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Institut für HumangenetikUniversität Göttingen |
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Informationsblatt |
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Neurodegenerative Erkrankungen mit dem Leitsymptom Ataxie stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen dar. Neben den idiopathischen Formen von Ataxien gibt es gene- tisch bedingte Formen, die unter dem Begriff der "Heredoataxien" zusammengefasst werden. Den genetisch bedingten Ataxien liegen autosomal dominante, autosomal rezessive und sehr selten X-chromosomal rezessive Erbgänge zugrunde. In Abhängigkeit vom Vorhandensein zusätzlicher Symptome können die olivopontocerebellären Atrophien mit extrapyramidalen Störungen und die spinocerebellären Atrophien (SCA) mit Degeneration spinaler Leitungs- bahnen von den rein cerebellären Ataxien (CA) unterschieden werden. Während in der Gruppe der spinocerebellären Atrophien die autosomal rezessiv erbliche Friedreich´sch- Ataxie klinisch abgegrenzt werden kann, sind die einzelnen autosomal dominant erblichen Formen der spinocerebellären Ataxien (mögliche Ausnahme die SCA 7) schwer voneinander zu unterscheiden. Für die autosomal dominant vererbten Ataxieformen sind bereits zehn unterschiedliche Genloci identifiziert worden. Von fünf dieser Erkrankungen sind die Gene und deren krankheitsverursachende Mutationen bekannt (Tabelle). Alle Gene haben an unterschiedlichen Positionen ihrer kodierenden Sequenz eine polymorphe Region, die mehrmals hintereinander geschaltet Cytosin-Adenin-Guanin-Triplets, sog. CAGs, enthält (..... CAG CAG CAG CAG.....). Das bedeutet, dass bei verschiedenen Individuen unterschiedliche Anzahlen von CAG-Kopien festgestellt werden können. Die krankheitsverursachende Veränderung (Mutation) stellt sich als eine erhöhte Anzahl der CAG-Kopien dar, die bei Betroffenen einen kritischen Wert überschreitet. Ausnahmslos werden die CAG-Trinukleotide in die Aminosäure Glutamin umgeschrieben, so dass eine verlängerte Polyglutamin-Kette in das Protein eingebaut wird. Bei einigen Ataxieformen wird das Phänomen der Antizipation beschrieben, d.h. dass die Nachkommen eines Betroffenen einen früheren Erkrankungsbeginn haben können. Die Grundlage der Antizipation ist eine Vermehrung der CAG Repeats, die während der Keimzellbildung (Meiose) erfolgen kann. Spinocerebelläre Ataxie Typ 1 (SCA 1) Spinocerebelläre Ataxie Typ 2 (SCA 2) Die Hauptsymptome bei der SCA2 sind eine cerebelläre Ataxie mit Verminderung des Vibrationsempfindens sowie reduzierte oder fehlende Reflexe an den unteren Extremitäten. Okulomotorische Störungen sind oft in Form von langsamen Augenbewegungen zu beob- achten. Eine supranukleäre Ophtalmoplegie findet sich bei bis zu 50% der Patienten. Sakkaden und Nystagmus kommen bei etwa 1/3 der Patienten vor, während ein Nystagmus allein relativ selten ist. Myokymie des Gesichts sowie Faszikulationen sind bei SCA2 Patienten beobachtet worden. Der Erkrankungsbeginn liegt durchschnittlich bei 35-40 Jahren (5-50 Jahren). Die SCA2 ist in Deutschland die dritthäufigste Form der spinocerebellären Ataxien. Der SCA2 liegt der autosomal dominante Erbgang zugrunde. Das Gen wurde auf dem Chromosom 12q23-24.1 lokalisiert. Die krankheitsverursachende Mutation stellt sich als Verlängerung eines im Gen enthaltenen CAG Repeats dar. Bei SCA2 Patienten wurden 35 bis 57 CAG Kopien nachgewiesen, während in der Kontrollpopulation Allele mit bis zu 32 CAG-Kopien festgestellt worden sind. Allele, die > 30 CAG Kopien aufweisen, können instabil sein und insbesondere während der männlichen Meiose in den pathologischen Bereich expandieren. Die Expansion kann bis zu 20 CAG Kopien umfassen und somit eine deutliche Antizipation bewirken oder sogar zum erstmaligen Auftreten der Erkrankung in der Familie führen. Spinocerebelläre Ataxie Typ 3/Machado-Joseph Erkrankung (MJD/SCA3) Leitsymptom der MJD ist eine progrediente