetzten Betonung" und der "beschwerten Senkung"
auch die "Tonbeugung" ihren wohlbestimmten Platz.
Man erwäge das Folgende.
Gebräuchlich ist seit langem der Begriff der "beschwerten Hebung".
Mit einer solchen rechnet die mediävistische Metrik dann, wenn ein Innentakt
von nur einer Silbe, vorzugsweise der ersten eines mehrsilbigen Wortes,
gebildet wird:
der was
Hartman genant.
Die Beschwerung drückt sich in
solchen Fällen, da die Senkung im Wortinnern ja nicht wohl pausiert werden kann,
durch eine Dehnung der Hebungssilbe aus. Dafür wird
"natürlich", wie Pretzel sagt, "Länge oder Dehnbarkeit der
Silbe" vorausgesetzt – die andere freilich auch in Versen gegeben finden
wie:
nein,
meister, sprechet mich ê (Heusler § 576)
und:
sie hiez
Jeschûte (Paul/Glier § 66)
und:
die sint
mir unkunt gewesen (Beyschlag 84)
Das mögen die Mediävisten unter
sich ausmachen. Für die deutsche Metrik der Neuzeit, zumal im Hinblick auf die
nach Opitz regulierte Dichtung, wäre stattdessen der Begriff der "beschwerten
Senkung" zu etablieren. Zunächst gedeckt durch die Lizenz, daß ein Jambus
(besonders am Versbeginn) durch einen Spondeus vertreten werden kann, finden
sich in den Senkungen des alternierenden Verses, bei durchaus korrekter
Besetzung der Hebungen, vielfach Silben von beträchtlicher Schwere. Beispiele
zuhauf liefert Conrad Ferdinand Meyers Ballade ‚Die Füße im Feuer‘ – die schon
mit einem Spondeus beginnt:
Wild zuckt
der Blitz. Im fahlen Lichte steht ein Turm.
und in deren Verlauf ein Vers
begegnet wie:
Ich
werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf [...]
Offenbar soll die typographische
Hervorhebung zu verstehen geben, daß der Artikel hier vielmehr als
Demonstrativum ('dieser') oder auch im emphatischen Sinn ('so ein') aufzufassen
ist. Es wäre nun sicherlich falsch, an derlei Stellen eine zusätzliche Hebung
anzunehmen, also davon zu sprechen, daß Meyer unter die Trimeter seines
Gedichts auch einige Siebenheber mischt. Richtiger sollte vielmehr von einer
fallweise eintretenden Beschwerung der Senkung die Rede sein. Die jeweils
betroffene Silbe bleibt dabei – anders als im Fall der beschwerten Hebung, wo
sie eine Längung erfährt – völlig unverändert.
Was ich hier "beschwerte
Senkung" nenne, wird oft als "schwebende Betonung" bezeichnet.
Bei Pretzel jedoch umfaßt dieser Begriff auch eine Vielzahl solcher Fälle, die
besser unter den Begriff der "versetzten Betonung" zu bringen wären.
Mit einer "Doppelbetonung" rechnet Pretzel (Sp. 2505 ff.) nämlich
auch in Versen wie:
Fürchtet die Zwietracht, wecket nicht den Streit
Dunkel auf langen Wegen gehn die Leute
aber das Cembalo mit zartem Klirren
– und allerlei anderen Fällen von
ähnlich schwacher Besetzung der ersten Hebung. Wie immer sich der Rezitator
hier verhalten mag: der Metriker wird keinen greifbaren Unterschied
gewahren gegenüber Versen, in denen Pretzel (Sp. 2505) nur ein "Fehlen des
Auftaktes" bemerkt:
Schütte die Kraft aus, die dir zugeflossen
betend, daß Gott dich erhalte
Versetzte Betonung und beschwerte
Senkung – man findet beide aufs schönste beisammen in einem von Rückerts
Amaryllis-Sonetten, wo es heißt:
Ein
jeder Gruß ist, den du schenkest, bitter,
Bítter
ein jeder Kuß, den du nícht schenkest,
Bítter
ist, was du sprichst und was du denkest,
Und was
du hast, und was du bist, ist bitter.
Gewiß besteht zumal der zweite Vers
des Quartetts nicht, um mit Moritz zu reden, aus lauter reinen Jamben. Aber er
enthält mit der versetzten Betonung am Anfang ("Bitter") und der
beschwerten Senkung gegen Ende ("nicht") auch keine Tonbeugung im
Sinn des revidierten Begriffs.
So verhält es sich auch in meinem
letzten Beispiel. Es stammt, wieder einmal, aus dem Faust. Nach dem
Abenteuer mit Helena bricht Faust im "Hochgebirg" zu Beginn des IV.
Aktes zu "großen Taten" auf (10182). Er plant nicht weniger als: dem Meer
Land abzugewinnen. Ihn ärgert der "wüsten Strecke widerlich Gebiet"
(10215). Und er sagt:
Da
herrschet Well' auf Welle kraftbegeistet,
Zíeht sich
zurück, und es ist nichts geleistet,
Was zur
Verzweiflung mich beängstigen könnte!
Zwécklose
Kraft únbändiger Elemente!
Da wagt
mein Geist, sich selbst zu überfliegen;
Híer möcht'
ich kämpfen, díes möcht' ich besiegen. (10216–10221)
Fünfhebige Jamben, paarweise
gereimt. Eine versetzte Betonung am Anfang des zweiten Verses:
Zíeht sich
zurück
– mit der eben dieser Rückzug, die
Umkehr der Welle, 'gemalt' erscheint. Im vierten Vers gleich zwei beschwerte
Senkungen, im Vorfeld nicht gerade leichter Hebungen:
Zwécklose
Kraft únbändiger Elemente!
Zumindest die zweite ist wiederum
'malerisch' gebraucht, zur Bezeichnung eben der Unbändigkeit des Meeres. Und
noch eine beschwerte Senkung, wenn nicht eine Tonversetzung, im letzten Vers:
Híer
möcht' ich kämpfen, dies möcht' ich besiegen
– die zu verstehen gibt, mit
welcher Energie Faust das Vorhaben ergreift. Man stelle sich vor, Goethe hätte
ihn ungefähr dasselbe in reinen Jamben, in glatter Fügung sagen lassen:
*Ich
möchte kämpfen und ich möchte siegen
– und man bemerkt sogleich, wie matt
und schal das klingt, verglichen mit dem rhetorisch und rhythmisch aufgehöhten
Vers, den Faust an dieser Stelle wirklich spricht. Und auch da geht es ohne
Tonbeugung ab.
Literaturverzeichnis
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Metrik der mittelhochdeutschen Blütezeit in Grundzügen. 4. Aufl. Nürnberg.
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2357-2546. 2. Aufl. Berlin, Bielefeld, München.
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Revidierte
Fassung Mai 2002