Institut für Humangenetik

Universität Göttingen

  letzte Änderung:

14.10.99

 
       
       
   

Informationsblatt

 
   

Individuelle Risikopräzisierung für fetale Chromosomenanomalien und Neuralrohrdefekte (sogenannter Triple-Test)

Das Ziel der Untersuchung der drei Serum-Marker, humanes Choriongonadotropin (hCG), unkonjugiertes Östriol (uE3) und a-Fetoprotein (AFP) aus dem mütterlichen Blut ist die Präzisierung des individuellen Risikos einer Schwangeren für ein Kind mit einer Trisomie 21 (Down-Syndrom). Die Beurteilung einzelner Serum-Marker-Werte ermöglicht es auch, Hinweise auf das Vorliegen einer Trisomie 18 oder einer Triploidie bei niedrigem hCG oder einer fetalen Verschlußstörung (Neuralrohr-, Bauchwanddefekt) bei erhöhtem AFP zu erhalten. Deutlich erniedrigte uE3-Konzentrationen können einen intrauterinen Fruchttod oder eine Steroidsulfatase-Defizienz (X-gekoppelte Ichthyose) anzeigen.

Chromosomenanomalien

Numerische Chromosomenanomalien des Menschen sind bis auf wenige Ausnahmen nicht mit dem Leben vereinbar und führen meist schon früh in der Schwangerschaft zum Abort. Zu den Ausnahmen zählen das Pätau-, Edwards- und Down-Syndrom (Trisomien 13, 18 und 21) sowie das Ullrich-Turner-Syndrom (Monosomie X), das Klinefelter-Syndrom (XXY) und einige andere numerische Abweichungen der Geschlechtschromosomen. Besondere klinische Relevanz erhält die Trisomie 21 (Down-Syndrom) wegen ihrer hohen Inzidenz von etwa ein auf 600 Lebendgeborene.

Generell steigt die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom (und anderen numerischen Chromosomenanomalien) mit dem Alter der Mutter an. Die sich daraus ergebende sogenannte Altersindikation gilt heute als der häufigste Grund für eine pränatale Chromosomenanalyse, und jeder Frauenarzt ist verpflichtet, seine schwangere Patientin ab dem 35. Lebensjahr (Altersrisiko >1/380) über die Möglichkeit einer pränatalen Chromosomenanalyse aufzuklären. Zur Zeit beträgt der Anteil Schwangerer mit Altersindikation ca.10% aller schwangeren Frauen in unserer Bevölkerung. Würden all diese Schwangeren eine Pränataldiagnostik in Anspruch nehmen, könnte man etwa 30% aller Kinder mit einer Trisomie 21 vorgeburtlich entdecken. Mit anderen Worten: die Altersindikation ist mit Blick auf die gesamte Schwangerenpopulation weder besonders sensitiv noch sehr spezifisch.

Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, das individuelle Risiko für ein Kind mit einem Down-Syndrom durch einen einfachen Serumtest zu präzisieren. Der Test beruht darauf, daß die hCG-Werte in Schwangerschaften mit fetaler Trisomie 21 meist deutlich erhöht und die AFP- und uE3-Werte oft erniedrigt sind. Aus den drei Werten läßt sich unter Einbeziehung des Altersrisikos ein sogenanntes kombiniertes Risiko berechnen, das eine deutlich präzisere individuelle Wahrscheinlichkeitsabschätzung für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom gewährleistet als das Altersrisiko allein. Damit haben auch Schwangere unter 35 Jahren (ca. 70% aller betroffenen Schwangerschaften entfallen auf diese Altersgruppe) eine Möglichkeit, ihr individuelles Risiko bestimmen zu lassen und sich bei einem erhöhten Risiko eventuell für eine pränatale Chromosomenanalyse zu entscheiden. Schwangere ab dem 35. Lebensjahr erhalten durch diesen Test eine zusätzliche Entscheidungshilfe bei der Frage, ob sie sich allein aufgrund der Altersindikation einer invasiven Diagnostik unterziehen sollen.

Der Schwangeren muß klar und deutlich vermittelt werden, daß der Triple-Test nicht feststellen kann, ob ihr Kind ein Down-Syndrom haben wird oder nicht. Sie erhält durch den Test vielmehr eine individuell berechnete Wahrscheinlichkeit, ob bei ihrem Kind ein Down-Syndrom vorliegt. Exemplarisch bedeutet dies, daß bei einem berechneten Risiko von z.B. 1/100 nur eine von hundert Schwangeren, deren Alter und deren Serum-Werte identisch sind, ein Kind mit einem Down-Syndrom erwartet, während 99 dieser 100 Schwangeren mit einer Schwangerschaft ohne Down-Syndrom rechnen können. Ein berechnetes Risiko von z.B. 1/2000 würde bedeuten, daß man rein statistisch unter 2000 Schwangeren mit identischem Alter und identischen Serum-Werten nach Amniocentese und Chromosomenanalyse einen Fet mit einer Trisomie 21 finden würde, während 1999 dieser Schwangerschaften unauffällig wären. Im letzten Beispiel wird deutlich, daß auch bei einem relativ niedrigen individuellen Risiko ein fetales Down-Syndrom nicht ausgeschlossen werden kann.

