Brennpunkte der Hochschuldidaktik

"Brennpunkte"
 
* Studienorientierung 
* Entwicklung und Gestaltung von Studiengängen Makrodidaktik 
* Entwicklung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen Mesodidaktik 
* Entwicklung didaktischer Kompetenzen von Lehrenden und Prüfenden 
* Entwicklung autodidaktischer Kompetenzen von Lernenden
Mikrodidaktik

Erst nachdem wir dieses Vortragsthema festgelegt hatten, wurde mir der Doppelsinn des Begriffs "Brennpunkte" bewußt. Ein Brennpunkt kann nämlich nicht nur im Sinne der Optik verstanden und im übertragenen Sinn als Mittelpunkt von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprozessen verwendet werden. Brennpunkte können auch potentielle Brandherde sein, Punkte also, an denen Brände entstehen können, die sich dann auf das ganze Gelände ausweiten können. Solche Brände können aber nicht nur Schäden verursachen, sondern im einen oder anderen Falle gelegentlich auch Platz schaffen für Neues.

Nun möchte ich jedoch hier und heute nicht die Rolle eines Brandstifters übernehmen oder Strategieanleitungen für Brandstifter entwerfen. Doch auch die Rolle der hochschuldidaktischen Feuerwehr behagt mir nicht. Wenn schon, dann sehe ich mich eher als Brandschutz-Beauftragten, der potentielle Brandherde kennt und dafür zu sorgen hat, daß die Dinge so gestaltet werden, daß kein Feuer ausbricht.

Meine Erfahrungen mit Didaktik im allgemeinen und Hochschuldidaktik im besonderen umfassen nunmehr nahezu 50 Jahre.

Sie werden deshalb vielleicht verstehen, daß ich meinen Vortrag gern auf eigene Erfahrungen beziehen möchte und nicht auf Texte, die in den vergangenen Jahren zum Thema Hochschuldidaktik veröffentlicht wurden, obwohl es sicher interessant wäre, an das Bad Kreuznacher Hochschulkonzept der Bundesassistentenkonferenz von 1968, Saders Kleine Fibel zum Hochschulunterricht von 1970 oder an den Bericht des Wissenschaftsrats über seine Hochschulbesuche aus dem Jahr 1971 zu erinnern, sei es auch nur, um deutlich zu machen, wie weit manche aktuelle Debatte hinter dem damals bereits erreichten Niveau zurückbleibt.

Ich möchte aber der Versuchung widerstehen, Ihnen einen Abriß der hochschuldidaktischen Probleme und Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre zu geben. Auch werde ich versuchen, jene Altherren-Attitude zu vermeiden, die in solchen Sätzen gipfelt wie "alles schon dagewesen", "haben wir alles schon mal besser gemacht" oder "ich bin froh, daß ich das alles nicht mehr mitmachen muß".

Das schließt aber nicht aus, daß mir gelegentlich der Hinweis gestattet sei, daß die meisten der hier zu nennenden Probleme schon sehr früh gesehen, aber bis heute nicht ernsthaft bearbeitet wurden. In Sachen Hochschuldidaktik galt und gilt offenbar das Motto: "Nichts ist so wichtig, als daß es durch längeres Liegenlassen nicht noch wichtiger würde".

Wenn Sie bei meinem Vortrag den Eindruck gewinnen sollten, daß ich Sie zu stark mit Detailfragen behellige und dabei möglicherweise das Große, Ganze, Allgemeine und Programmatische der Hochschuldidaktik aus den Augen verliere, so bitte ich schon jetzt um Nachsicht. Die Flut wohltönender Programmschriften zur Hochschulreform aus den vergangenen Jahrzehnten hat mir aber deutlich gemacht, daß sich der Teufel nicht im Detail versteckt; er versteckt sich vielmehr im Gestrüpp von Leerformeln, die im Hochton vorgetragen werden.

Da es sehr unterschiedliche Auffassungen von Hochschuldidaktik gab und gibt, möchte ich diese knapp skizzieren, um auf diesem Hintergrund mein eigenes Verständnis zu umreißen.

Hochschuldidaktik wurde und wird gelegentlich als allgemeine Hochschulreform-Strategie verstanden, die hochschulpolitische, hochschulorganisatorische und hochschuladministrative Aufgabenstellungen umfaßt. Meine eigene Auffassung dazu ist die, daß Hochschuldidaktik zwar in Beziehung steht zu Hochschulpolitik, Hochschulorganisation und Hochschulverwaltung, daß sie diese aber nicht ersetzen kann, wie dies auch umgekehrt der Fall ist.

