Management, Organisationsentwicklung und Qualitätssicherung in Bildungseinrichtungen

Grundmodelle von Bildungssystemen

Nach Richter lassen sich drei Grundmodelle unterscheiden, denen Bildungssysteme in verschiedenen Ländern entsprechen (RICHTER, 1995, S. 119ff): Diese drei Grundmodelle lassen sich zunächst in Europa nachweisen, treffen jedoch prinzipiell für alle modernen Bildungssysteme (und damit weltweit) zu.

Zwei Varianten des Vertragsmodells

Richter unterscheidet ferner zwei Varianten des Vertragsmodells, Um Entscheidungen zugunsten eines der genannten Modelle treffen zu können, ist es sinnvoll, einige Aspekte eines Zukunftsszenarios zu prüfen, das sich aus Tendenzen der Gegenwart ableiten läßt.

Aspekte eines Zukunftsszenarios

Als wichtigste der in unserem Zusammenhang bedeutsamen Merkmale sind hier zu nennen:

Vorteile des korporativen Modells

Wenn das hier skizzierte Zukunftsszenario wenigstens teilweise Wirklichkeit wird, dann ist anzunehmen, daß sich im Bildungssystem das korporative Modell durchsetzt, denn es hat in diesem Rahmen Vorteile sowohl gegenüber dem administrativen und dem konstitutionellen Modell als auch gegenüber privaten Strukturen: In unserem Zusammenhang verdient jedoch der Umstand besondere Erwähnung, daß für die Verwirklichung des korporativen Modells ein bloßes "Verwalten" von Bildungseinrichtungen nicht mehr ausreicht, sondern daß es künftig um deren Gestaltung, Entwicklung und "Design" geht.  Dies stellt jedoch auch erhöhte Ansprüche an eine professionell und effektiv betriebene Organisation.

Vom "Verwalter" zum "Manager"

"Verwalter" von Bildungseinrichtungen haben nach dem administrativen Modell für die "ordnungsgemäße Durchführung" der durch staatliche Vorgaben (z.B. der Personalauswahl, der Lehrplangestaltung, des Prüfungswesens und des zeitlichen, räumlichen und finanziellen Rahmens)
zu sorgen. Sie haben somit kaum Einfluß auf die wesentlichen Gestaltungselemente einer Bildungseinrichtung. Sie müssen andererseits auch nur im Konsens mit ihren Vorgesetzten sein und sind von "policy making" in komplexen sozialen Umgebungen weitgehend entlastet. Entsprechend erfolgt ihre Rekrutierung zumeist nach Gesichtspunkten der Anciennität, der Loyalität zu politischen und ideologischen Richtungen sowie nach bürokratischer Kompetenz und bürokratischer Mentalität, mitunter auch nach persönlicher Bekanntschaft und Zugehörigkeit zu "Zirkeln". Eine Professionalisierung ihrer Tätigkeit - etwa durch spezielle Aus- oder Weiterbildungsbildungsgänge - findet nicht oder nur in sehr geringem Umfang statt.

Bildungseinrichtungen, die nach dem korporativen Modell gestaltet sind, verfügen über weitgehende Möglichkeiten der Gestaltung und Entwicklung sowohl ihrer Binnenverhältnisse als auch ihrer Beziehungen zu ihrem sozialen Umfeld, im besonderen zu ihren Klienten, Bewer- bern und Sponsoren. Diesen erweiterten Möglichkeiten entspricht aber auch ein erweiterter Bedarf an jener professionellen Kompetenz, die wir (nicht immer zu Recht) den "Managern" von Wirtschaftsunternehmen zuschreiben. Um nicht einem gegenwärtig weit verbreiteten "Manager-Mythos" zu verfallen, ist es deshalb erforderlich, sich wenigstens knapp mit dem Begriff "Management" auseinanderzusetzen.

Was ist "Management" ?

Im vorliegenden Zusammenhang wird "Management" zunächst als Handlungsmodus bzw. Handlungsprinzip in Organisationen verstanden, der sich in wesentlichen Punkten vom Handlungsmodus des "Verwaltens" unterscheidet, wie er gegenwärtig das öffentliche Bildungswesen bestimmt (s.o.).

Jedoch im Unterschied zu einem verbreiteten engeren Begriff von Management, der i.a. mit Begriffen wie "Führung", "Entscheidung", "Steuerung", "Organisation" und "Leitung" verbunden wird, wird dieser Begriff hier im weiteren, auch von der Etymologie her gestützten Verständnis von "vernünftiger Haushaltsführung" verstanden. Diese schließt praktische und kulturelle Vernunft ebenso ein wie wissenschaftlich-kritische Vernunft. Sie ist also nicht auf ökonomische Vernunft beschränkt, schon gar nicht auf jenes reduzierte Verständnis von ökonomischer Vernunft, das sich an Werten kurzfristigen Gewinnstrebens orientiert.

Vernünftige Haushaltsführung einer Bildungseinrichtung ist im besonderen darauf gerichtet, Lerntätigkeit und Lebensqualität ihrer Mitglieder mit vorhandenen und zu beschaffenden Mitteln optimal zu fördern, ein Gleichgewicht zwischen Anpassung an Außenanforderungen und Weiterentwicklung eigener Identität zu erreichen und Sinnbezüge angesichts von Globalisierung und Partikularisierung zu entdecken und zu vermitteln.