Bei Schwangeren unter 35 Jahren liegt die Sensitivität (Sensitivität: prozentualer Anteil richtig-positiver Ergebnisse gegenüber den richtig-positiven und falsch-negativen Ergebnissen) des Triple-Tests bei ca. 60%, d.h. 60% aller betroffenen Schwangerschaften in dieser Altersgruppe liegen über dem Grenzwert von 1/380, 40% liegen darunter. Ca. 7% der nicht betroffenen Schwangerschaften dieser Altersgruppe liegen ebenfalls über dem Grenzwert, während ca. 93% der unauffälligen Schwangerschaften auch als solche eingeordnet werden (Spezifität ca. 93%). (Spezifität: prozentualer Einteil richtig-negativer Ergebnisse gegenüber den falsch-positiven und richtig-negativen Ergebnissen)

Entsprechend liegt die Sensitivität bei Schwangeren über 34 Jahren um 95% und die Spezifität um 70%. Diese Zahlen beziehen sich auf das Down-Syndrom und auf einen Grenzwert von 1/380 (Altersrisiko einer 35-jährigen Schwangeren).

Auch die fetale Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) und die Monosomie X (Ullrich-Turner- Syndrom) zeigen eine ähnliche Konstellation der Serumwerte wie beim Down-Syndrom und werden oft über den Grenzwert für das Down-Syndrom entdeckt. Bei Frauen, deren Schwangerschaften mit einer Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) oder einer Triploidie (bei maternaler Herkunft des zusätzlichen Chromosomensatzes) betroffen sind, werden fast immer deutlich erniedrigte Serumwerte im hCG und im uE3 gemessen. Bei einem Grenzwert von 0,25 MoM im hCG lassen sich bei einer Spezifität von 99,5% fast 70% aller betroffenen Feten entdecken. Eine Risikoanalyse mit einer Kombination aus hCG und uE3 würde die Sensitivität auf ca. 95% (bei einer Spezifität von über 99% ) verbessern. Es ist davon auszugehen, daß dieses Verfahren die Einzelbetrachtung des hCG-Wertes bald ablösen wird. Andere Verfahren zur Risikopräzisierung sind der sogenannte Double-Test mit den Serum-Markern AFP und freies ß-hCG, der bislang noch in der Forschung befindliche PAPP-A/freies ß-hCG- Test für das 1. Trimenon und die Berechnung nach dem sogenannten Ulm-Index. Der Einsatz des freien ß-hCG-Markers ist grundsätzlich abzulehnen, wenn keine permanente Kühlkette garantiert ist. Der Ulm-Index besitzt keine Relevanz und wird inzwischen auch von internationalen Experten abgelehnt.

Neuralrohrdefekte

Verschlußstörungen beim Feten führen meist zu einer Erhöhung der AFP-Werte im Fruchtwasser und im mütterlichen Serum. Daher gilt das AFP als empfindlicher Marker für einen offenen Neuralrohrdefekt bzw. für Bauchwanddefekte. Nach Literaturangaben liegt die Entdeckungsrate beim nicht-invasiven Test im mütterlichen Serum für Anencephalie bei ca. 90%, für Spina bifida bei 70% und für Bauchwanddefekte bei ca. 50%. Bei einem AFP-Grenzwert von 2 MoM bei Einlings- bzw. 4 MoM bei Zwillingsschwangerschaften liegt die Spezifität um 97%.

Indikationen für eine weiterführende Pränataldiagnostik

Als auffällig gelten folgende Testergebnisse:

  1. kombiniertes Morbus Down-Risiko von 1/380 und höher - Trisomie 21 (auch Ullrich-Turner- und Pätau-Syndrom und Hydrops fetalis)
  2. deutlich erhöhte hCG-Konzentration (>3,5 MoM) - Trisomie 21
  3. deutlich erniedrigte hCG-Konzentration (<0,25 MoM) - Trisomie 18 und Triploidie
  4. deutlich erhöhte AFP-Konzentration (>2 MoM bzw. >4 MoM bei Gemini) - Neuralrohr- und Bauchwanddefekte
  5. Nebenbefunde: Bei uE3-Werten <0,2 MoM besteht Verdacht auf einen intrauterinen Fruchttod bzw. auf eine Steroidsulfatase-Defizienz (X-gekoppelte Ichthyose). Auch bei einem Anencephalus sind die uE3-Werte (neben erhöhten AFP-Konzentrationen) erniedrigt.

Vorsorgezeitraum und Fehlerquellen:

Der günstigste Zeitpunkt für die Blutabnahme liegt zwischen der 15. und 20. Schwangerschaftswoche. Die Höhe der einzelnen Marker-Konzentrationen ist signifikant mit dem Gestationsalter korreliert. Die Schätzung des Gestationsalters sollte daher nach ultrasonografischer Biometrie erfolgen und so präzise wie möglich angegeben werden.

Grundsätzlich soll vor einer invasiven Diagnostik eine genetische Beratung stattfinden!

Für Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

Dr. U. Sancken (Tel. 0551/399028), Frau PD Dr. med. B. Zoll (0551/399011) und
Prof. Dr. med. W. Engel (0551/397590)

 
       
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