Hochschuldidaktik wurde und wird gelegentlich auch als Wissenschaftsdidaktik verstanden, die wissenschaftstheoretische und wissenssoziologische Aufgabenstellungen umfaßt. Meine eigene Auffassung dazu ist die, daß Hochschuldidaktik zwar in Beziehung steht zu Wissenschaftsdidaktik, Wissenschaftstheorie und Wissenssoziologie, daß sie diese aber nicht ersetzen kann, wie dies auch umgekehrt der Fall ist.

Hochschuldidaktik wurde und wird gelegentlich auch als Hochschulforschung verstanden, die vor allem Beziehungen der Hochschule zum politischen und wirtschaftlichen System untersucht. Meine eigene Auffassung dazu ist die, daß Hochschuldidaktik zwar in Beziehung steht zur Hochschulforschung, daß sie diese aber nicht ersetzen kann, wie dies auch umgekehrt der Fall ist.

Wie Sie bemerkt haben werden, ist Hochschuldidaktik für mich kein umfassender Ansatz zur Aufklärung aller Funktionen, Prozesse und Beziehungen der Hochschule, sondern konzentriert sich auf diejenigen Funktionen, Prozesse und Beziehungen, die Hochschulen als Institutionen von Aus- und Weiterbildung auszeichnen. Damit will ich nun keineswegs den anderen Funktionen von Hochschulen als Stätten von Forschung und klinischer Praxis, als Lebenswelten der in ihnen arbeitenden Menschen, als Stätten sozialer und beruflicher Chancenzuweisung oder als Systeme von Selbstrekrutierung ihre Bedeutung absprechen. Ich bin lediglich der Auffassung, daß die Analyse und Entwicklung dieser anderen Funktionen gesonderte Aufmerksamkeit verlangt und nicht Aufgabe der Hochschuldidaktik ist.

Denn je bescheidener Hochschuldidaktik ihre Ansprüche formuliert - so meine Auffassung -, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie wenigstens einigen dieser Ansprüche genügen kann. Sie als ein Teilgebiet der Didaktik zu betrachten, bietet den Vorteil, daß man deren Erkenntnisse und Methoden nutzen und erweitern kann.

Zwei Grundannahmen, die sich in der Didaktik weitgehend durchgesetzt haben, gelten somit auch für die Hochschuldidaktik:

Erstens: Didaktisches Handeln findet auf mehreren Ebenen statt, ist also nicht auf Aktivitäten in Unterrichtsräumen beschränkt. Dabei ist es sinnvoll, zwischen der makrodidaktischen, der mesodidaktischen und der mikrodidaktischen Ebene zu unterscheiden.

Zweitens: Nicht nur Dozenten sind didaktisch Handelnde, sondern auch Studenten, denn sie sind die Subjekte der Lerntätigkeit, während didaktisches Handeln von Dozenten sich auf die Rolle der Helfer und Unterstützer solcher Lerntätigkeit beschränken muß.

Studienorientierung

Als ersten Brennpunkt möchte ich den Bereich der Studienorientierung nennen, nicht zuletzt deshalb, weil er für Studenten wichtige Weichenstellungen enthält. Inzwischen wurde als eine Komponente der Studienorientierung in vielen Fächern die ein- oder mehrwöchige Orientierungsphase eingeführt. Auch die zweite Komponente, die in das ganze Fach einführende Orientierungsvorlesung, hat in verschiedenen Fächern und an manchen Orten bereits eine Tradition. Sehr viel seltener ist jedoch eine dritte Komponente, die wissenschaftstheoretische Übung.

Was die ein- oder zweiwöchige Orientierungsphase anbelangt, so dient sie zumeist

Die Überblicksvorlesung für Studienanfänger hat ebenfalls eine wichtige Orientierungsfunktion für die Studierenden. Sie bietet Die dritte Komponente der Studienorientierung, eine wissenschafts- und erkenntnistheoretische Übung dürfte in den meisten Fächern eher selten sein. Ich halte sie jedoch für unabdingbar, weil sie Studenten spezifische Einsichten in den Charakter wissenschaftlicher Erkenntnis vermittelt und damit dazu beiträgt, alltagstheoretische Vorstellungen abzubauen. In Übungen dieser Art werden Fragen wie die folgenden behandelt: Ich hoffe, daß in immer mehr Fachbereichen komplexe Maßnahmen der Studienorientierung Einzug halten, die alle drei der genannten Komponenten umfassen.

