Institut für Humangenetik

Universität Göttingen

  letzte Änderung:

06.10.99

 
       
       
   

Informationsblatt

 
   
- Genetische Beratungsstelle -

Heinrich-Düker-Weg 12

D-37073 Göttingen

Tel.-Nr. 0551/39-7591
Telefax: 0551/39-9303
E-mail: bzoll1@gwdg.de

Genetische Beratung

Das vorliegende Informationsblatt beschreibt Grundlagen, Indika-
tionen und Konsequenzen der genetischen Beratung. In der Kürze
können unmöglich alle damit zusammenhängenden Probleme
angesprochen werden. In Zweifelsfällen steht Ihnen die Genetische
Beratungsstelle mit einer schriftlichen oder telefonischen Auskunft

gerne zur Verfügung.

Was sind Erbkrankheiten? Krankheiten, die mehrmals in einer Familie in derselben oder in verschiedenen Generationen vorgekommen sind, legen den Verdacht auf eine Erbkrankheit nahe. Allerdings können Erbkrankheiten auch sporadisch, d.h. nur einmal in einer Familie auftreten. Sie folgen verschiedenen Erbgängen und sind mit unterschiedlichen Wiederholungs- und Erkrankungsrisiken verbunden.

Wann können Erbkrankheiten erkannt werden? Nicht immer sind erblich bedingte Erkrankungen schon bei der Geburt nachweisbar. Sie können auch im Laufe des Lebens auftreten, wie etwa die Duchenne'sche Muskeldystrophie, der Diabetes mellitus, die Neuro- fibromatose Recklinghausen, die Chorea Huntington.
Wie häufig sind Erbkrankheiten? Von allen Kindern, die geboren werden, leiden
  • 1% an schweren äußeren oder inneren Fehlbildungen mit oder ohne Chromosomenanomalie, z.B. Down Syndrom (Trisomie 21), Spina bifida, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Herzfehler;
  • bis zu 3% an genetisch bedingten Erkrankungen, die sich in Funktions- störungen einzelner Organe äußern, wie z.B. fortschreitende Muskel- schwäche, Seh- u. Hörstörungen, Anfallsleiden, geistige Behinderung und vieles andere mehr. Läßt man die häufigen genetisch mitbedingten Erkran- kungen außer Acht, so liegen bei ca. 8-10% der Erwachsenen Erbkrankheiten vor.

Wem empfehlen wir eine
genetische Beratung?
Genetische Beratung wird demjenigen empfohlen,
  • der selbst oder dessen Partner eine erblich bedingte Erkrankung hat .
  • der ein Kind mit einer wahrscheinlich genetisch bedingten Erkrankung, Fehlbildung oder geistigen Behinderung hat und weitere Kinder wünscht.
  • in dessen weiterer Verwandtschaft Erbkrankheiten aufgetreten sind.
  • der mit seinem Partner verwandt ist.
  • der selbst oder dessen Partner an Fertilitätsstörungen leidet.
  • bei dem zwei oder mehr ungeklärte Fehlgeburten aufgetreten sind.
  • bei dem vor oder während einer Schwangerschaft Röntgenuntersuchungen therapeutische Bestrahlungen oder die Einnahme mutagen oder teratogenwirksamer Medikamente erfolgt sind.
  • sowie allen Frauen, die zum Zeitpunkt der Geburt 35 Jahre und älter sind und bei denen Kinderwunsch oder eine Schwangerschaft besteht.
Was geschieht
bei der genetischen Beratung?
Es wird eine ausführliche Anamnese über mindestens 3 Generationen von den Familien der Ratsuchenden erhoben. Spezielle Laboruntersuchungen wie z.B. Chromosomenanalysen, biochemische Untersuchungen oder molekulargenetische Untersuchungen können erforderlich werden. Bei seltenen oder unbekannten Fehlbildungskomplexen wird versucht, das Krankheitsbild durch Vergleich mit der Fachliteratur einzuordnen und eine Risiko- abschätzung zu geben.

In diesem Rahmen kann der behandelnde Arzt durch Überlassung von Befunden und Untersuchungsergebnissen sehr viel zu einer erfolg- reichen genetischen Beratung beitragen. Ein erstes Beratungsgespräch nimmt im allgemeinen ein bis zwei Stunden in Anspruch. In Abhängigkeit von der Beratungssituation kann ein mehrmaliger Besuch erforderlich sein. An dem Beratungsgespräch sollten beide Partner teil- nehmen. Die genetische Beratung wird mit einem schriftlichen Gutachten für die behandelnden Ärzte und die Ratsuchenden abgeschlossen.

Wie sieht das Ergebnis einer genetischen Beratung aus? Aus der Anamnese und den erhobenen Befunden läßt sich ein Wieder- holungsrisiko für eine genetisch bedingte Erkrankung, Fehlbildung oder/und geistige Behinderung errechnen oder schätzen. Für Erkrankungen, die den Mendelschen Erbgängen folgen, ist in der Regel eine klare und eindeutige Risikoangabe möglich.

Bei multifaktoriell bedingten Erkrankungen läßt sich das Wieder- holungsrisiko aufgrund empirisch ermittelter Zahlen schätzen.

Im Rahmen der genetischen Beratung kann geprüft werden, ob bei Eintritt einer Schwangerschaft eine vorgeburtliche Diagnostik (Untersuchung aus Chorionzotten, Fruchtwasseruntersuchung, spezielle Ultraschalluntersuchung, Fetoskopie) möglich ist.

