Der Proletarische Siebeck
Wo sind die Wähler?
oder: Gemüsegratin
Ganz Göttingen hat gewählt. Ganz? Wie schon in Gallien im Jahre 50 v. Chr. ist es natürlich mitnichten ganz Göttingen, das gewählt hat. Im Gegenteil war es erneut nur eine kleine Gruppe der Studierenden, die tatsächlich zur Wahl gegangen ist. Und mit am schlimmsten sehen die Zahlen wieder einmal in der Philosophischen Fakultät aus: Hier waren es nur etwas über 11% der Wahlberechtigten, die sich den Mühen des Ankreuzens unterzogen haben. Von einer wirklichen Entscheidung kann man hier fast nicht mehr sprechen.
Und diese Kolumne trägt sicherlich eine Mitschuld an dieser Entwicklung, denn sie ist für jede denkbare Zielgruppe viel zu unspezifisch: Kein Fleischesser der harten Sorte wird sich mit Empfehlungen zufriedengeben, die noch nie auch nur ein einziges Schnitzelgericht enthalten haben, keine Schweinenackensteaks wurden angepriesen und dauernd soll man bei Bio-Metzgern kaufen. Aus Verbitterung bleibt nur eine Alternative: Nicht zur Wahl gehen. Und der/die kalorienarme Studierende sieht sich dauernd mit unkontrollierten Verwendungen von Butter (zum verabscheuungswürdigen Aufmontieren von Saucen) oder Olivenöl konfrontiert. Ganz klar, keine Wahl. Und auch der Vegetarier trifft auf Hähnchenleber, der Veganer auf fast alles Ekelhafte, der Körnermensch auch auf normales Baguette, der Freund mütterlicher Küche auf Erdbeeren in Balsamico. Sie alle können sich nur mit Ekel abwenden.
Keinem wird diese Kolumne lieb und sie existiert im ständigen Kompromiß - was für ein unglaublicher Vorgang. Da fehlt doch die Durchsetzungskraft, das Beharrungsvermögen und die moralische Autorität, die man von politischen Menschen erwartet. Denn etwas besser als man selber sollte sie doch sein, die Politik.
Ein ehrliches Essen
Deshalb soll heute und hier ein einfaches und ehrliches Essen folgen, das es fast allen recht macht. Sehr dünne, feine Lauchstreifen (1/2 Stange) und ebensolche Möhrenstreifen (2 große Möhren) werden in Olivenöl angeschwitzt und mit Salz, Pfeffer und wenig Zucker gewürzt. Aus der Pfanne kommen sie auf den Boden einer Auflaufform. In derselben Pfanne werden in neuem, heißen Olivenöl zwei halbierte Chicoree kurz, aber kräftig angbraten; danach kommen sie auf das Gemüse in der Aulaufform. Daneben lege man einige geschälte, gekochte Kartoffeln, würze mit Muskat und Kümmel, noch einmal mit Salz und Pfeffer und streue kräftigen Käse darüber. Im Ofen bei 175°C kurz gratinieren und fertig ist das vegetarische Gericht. Der Carniphore brät sich dazu ein Kalbssteak, der Veganer bestreicht noch einmal mit gewürztem Olivenöl und läßt alles im Ofen kurz bräunen, der kalorienbewußte Esser verwendet nur beschichtete Pfannen und ganz wenig Öl und, mag sein, vielleicht ist später jeder glücklich. Und wenn alle satt und glücklich sind dann könnte man doch, fürs nächste Jahr, den guten Vorsatz fassen - und Wählen gehen.

Die
Juso-Hochschulgruppe trifft sich jeden Donnerstag
um 20 Uhr
im Theologicum (Campus), Raum TO 7.
Interessierte
sind jederzeit herzlich willkommen!

Wenn ihr
Fragen oder Anregungen habt, könnt ihr uns hier
mailen.
|