Nun zum zweiten Brennpunkt, der

Entwicklung und Gestaltung von Studiengängen

Wenn ich recht sehe, so geht es bei der aktuellen Diskussion um Kurz-Studiengänge und weiterbildende Studiengänge, primär um organisatorisch-administrative sowie ökonomische und bildungspolitische Aspekte. Unter hochschuldidaktischen Gesichtspunkten gilt es jedoch, auf Erkenntnisse der Curriculumforschung zurückzugreifen, einem seit Jahrzehnten entwickeltem Forschungsgebiet.

Anwendung von Erkenntnissen der Curriculumforschung heißt zunächst, daß man Studiengänge und Teilstudiengänge von Hochschulen ebenso als Curricula begreift wie Lehrpläne und Lehrgänge anderer Bildungseinrichtungen. Zu diesen Erkenntnissen gehört, daß es mindestens drei Determinanten gibt, die bei der Entwicklung und Gestaltung von Studiengängen zu berücksichtigen und zu integrieren sind, nämlich

Um diese drei Determinanten theoretisch und empirisch zu erfassen und in integrative Curricula umzusetzen, bedarf es einer Entwicklungstätigkeit, die den Charakter eines professionell betriebenen Forschungsprozesses hat, der in aller Regel nicht von kurzfristig arbeitenden Kommissionen geleistet werden kann. Ein solcher Forschungs- und Entwicklungsprozeß beginnt mit der Formulierung von Rahmenvereinbarungen der Beteiligten, einer sogenannten "Curriculum-Konferenz". Er schließt eine sorgfältige Kontextanalyse ein, bei der im besonderen gesetzliche, personelle, lernpsychologische, finanzielle und logistische Aspekte eine Rolle spielen. Erst dann kann mit der Gestaltung des Entwurfs im engeren Sinne begonnen werden, der einer ersten Bewertung durch die Betroffenen zu unterziehen ist. Zur weiteren Ausarbeitung eines solchen Entwurfs gehören dann im besonderen die Auswahl und Entwicklung von Lehr-Lernmaterialien, von Lernaufgaben und von Lernkontrollen. Da aber ein noch so sorgfältig entwickelter Entwurf erst dann als gelungen angesehen werden kann, wenn er sich in der Praxis bewährt, ist seine Erprobung integrativer Bestandteil der Studiengang-Entwicklung. Erst die anschließende Evaluierung, die in professioneller Weise zu geschehen hat, liefert dann Informationen darüber, ob der Studiengang in dieser Form eingeführt werden kann, oder ob es weiterer Revisionen bedarf.

Im Zusammenhang mit professioneller Gestaltung und Entwicklung von Studiengängen treten nun ziemlich regelmäßig zwei Probleme auf, die zum einen auf das - auch verfassungsrechtlich gesicherte - Prinzip "Freiheit der Lehre" und zum anderen auf Tendenzen bürokratischer Kontrolle von Studiengangentwicklung, d.h. auf Standardisierung und Zentralisierung verweisen.

Was das erste Problem anbelangt, "Freiheit der Lehre", so steht diesem Prinzip nicht entgegen, daß Lehrende Studiengänge in Zusammenarbeit mit Experten der Curriculumforschung gemeinsam entwickeln und vereinbaren. Diesem Prinzip steht auch nicht entgegen, daß sie sich an gefundene Lösungen solange halten, bis - unter ihrer aktiven Mitwirkung - bessere gefunden sind. Wohl aber steht diesem Prinzip ein in der Pädagogik weit verbreiteter Mythos entgegen, der besagt, daß pädagogische Genies sich keiner Planung unterwerfen, sondern der spontanen Eingebung des Augenblicks folgen und Lösungen jeweils aus ihrer reichen Innerlichkeit hervorzaubern sollten, ein Mythos, der durch die Kreativitätsforschung jedenfalls eher als widerlegt gelten muß.

Was das zweite Problem der bürokratischen Kontrolle anbelangt, so gründet sich diese zum einen auf bestimmte Interpretationen des Gerechtigkeitsprinzips, zum anderen auf Interpretationen des Rationalisierungsprinzips, das sich an Vorstellungen industrieller Massenproduktion - etwa standardisierten Zeittakten oder Lohn-Stückkosten - orientiert. Durch Zusammenwirken beider entstehen dann Vorgaben - z.B. Rahmen-Studienordnungen - in bezug auf Studiengang-Entwicklung, welche die Stoff-Stunden-Tafel zum curricularen non-plus-ultra erklären. Auch wenn diese dann mit den bekannten Vokabeln wie "Straffung", "Vereinheitlichung", "Vergleichbarkeit" oder "Efffektivität" geschmückt werden, ergibt sich daraus noch kein Wirklichkeitsgehalt.