Indikationen zur vorgeburtlichen Diagnostik Die vorgeburtliche Diagnostik wird u.a. in folgenden Fällen angeboten:
  • Alter der Frau bei Entbindung 35 Jahre und älter.
  • Vorangegangene Geburt eines Kindes oder ein Abort mit Trisomie 21 oder einer anderen Chromosomenanomalie.
  • Erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes mit Neuralrohrdefekt (z.B. Spina bifida aperta).
  • Erhöhte a-Fetoproteinkonzentration (>2,0 MOM) im mütterlichen Serum.
  • Erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes mit Down Syndrom aufgrund des sog. Triple-Tests (>1:380).
  • Erhöhte oder erniedrigte hCG-Konzentration (>3,5 MOM, <0,25 MOM) im mütterlichen Serum.
  • Erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer pränatal er- kennbaren Erkrankung (z.B.Cystische Fibrose, Duchenne'sche Mus- keldystrophie, Fragiles X-Syndrom)
  • Erhöhtes Risiko infolge mutagener bzw. teratogener Einflüsse (z.B. mütterliche Infektionen in der Schwangerschaft, Strahlen- und/oder zytostatische Therapie eines Elternteils).
    Unabhängig von o.g. Indikationen können alle Schwangeren auf Wunsch eine Amniocentese in Anspruch nehmen.

Die pränatale Diagnostik sollte nur im Zusammenhang mit einer genetischen Beratung erfolgen. Genetische Beratung und Diagnostik werden als kassenärztliche Leistungen auf Überweisungsschein abgerechnet.

Was geschieht
bei der pränatalen Diagnostik?
Die pränatale Diagnostik kann einerseits aus Chorionzottenmaterial, andererseits aus dem Fruchtwasser bzw. den angezüchteten Amnion- zellen erfolgen.

Bei der Chorionzottenbiopsie wird in der 9.-12. Schwangerschafts- woche unter Ultraschallsicht transcervical oder transabdominal Chorionmaterial gewonnen, das für zytogenetische, biochemische und DNA-Untersuchungen des Embryos verwendet werden kann. Der Eingriff wird in der Regel ambulant durchgeführt. Das wesentliche Risiko besteht in der Auslösung einer Fehlgeburt und wird mit ca. 2% angegeben. Ein erstes zytogenetisches Ergebnis liegt wenige Tage nach der Biopsie vor.

Die Amniocentese kann ab der 13. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. In der Regel erfolgt der Eingriff jedoch in der ca. 15. Schwangerschaftswoche. Unter Ultraschallkontrolle wird die Fruchtblase transabdominal punktiert und eine Fruchtwasserprobe von durchschnittlich 10-15 ml gewonnen. Die Amniocentese erfolgt am- bulant. Mit Komplikationen nach der Punktion, die zu einer Fehlgeburt führen, ist in

0,5-1% der Fälle zu rechnen. Das Ergebnis der zytogenetischen Untersuchung liegt im allgemeinen 2-3 Wochen nach der Punktion vor.

An Zellkulturen aus Fruchtwasserzellen können Chromosomenuntersuchungen, biochemische und DNA-Untersuchungen vorgenommen werden. Einige biochemische Analysen erfolgen aus der Amnionflüssigkeit direkt.

Die Chorionzottenbiopsie und die Amniocentese sollten von Ärzten vorgenommen werden, die in enger Zusammenarbeit mit einem Humangenetischen Institut oder Laboratorium stehen, in dem entsprechende Laboruntersuchungen durchgeführt werden können.

Was ist eine sogenannte Genanalyse? Genetisch bedingte Erkrankungen werden durch Veränderungen in der Erbinformation (DNA=Desoxyribonucleic acid) verursacht, die bei einigen Erkrankungen bekannt sind, bei den meisten Erkrankungen jedoch noch nicht. Kennt man das krankheitsverursachende Gen, so kann einerseits die differentialdiagnostische Abklärung krankheitshinweisender Symptome erfolgen, andererseits können Träger der veränderten Erbanlage präklinisch und auch pränatal erkannt werden (direkte Analyse). Kennt man von einem krankheitsverursachenden Gen lediglich die chromosomale Lokalisation, so kann durch molekulargenetische Vergleiche mehrerer erkrankter und nicht erkrankter Familienmitglieder auf Genträgerschaft geschlossen werden (indirekte Analyse). Während die direkte Genanalyse ein verläßliches Ergebnis liefert, kann nach der indirekten Analyse nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage im Hinblick auf die Genträgerschaft erfolgen. Eine molekulargenetische Untersuchung sollte - wenn irgend möglich - vor einer Schwangerschaft vorgenommen werden.

Für eine Genanalyse ist jedes menschliche Gewebe geeignet, das die gesamte Erbinformation (DNA) enthält. Üblicherweise dient eine EDTA-Blutprobe als Untersuchungsmaterial.

Bei der pränatalen Analyse dienen Chorionzotten oder gezüchtete Fruchtwasserzellen als Untersuchungsmaterial.

Eine Genanalyse kann derzeit z.B. bei der Cystischen Fibrose, der Duchenne'schen oder Becker'schen Muskeldystrophie, dem Fragilen X- Syndrom, den Ataxien u.a. angeboten werden. Eine ausführliche genetische Beratung vor der geplanten Analyse ist unbedingt erforderlich.

  Die Genetische Beratungsstelle steht Ihnen zur Beantwortung weiterer Fragen gern zur Verfügung.
PD Dr. med. Barbara Zoll (Tel. 0551/397591; 0551/399011)

Prof. Dr. med. W. Engel (Tel. 0551/397590)

 
       
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