29.10.96

> Editorial

> Hochschulpolitik ohne Inhalte

> Happy birthday! 75 Jahre Studentenwerk Göttingen

> Stichwort: European Council for Student Affairs

> Vom Kapital zum Buch: Die UB, ihre Bücher und ihre Kosten

> Wer hat nicht mehr alle Tassen im Schrank?

> Aus den programmatischen Thesen des Jusos-Kandidaten für das Hopo-Referat

> Unendliche Weiten: 10.000 DM vom AStA verschleudert

v Wirtschaft fordert Studiengebühren - Länder folgen

Wie in der letzten Extraausgabe der rotation berichtet, erhebt Niedersachsen vorläufig keine als Rückmelde- getarnte Studiengebühren. Begründet wird dieser Beschluß mit unerwartet niedrigen Ausgaben beim BAföG. Dies läßt den Schluß zu, daß in zwei Jahren bei gleichbleibend niedrigen BAföG-Ausgaben Studiengebühren trotzdem eingeführt werden. In der hochschulpolitischen Debatte sind Studiengebühren auf dem Vormarsch. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben in einem Forderungskatalog zur Hochschulpolitik u.a. die Einführung von Studiengebühren gefordert. Sie sollen nach den Vorstellungen der Wirtschaft 1.000 bis 1.500 DM pro Semester betragen. Die Verbände halten Studiengebühren von 2.000 bis 3.000 DM im Jahr für einen relativ geringen Beitrag, den die meisten Studierenden leisten könnten. Sie verweisen auf die Tatsache, daß mehr als die Hälfte der Studierendeneltern über ein Nettoeinkommen von mehr als 4.000 DM verfügen. Eine reichlich zynische Argumentation, wenn die Tatsache, daß schon heute nur wenig Studierende aus ärmeren Teilen der Bevölkerung stammen, als Begründung dafür herhalten muß, sie nun ganz von der Uni zu verdrängen. Wie zu erwarten, werden die Forderungen der Wirtschaftsverbände (anders als etwa Forderungen von Studierenden) sofort von CDU und F.D.P umgesetzt. In Baden-Württemberg werden ab Sommersemester '97 allgemeine Einschreibegebühren in Höhe von 100 DM pro Semester erhoben. Jetzt schon beschlossen sind Gebühren für Langzeitstudierende ab dem 13. Semester in Höhe von 1.000 DM pro Semester. Der Wissenschaftsminister begründet dies mit der Tatsache, daß es mehr als 1,7 Millionen Haushalte in der Bundesrepublik mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 10.000 DM pro Monat gebe. Also könne man ihnen einen Beitrag für das Studium ihrer Kinder abverlangen. (Finden wir auch; wie wäre es mit ein bißchen Vermögenssteuer?) Der Minister scheint wie die Wirtschaft zu meinen, daß nur reicher Leute Kind auf die Uni gehöre und es diesen Zustand zu verfestigen gelte. In Berlin gibt es schon Studiengebühren in Höhe von 100 DM als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Der Senator würde sie gern auf 1000 DM erhöhen, was die mitregierende SPD vorläufig noch verhindert. Noch ist die SPD in den meisten Ländern offiziell gegen Studiengebühren. Es ist jedoch zu bedenken, daß durch die Einführung von Studiengebühren in einigen Ländern ein erheblicher Druck auf die anderen Länder entsteht, sich durch Einführung von Studiengebühren vor zu großen Zulauf zu schützen. Zudem wird SPD-Bildungspolitik seit langen nicht mehr von Bildungs-, sondern von Finanzpolitikern gemacht. Daher gilt auch für uns in Niedersachsen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.