Für Prozesse menschlichen Lernens gelten nämlich andere Gesetze als für industrielle Massenproduktion oder für Verwaltungsakte. Die von einem Studiengang angebotenen Lernbedingungen, Lernumgebungen, Lernaufgaben und Lernkontrollen treten mit kognitiven Strukturen, Motivationen und Lernstrategien der Lernenden in komplexe Wechselwirkungen. Was dann im einzelnen die am Ende feststellbaren Lernergebnisse in welchem Maße beeinflußt hat, ist - wie die Unterrichtsforschung belegt - nur mit sehr sensiblen Methoden und nur teilweise aufzuklären. Dies ist nicht als Plädoyer für den Verzicht auf Vereinbarungen und Regelungen überhaupt gemeint, sondern als Plädoyer für größere Autonomie der Hochschulen in Sachen Studiengang-Gestaltung bzw. für intelligente Vorgaben der Bildungsverwaltungen.

Damit berühre ich einen aktuellen Brennpunkt der Hochschuldidaktik. Es geht um die Frage, ob Hochschulen im allgemeinen und Fachbereiche im besonderen größere Autonomie bei der Gestaltung ihrer Studiengänge haben sollten, so daß Vielfalt und Profilbildung möglich werden, oder ob die Bildungsverwaltungen des Staates aus Gründen der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen mehr oder weniger enge Rahmenvorschriften erlassen sollten.

Ich selbst plädiere für größere Autonomie der Fachbereiche in Sachen Studiengang-Gestaltung, allerdings unter der Voraussetzung, daß sich diese Autonomie durch eine Verbesserung der zu ihrer Umsetzung erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen rechtfertigt. Motive für wünschenswerte Vielfalt und Profilbildung sollten jedoch nicht modische Wettbewerbs- und Marketing-Gesichtspunkte oder gar Wiederholungen abgestandener Elite-Ideologien sein. Vielmehr sollten Motive der Verbesserung von "binnenkultureller" Identität vorherrschen. Hochschulen wie Fachbereiche können nämlich die in einer pluralistischen Gesellschaft vorhandene Vielfalt der Wertvorstellungen, der Wissensbestände und der Zukunftsmodelle nicht mehr flächendeckend und neutral in sich abbilden. Deshalb müssen sie auswählend und gestaltend Optionen und Alternativen entwickeln und anbieten. Sie müssen dies nicht nur tun, um ihren Auftrag zu erfüllen, Lernorgane der Gesellschaft zu sein. Sie müssen es auch tun, um Bildungsansprüchen ihrer Lernenden gerecht zu werden, denn die kulturelle Persönlichkeit entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit ausgeprägten und in sich stimmigen Kulturen und Lebensstilen.

Nun ist die Entwicklung von institutioneller Kultur einer Hochschule zwar nicht allein von der Studiengang-Gestaltung zu erwarten; institutionelle Kultur findet ihren Ausdruck auch in der Gestaltung von Geselligkeit, von Sozialbeziehungen und Außenbeziehungen, im Umgang mit räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten sowie in den Formen institutioneller Selbstreflexion. Studiengang-Gestaltung ist jedoch eines der zentralen Merkmale institutioneller Kultur.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung von Studiengängen tritt in vielen Fächern das Problem der Koordination von Lehrveranstaltungen auf. Für solche Fächer läßt sich hier ein besonderer Brennpunkt erkennen.

Zunächst gilt festzuhalten: Je schwächer die Studiengang-Bindung der Lehrenden, desto größer der Bedarf an Koordination zwischen den einzelnen Lehrveranstaltungen. Sowohl die Ausdifferenzierung der Fächer in Fachgebiete als historische Tatsache, als auch die Gestaltung fächerübergreifender Studiengänge machen eine effektive Koordination der Lehrveranstaltungen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht erforderlich. Geschieht dies nicht, werden die Lernbedingungen der Studenten in nicht zu verantwortender Weise verschlechtert. Wenn Studierende beispielsweise gezwungen sind, wegen der zeitlichen Parallelität von Pflichtveranstaltungen ihren Besuch und damit ihren Studienabschluß um ein oder mehrere Semester zu verschieben, dann begehen die dafür Verantwortlichen schon beinahe eine strafbare Handlung, wenn es denn dafür Verantwortliche überhaupt gibt.

