Der Proletarische Siebeck


Da muß ein Ruck durch das Land gehen...

oder: Rote Bete

Ganz Deutschland ist von der Zufuhr aus dem Ausland abgeschnitten. Lüge, werden jetzt alle rufen, wir sind doch eine Exportnation und als solche auf den multikulturellen Kontakt angewiesen. Natürlich, sie haben recht, auch wenn es hier wohl kaum um Multikulturalität gehen dürfte, aber dazu nicht hier und überhaupt nichts. Aber da gab es doch diesen turnusgemäß wiederkehrenden Fernfahrerstreik in Frankreich und - kaum hätten wir das ein oder andere Mal aus dem Küchenfenster gesehen - bald wären alle spanischen Weine aufgebraucht, die Südfrüchtezufuhr käme ins Stocken und man wäre wieder auf das germanische Bärenfell und seine Innereien zurückgeworfen.

Wenn Rüben, dann: ROT!

Jetzt, so sagt man, jetzt könnte doch der wahre Koch sein Können unter Beweis stellen, ohne alle Hilfsmittel, ohne Morcheln, Trüffeln, Mittelmeerfische und sonstige teure Leckereien, mit denen der Genuß so billig daherkommt. Also nun der Offenbarungseid: Viel bleibt nicht mehr übrig, nachdem zuletzt schon der Kohl kritisch beäugt, Schwarzwurzeln und Spinat empfohlen wurden, eigentlich nur noch die Rübe ungenutzt auf irgendwelchen Äckern liegt. Rüben also, rote Rüben genauer, allgemein als Rote Bete bekannt. Aber bitte nicht die eingelegte Form, die sich von ihren Gurkenverwandten an Säuernis kaum noch unterscheidet und mehr zum Bekämpfen von Alkoholspätfolgen geeignet ist als zur "delecatio", sondern die frische, unverkrampfte Form dieses Gemüses. Gekocht bietet es sich als klassische Beilage an, mit Sauerrahm vermengt, dazu etwas Ingwer, aber warum nicht auch hier einmal etwas wagemutig sein und dies alles in kleinste Scheiben geschnitten blanchieren und in einer Essigsauce servieren, die mit ihren Einlegevarianten nur noch eine entfernte Ähnlichkeit haben sollte. Dazu passen Frikadellen, warum nicht auch hier mit Kapern und Sardellenfilets verfeinern, was sonst so braunsoßig daherkommt! Und auch der klassische Klops (mit Kalb oder ohne) brächte einem roten Gemüse und guten Kartoffeln alle Ehre ein. Zu Tisch!


aus: Rotation Nr. 28, 5. Januar 1998



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