cerebelläre Ataxie mit Gangunsicherheit, häufig in Kombination mit einer externen Ophtalmoplegie. Bei der MJD gibt es drei Verlaufsformen. Der Typ 1 ist durch Pyramidenbahnzeichen und extrapyramidale Störungen (Beginn zumeist vor dem 20. Lebensjahr) gekennzeichnet. Beim Typ 2 herrschen cerebelläre Symptome neben Pyramidenbahnzeichen vor. Der Typ 3 (Beginn meist nach dem 50. Lebensjahr) ist durch eine Polyneuropathie, distal betonte Muskelatrophie sowie Faszikulationen charakterisiert. Ein dementieller Abbau wird selten beobachtet. Eine scharfe Abgrenzung zwischen den drei Untertypen ist nicht möglich. Bei etwa 50% der SCA3 Patienten wird das Phänomen der restless legs" beobachtet. Hierbei handelt es sich um abendliche Empfindungsstörungen in den unteren Extremitäten, die durch die ständige Bewegung der Beine gelindert werden können. Spinocerebelläre Ataxie Typ 6 (SCA6) SCA6 Patienten leiden unter einer Rumpf- und Gangataxie, einem horizontalen Nystagmus und einer Dysarthrie. Es können zusätzlich minimale extrapyramidale Zeichen auftreten. Eine Ophtalmoplegie und eine periphere Neuropathie werden in einigen Fällen beobachtet. Das Erkrankungsalter liegt bei 40-50 Jahren. In einigen Berichten wurde eine Antizipation beschrieben. Auch der SCA6 liegt der autosomal dominante Erbgang zugrunde und die krankheits- verursachende Mutation ist eine CAG Repeatvermehrung. Bei Patienten mit SCA6 wurden Allele mit >19 bis 30 Kopien gefunden. Diese Allele sind stabil und unterliegen keiner meiotischen Expansion. Die o.g. klinische Antizipation wird deshalb durch andere z.Z. nicht identifizierte Faktoren hervorgerufen. Die SCA 6 stellt einen Sonderfall unter den CAG- Repeaterkrankungen dar. Zum einen befinden sich die pathologischen Allele in einem für die anderen Ataxien nicht expandierten Bereich. Zum anderen sind in diesem Gen Punktmutation bei Patienten mit episodischer Ataxie" und mit familiärer hemiplegischer Migräne" gefun- den worden. Es wird deshalb angenommen, dass sich die zu der SCA 6 führenden Pathomechanismen von denen der übrigen CAG Repeaterkrankungen" unterscheiden. Das Genprodukt ist bekannt. Es handelt sich um eine Untereinheit eines Alpha-Kalzium Kanals. Spinocerebelläre Ataxie Typ 7 (SCA 7) Bei der SCA7, die erst kürzlich beschrieben wurde, steht die Ataxie im Vordergrund der Symptomatik. Die Maculadegeneration ist als obligates Symptom anzusehen und ist bei den spätmanifestierenden Formen häufig auch das erste Symptom. Frühmanifestierende Formen können bereits im Alter von 3 Monaten auftreten, spätmanifestierende Formen treten im Erwachsenenalter auf (40-50 Jahre). Die SCA 7 entspricht nach der Harding-Klassifikation der sog. ADCA II. Das Gen ist auf dem Chromosom 3 lokalisiert. Das Genprodukt ist unbekannt. Auch im SCA 7-Gen liegt eine CAG-Repeatvermehrung vor. Der pathologische Repeatbereich liegt bei >36 CAG Repeats. Diese CAG Repeats weisen bei der SCA 7 eine hohe meiotische Instabilität auf, die sich in einem ausgeprägten Antizipationsphänomen manifestiert. In unserem Kollektiv sowie in der Literatur sind Fälle von Neumutationen nachgewiesen worden. Eine positive Familienanamnese ist deshalb keine obligate Voraussetzung für das Vorliegen einer SCA7. Bei allen o.g. Erkrankungen kann eine differentialdiagnostische, prädiktive und pränatale Diagnostik gemäß den Richtlinien der Deutschen Heredo-Ataxie Gesellschaft (DHAG) angeboten werden. In der folgenden Tabelle sind die für die einzelnen Formen der SCA typischen Symptome zusammengestellt. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass eine breite klinische Überlappung der genetisch unterschiedlichen Formen vorhanden ist. Für die molekulargenetische Analyse werden 10 bis 20 ml EDTA Blut benötigt. Die Zusendung kann bei Raumtemperatur auf dem normalen Postweg erfolgen. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen sehr gern zur Verfügung: |
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