Zwei Aspekte der Koordination von Lehrveranstaltungen lassen sich unterscheiden, zeitliche und inhaltliche Koordination. In bezug auf zeitliche Koordination ist daran zu erinnern, daß Studienzeiten nicht identisch sein müssen mit Veranstaltungszeiten, d.h. die Zahl der Lehrveranstaltungen läßt sich reduzieren, wenn man mehr Lerntätigkeit in Arbeitsgruppen oder Selbststudium auslagert. Dadurch reduziert man automatisch das zeitliche Koordinationsproblem. Sodann aber sei daran erinnert, daß Freiheit der Lehre keineswegs Freiheit in der Wahl der Veranstaltungszeiten impliziert, und daß somit eine Erweiterung und Ausschöpfung der zeitlichen Bandbreite - etwa von Montag 8 Uhr bis Freitag 20 Uhr - ebenfalls bessere Koordinationsmöglichkeiten schafft. Dies setzt allerdings eine faire Zuweisung von beliebten und unbeliebten Veranstaltungszeiten an die Dozenten voraus. Schließlich erleichtert auch die Durchführung von Blockveranstaltungen am Wochenende oder in veranstaltungsfreien Wochen die zeitliche Koordination.

Maßnahmen, die der inhaltlichen Koordination von Lehrveranstaltungen dienen, beziehen sich sowohl auf die Koordinationen innerhalb der Fächer zwischen Fachgebieten als auch auf fachgebiets-übergreifende und interdisziplinäre Koordination. Eine einfache Maßnahme sind Absprachen im Lehrkörper über sinnvolle Sequenzen. Weitergehende Maßnahmen können darin bestehen, daß sich Dozenten Informationen über die Inhalte vorausgegangener Veranstaltungen anderer Dozenten beschaffen, daß Hospitationen, Team-Planung, Team-Teaching und Lehrberichte organisiert werden, oder daß eine "rotierende" Besetzung von Lehrveranstaltungen vereinbart wird.

Entwicklung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen

Was die Aktualität dieses Brennpunkts betrifft, so werden hochschuldidaktische Aspekte von Lehrveranstaltungen derzeit primär unter quantitativen Aspekten diskutiert. Es gilt jedoch, die qualitativen Aspekte stärker zu berücksichtigen, als da sind: Überwindung didaktischer Monokultur sowie Qualitätssicherung.

Was den ersten Punkt, die Überwindung didaktischer Monokultur anbelangt, so erfuhr die Hochschuldidaktik hier wichtige Impulse durch Forderungen nach Projektstudium während der hochschuldidaktischen Bewegung um 1970. Deren Forderungen wurden mit lerntheoretischen, berufs- und gesellschaftspraktischen sowie politischen Argumenten begründet. Was die politischen Argumente anbelangt, so wurden dem Projektstudium damals emanzipatorische Wirkungen zugeschrieben, ohne daß die notwendigen Wirkungszusammenhänge genauer beschrieben wurden.

Die berufs- und gesellschaftspraktischen Argumente wurden in der Zwischenzeit auch von denen aufgegriffen und erneuert, die dieser Bewegung damals eher skeptisch gegenüberstanden. Kreativität, Teamfähigkeit, Organisationskompetenz, Problemlösungsfähigkeit, Informationsmanagement und kommunikative Kompetenz gehören zu jenen Schlüsselqualifikationen, die gegenwärtig von Kreisen der Wirtschaft regelmäßig angefordert werden.

Für unseren Zusammenhang sind jedoch auch die lerntheoretischen Argumente besonders wichtig, die bereits damals vorgetragen wurden. Sie bezogen sich auf Aspekte der Wissensaneignung, auf Aspekte der Lernmotivation und auf Aspekte der Wissensanwendung.

Beim Aspekt der Wissensaneignung ging und geht es darum, zunächst die Frage- und Problemstellungen genauer kennenzulernen, bevor man sich Wissen aneignet, das für die Beantwortung der betreffenden Fragen wichtig werden könnte. Damit war die Kritik an einem vorwiegend reproduktiven Umgang mit Wissen verbunden, dessen Aneignung seinen Sinn letztlich aus vermuteten Prüfungsanforderungen abzuleiten hat.

Sodann ging es darum, Studenten zu befähigen, sich Wissen selbständig zu beschaffen und auszuwählen. Damit verbunden war die Kritik an einer Praxis, bei der Lernende im wesentlichen zur Aneignung des bereits von Dozenten ausgewählten Wissens aufgefordert waren. Zugleich ging es darum, den Studierenden nicht nur das Endprodukt der Erkenntnisgewinnung anzubieten, sondern auch Einblick zu gewähren in den Prozeß der Erkenntnisgewinnung, der die Wissensbestände hervorbrachte, in Erkenntnisinteressen, Forschungsstrategien und Forschungsmethoden.

