Der Proletarische Siebeck
Der Service ändert sich und wir mit ihm
oder: Essigschalotten mit Rosinen
Wann immer diese Kolumne geschrieben wurde, geschah dies mit einem schlechten Gewissen: Zählt denn das Thema "Genuß" wirklich zu den studentischen Grundbedürfnissen, darf es hier behandelt werden? Wieder einmal hat uns der organisierte Liberalismus belehrt, daß wir mit dieser Rubrik doch gute Dienste leisten, fast sogar einen SERVICE anbieten. Mit einer kühnen Dreistigkeit, die selbst den Medienprofi und Parteifreund Westerwelle in Erstaunen versetzt hätte, fordert die Liberale Hochschulgruppe (LHG) in ihrem jüngsten Kurzblatt das Aufstellen von kostenlosen "Senf-, Mayo- und Ketchupspendern" in der Mensa. Ein brillanter Vorschlag! So viel politischen Gestaltungswillen bei gleichzeitigem Einsatz für diese wahrhaft proletarischen Genüsse in der Mensa, da kommt eine ganz neue, wilde Gruppe auf die Unipolitik zu. Bei politischen Gegnern und Freunden ist man jetzt gespannt auf die nächsten Vorschläge: Pommes-Buden in den Bibliotheken, Nachos vor dem 011er oder sogar Studierendenrabatt bei McDonalds? Und bei den im besagten Flugblatt monierten Trinkwasserproblemen sei daran erinnert, daß wir schließlich auch auf den Wein verzichten müssen. Und zu Mayoketchupsenf empfehlen wir sowieso "Cola mit allem".
Mut bei Tische
Wenigstens die Farbe hat schließlich der diesmalige Vorschlag mit dem US-amerikanischen Kaltgetränk gemeinsam, sonst sind natürlich jede Vergleiche fehl am Platz. Trotzdem braucht es etwas Mut, wenn man Essigschalotten mit Rosinen herstellen will. Die Schalotten (ja, liebe LHG, der zarte Geschmack ist hier wichtig), etwa 600g, werden vorgekocht (Wasser aufheben) und dann in Olivenöl glasig und weich gedünstet, darauf gesalzen. Und jetzt der Mut: Etwas Balsamico mit Puderzucker (!) verrühren, über die Schalotten gießen, dann etwas Zwiebelwasser dazu und schließlich in Sherry oder Marsala eingeweichte Rosinen mit Einweichflüssigkeit hinzugeben. Bei jeder neuen Zutat läßt man alles wieder aufkochen. Mit Salz und Pfeffer würzen und einige Stunden stehen lassen, noch einmal mit Wasser und Wein abschmecken und als Vorspeise mit frischem Baguette servieren. Sauer macht es Lust auf mehr, und magerer als Mayo ist es allemal! Zu Tisch!
aus: Rotation Nr. 29, 12. Januar 1998
Die
Juso-Hochschulgruppe trifft sich jeden Donnerstag
um 20 Uhr
im Theologicum (Campus), Raum TO 7.
Interessierte
sind jederzeit herzlich willkommen!

Wenn ihr
Fragen oder Anregungen habt, könnt ihr uns hier
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