Schließlich ging es darum, Studenten zur Anwendung angeeigneten Wissens in sinnvollen Lebens-, Praxis- und Forschungszusammenhängen zu befähigen. Verbunden war dies mit einer Kritik an Formen der Wissensaneignung "auf Vorrat", welche die Anwendung in spätere Lebensphasen verschob, etwa auf Referendariate oder Volontariate, oder auch Beteiligungen an Forschungsprojekten.

Ein dritter lerntheoretischer Aspekt wurde damals noch kaum angesprochen, ist jedoch auf Grund von Ergebnissen der Lernforschung in der Folgezeit immer wichtiger geworden, nämlich die Berücksichtigung unterschiedlicher Lernstile und Lernstrategien der Studenten. Es wurde deutlich, daß die verschiedenen Lehr-Lernmethoden auf Studenten mit verschiedenen Lernstilen und Lernstrategien unterschiedlich wirken. Manche Studenten lernen durch Vorlesung und Referateseminar besser als durch Lernprojekte und umgekehrt. Unterrichtsmethodische Monokultur wird so zur Ursache zur Benachteiligung ganzer Populationen von Lernern, im schlimmsten Falle von Lernern, die für die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung besonders wichtig sind.

Ich habe die Diskussion um Projektstudium als Beispiel erwähnt für eine Alternative zu den beiden in vielen Fachbereichen vorherrschenden Lernformen, der Vorlesung und dem Referateseminar. Lernprojekte sind jedoch nur eines von vielen anderen didaktischen Modellen, nach denen Lehrveranstaltungen gestaltet werden können: Disputationen, Erkundungen, Fallstudien, Simulationen und Werkstatt-Seminare sind weitere Alternativen. Insgesamt sollte diese Vielfalt genutzt werden, um in der hochschuldidaktischen Praxis einen Übergang von aussagen-reproduzierenden zu aufgaben-bearbeitenden Lernformen zu fördern und von der Kenntnisaneignung zum Können zu gelangen.

Zum zweiten Aspekt - Qualitätssicherung. Um Mißverständnissen vorzubeugen, impliziert die Forderung nach Qualitätssicherung von Lehrveranstaltungen nicht die Behauptung, daß Lehrveranstaltungen generell von schlechter Qualität seien, sondern lediglich, daß nichts so gut ist, als daß es nicht noch verbessert werden könnte. Dies bezieht sich auf die Planung, die Durchführung und die Evaluierung von Lehrveranstaltungen.

Was die Planung von Lehrveranstaltungen anbelangt, so läßt sie sich einmal dadurch verbessern, daß Dozenten lernen, das Vorwissen ihrer Zielgruppe realistisch einzuschätzen und realistische Erwartungen an den Lektüreumfang und an die von Studenten außerhalb der Lehrveranstaltung zu erbringenden Lernleistungen zu richten. Sie läßt sich dadurch verbessern, daß Planungsunterlagen erstellt werden, die nicht nur Sitzungsdaten, Themenangaben und Literaturlisten enthalten, sondern auch Angaben über die Lernorganisation, die Lernaufgaben, die zu bearbeiten sind und die Kompetenzen, die entwickelt werden sollen. Hilfreich hierfür sind konkrete Beschreibungen von Problem- und Aufgabenstellungen, die Studenten am Ende der Veranstaltung bearbeiten oder lösen können sollen

Was die Durchführung von Lehrveranstaltungen anbelangt, so hängt diese selbstverständlich von der Art der Lehrveranstaltung ab. Simulation und Fallmethode verlangen andere Lehr-Lerntätigkeiten als Vorlesungen oder Erkundungen. Generell ist jedoch anzumerken, daß die jeweils zu wählende Kommunikationsform der Aufgabenstellung angepaßt und ihrer Eigenart entsprechend gestaltet werden sollte. So sollten Gruppendiskussionen in professioneller Manier moderiert werden. Kurzvorträge sollten wirklich kurz sein. Phasen der Lektüre und des Nachdenkens innerhalb von Veranstaltungen sollten als solche ausgewiesen und zeitlich definiert sein.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Evaluierung und Qualitätssicherung einer Lehrveranstaltung. Hierfür existiert seit den frühen Zeiten der Vorlesungskritik mittlerweile eine Vielzahl von Fragebogen, die sich vor allem auf Eigenschaften und auf das Verhalten von Dozenten beziehen. Es gibt jedoch eine Reihe weiterer Indikatoren, die ebenso wichtig sind oder sogar noch wichtiger. Dazu gehören Indikatoren zur Beurteilung der Qualität der Lernmaterialien, die verwendet wurden, der Lehr-Lernformen und der Kommunikationsprozesse sowie der von den Studenten eingebrachten Beiträge. Aber auch die Einschätzung der Studenten über ihren in dieser Veranstaltung vermittelten Lernzuwachs ist ein wichtiger Indikator für Qualität.

Man kann unterschiedlicher Auffassung darüber sein, welchen Beitrag Gruppendiskussionen für eine Evaluierung erwarten lassen. Für sich allein genommen entwickeln sie oft eine Dynamik, die von kritischen oder lobhudelnden Lautsprechern bestimmt wird. Sie machen jedoch auf jeden Fall Sinn, wenn man die Lernenden zur Diskussion der Ergebnisse einlädt, die aus der Auswertung der individuellen Befragungen zustande gekommen sind.

Es hängt von der Praxis der einzelnen Fächer ab, ob Lehrveranstaltungen routinemäßig wiederholt werden, oder ob sie im Prinzip einmalige Ereignisse bleiben. Regelmäßig wiederholte oder thematisch leicht modifizierte Veranstaltungen bieten den Vorteil, daß die Ergebnisse der Evaluierung zur Planung und damit zur Verbesserung der jeweils nächsten Durchführung herangezogen werden können. Aber auch Lehrveranstaltungen mit neuer Thematik können von einer sorgfältigen Evaluierung anderer Veranstaltungen profitieren, die zwar nicht dem gleichen Thema gewidmet sind, wohl aber dem gleichen Typ zugehören.

Entwicklung didaktischer Kompetenzen von Lehrenden und Prüfenden

Ich habe vorhin auf die Notwendigkeit hingewiesen, didaktischer Monokultur-Bildung entgegenzuwirken und ein größeres Spektrum an alternativen Lehr-Lernformen bei der Gestaltung von Lehrveranstaltungen zu berücksichtigen. Damit habe ich bereits auf eine wichtige didaktische Kompetenz hingewiesen: Lehrende sollten den Überblick über die für ihr Fachgebiet geeigneten Lehr-Lernformen haben; sie sollten Anwendungsbeispiele kennen und selbst gelernt haben, entsprechende Veranstaltungstypen zu entwickeln. Daß dabei ein Blick über den nationalen Horizont hinaus nützlich sein kann, sei am Rande vermerkt.

Leider steht die wohl immer noch gültige Kapazitätsverordnung im Widerspruch zur Entwicklung didaktischer Vielfalt. Abgesehen von den eher hilflos wirkenden Definitionen dessen, was "Übungen", "Seminare", "Hauptseminare" oder "Arbeitsgemeinschaf-ten" sind, verführt sie nicht selten zu Etikettenschwindel.

Kennzeichnend für die Aktualität des Themas „didaktische Kompetenzen von Lehrenden und Prüfenden" ist folgender Widerspruch: Obwohl inzwischen die Hochschulgesetze der meisten Bundesländer vorsehen, daß auch didaktische Kompetenzen ein wichtiges Einstellungskriterium sind, erfolgt die Realisierung dieser Forderung eher zögerlich bzw. verläuft in alten Bahnen (Beispiel: Habilitation). Es gilt deshalb, Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, die Entwicklung und Verbesserung der didaktischen Kompetenzen von Dozenten zum Ziel haben, mit gleicher Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit zu gestalten, wie dies in anderen Lehrberufen der Fall ist.

Was die Inhalte solcher Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung zum Dozenten und Prüfer anbelangt, so sollen hierzu nur die folgenden Stichworte genannt sein:

Als Formen solcher Maßnahmen kommen in Frage Entwicklung autodidaktischer Kompetenzen von Lernenden Als weiteren Brennpunkt der Hochschuldidaktik möchte ich die Entwicklung der Lernkompetenzen von Studierenden erwähnen, sozusagen deren Professionalisierung als Lerner. Wer wie ich die Auffassung vertritt, daß Studenten als mündige Lerner für die Gestaltung ihrer Lerntätigkeit im Prinzip selbst verantwortlich sind, darf daraus nicht folgern, daß hochschuldidaktische Bemühungen zur Verbesserung lernstrategischer Kompetenzen von Studenten entweder überflüssig sind oder individuellen Bemühungen überlassen werden sollten. Gemäß dem englischen Sprichwort kann man Pferde zwar zur Tränke führen, man kann sie aber nicht trinken machen. Ebenso kann man Lernen nicht machen, wohl aber Lernende dabei unterstützen, das Lernen zu lernen.

Die Didaktik im allgemeinen und die Hochschuldidaktik im besonderen traf und trifft oft der Vorwurf, daß sie von dem Optimismus getragen sei, daß jeder alles lernen könne und daß sie der Verschiedenheit von Begabungen und vor allem dem Phänomen begrenzter Begabung zu wenig Beachtung schenke. Sofern dieser Vorwurf von seiten derer kommt, die alle Anstrengungen unternehmen, um ihrer Klientel günstige Lernbedingungen zu verschaffen, läßt sich leicht Konsens erreichen. Sofern er aber von seiten derer kommt, die damit didaktische Inkomptenz oder didaktisches Desinteresse zu kompensieren versuchen, wird dies schwieriger.

Aber ganz unabhängig von solchen meist ziemlich unergiebigen Diskussionen um unterschiedliche Lernfähigkeit von Menschen ist inzwischen hinreichend belegt, daß Menschen das Lernen lernen können und daß es eine Vielfalt von Methoden gibt, wie man sie dabei unterstützen kann. Leider ist ihre Anwendung in Schulen und Hochschulen eher selten. Ergebnisse der Lernforschung legen aber nahe, daß sich eine weitere Verbreitung entsprechender Angebote lohnt. Nicht zuletzt geht es ja auch darum, über die Hochschule hinauszudenken und für "lebenslanges Lernen" die Voraussetzungen zu verbessern.

Entsprechende Maßnahmen an Hochschulen können sowohl aus speziellen Veranstaltungen bestehen, sie können aber auch die Form veranstaltungsbegleitender Maßnahmen haben.

Was die speziellen Veranstaltungen anbelangt, so gehen diese inzwischen über bloße Memorier-, Lese-, Zitier- und Referate-Techniken hinaus. Sie schließen "didaktische Selbstreflexion" ein, indem z.B. ein Lerntagebuch geführt und ausgewertet wird. Sie berücksichtigen auch emotionale Aspekte, im besonderen den Umgang mit Angst, aber auch Übungen zur Selbstmotivation und Selbstkontrolle. Sie vermitteln darüber hinaus lerntheoretische Grundkenntnisse, auch in bezug auf Lernstile. Und sie bemühen sich um die Vermittlung längerfristiger Perspektiven, indem sie beispielsweise Unterstützung bei der Entwicklung sogenannter "Lernpläne" bieten.

Was auf der anderen Seite die studien- und veranstaltungsbegleitenden Maßnahmen anbelangt, so können diese zum einen in der Unterstützung und Anleitung zu veranstaltungsvorbereitenden Aktivitäten bestehen, z.B. im Umgang mit Lektüre oder in der Vorbereitung von Fragestellungen. Sie können aber auch auf die Anfertigung persönlicher Veranstaltungsprotokolle ("Mitschriften") und Wissens-Landkarten bezogen sein. Und sie können darauf gerichtet sein, Inhalte der einzelnen Veranstaltung in sinnvoller Weise in das von Studenten angelegte System persönlicher Dokumentation und Wissensorganisation einzubinden.

Schließlich gehören auch Maßnahmen zur Vorbereitung auf Prüfungen mit zur Lernstategie-Entwicklung. Sie schließen Strategien der Wahl von Themen und Prüfern ein, Vorbereitung auf Vorgespräche mit Prüfern, Bildung von Arbeitsgemeinschaften zur Vorbereitung von Prüfungen, in denen auch Prüfungs-Simulationen gemeinsam mit Kommilitonen durchgeführt werden. Und nicht zuletzt gehört auch das Angebot dazu, in der Beobachter-Rolle an Prüfungen anderer teilzunehmen.

Schluß:

Ich habe versucht darzustellen, daß es viele Brennpunkte der Hochschuldidaktik gibt, aber keine Königswege ihrer Bearbeitung, weder der von oben nach unten noch der von unten nach oben. Wir haben es mit einem Netz mit vielen Knoten zu tun. Fachbereiche können jeden dieser Knoten als Einstieg in Verbesserungen wählen und werden dann zum nächsten geführt, denn im Netz ist jeder Knoten mit allen anderen verbunden. Aber damit wäre ich bei einer anderen Metapher. Sie hieße Knotenpunkte der Hochschuldidaktik, was vielleicht sogar der bessere Titel wäre.