Ebenen und Verantwortlichkeiten des Bildungsmanagements

In Bildungssystemen lassen sich mehrere Handlungsebenen unterscheiden: Auf jeder dieser Ebenen sind Verantwortlichkeiten von Aufsichtsorganen (Beiräten etc.), Kommissionen, Managern, Mitgliedern und Betroffenen angesiedelt. Zur Kultur und Qualität einer Bildungseinrichtung gehört im besonderen die vernünftige Arbeitsteilung und produktive Zusammenarbeit der genannten Personen und Institutionen.

Bildungseinrichtungen als "lernende Organisationen"

Wenn im vorliegenden Zusammenhang von "Bildungseinrichtungen" die Rede ist, so sind sowohl öffentliche und private Schulen aller Art (Grundschulen, Berufsschulen, Hochschulen etc.) als auch andere Formen organisierten Lernens (z.B. arbeitsplatz-integrierte Lernangebote, Netzwerke oder Telekommunikationssysteme) gemeint.

Als "lernende" Organisationen sollten Bildungseinrichtungen aus zwei Gründen gesehen werden,

Wenn Bildungseinrichtungen somit als dynamische Gebilde betrachtet werden, läßt sich die Sicherung von Organisationsentwicklung als zentrale Aufgabe des Bildungsmanagements bestimmen.

Bildungsmanagement als  "Management by Information"

In einem Literaturbericht zum Thema "Organisationsentwicklung" bietet Nancy M. Dixon (DIXON, 1997, S. 348ff) einen Ansatz, der im vorliegenden Zusammenhang Interesse verdient. Die Autorin wählt nämlich zur zusammenfassenden Darstellung ihrer Ergebnisse ein Modell, das Organisationsentwicklung als Informationsverarbeitung darstellt und damit mit den aus der Lernpsychologie und der Unterrichtswissenschaft bekannten Lernmodellen weitgehend übereinstimmt. Dixon unterscheidet fünf Stufen des Informationsprozesses Für den vorliegenden Zusammenhang unseres Projekts soll dieses Modell durch zwei Stufen erweitert werden, durch die vorausgehende Informations-Bedarfs-Analyse, durch die Organisationen sich Klarheit darüber verschaffen, welche Informationen sie benötigen. Und durch eine abschließende Stufe von Controlling (Evaluierung) und Feedback, durch die Organisationen sich Klarheit über die Wirkungen (und Nebenwirkungen) verschaffen, die entstanden sind. Der Begriff "Wissen" soll an Stelle des Begriffs der "Information" verwandt werden, weil er über den rein formalen Charakter des Informationsbegriffs hinausreicht und Aspekte von Bedeutung und Sinnhaftigkeit einbezieht. Diese Variante des Modell soll als Beitrag verstanden werden, wie sich die im Rahmen unseres Projekts wichtigen Aufgaben eines Bildungsmanagements darstellen, das sich als "management by information" begreift.

Vorrangiges Ziel eines Managements, das sich den im Modell genannten Aufgaben widmet, ist die Qualitätssicherung der Bildungseinrichtung.

Verschiedene Konzepte der Qualitätssicherung

Für die Qualitätssicherung von Bildungseinrichtungen wurden bislang im wesentlichen zwei Konzepte entwickelt, Da das Konzept von Input-Output-Analysen in der internationalen Diskussion (z.B. IEA-Studien, OECD) eine wesentliche Rolle spielt, sei es hier knapp erläutert.

Input-Output-Analysen

Das Konzept der Input-Output-Analyse wurde vor allem in den zahlreichen Veröffentlichungen der OECD im Rahmen des INES-Projekts entwickelt und (auch in Ländervergleichen) erprobt. Hierbei wurden folgende Indikatoren für die Beschreibung der Bildungssysteme einzelner Länder und einzelner Bildungseinrichtungen verarbeitet: Der Vorteil dieses Ansatzes beruht vor allem Als Nachteil dieses Konzepts wird der Umstand angesehen, Im Zusammenhang von internationalen Studien zur Verbesserung der Grunderziehung wurde ebenfalls ein Indikatorensystem für die Messung der Qualität von Bildungseinrichtungen entwickelt (WINDHAM, 1991, S. 3). Dieses gliedert sich in sieben Gruppen, und zwar Zugleich wird ein 3-Phasen-Modell vorgeschlagen, das nach Prioritäten bzw. Sequenzen der Datenerhebung unterscheidet.

Eine bescheidenere Variante des Input-Output-Konzepts besteht in der Herausarbeitung von ("mikrodidaktischen") Faktoren, die sich bei empirischen Untersuchungen als positiv wirksam erwiesen haben. Diese gliedern sich in vier Gruppen:

Angesichts der Tatsache, daß die Entscheidung über Indikatoren stets von sozio-kulturellen Grundoptionen ("Philosophien", "Paradigmen") abhängig ist, sind auch pluralistische Überlegungen angebracht, wie sie zum Beispiel von Scheerens referiert werden. Unter Bezugnahme auf frühere Publikationen anderer Autoren unterscheidet Scheerens vier Modelle der Interpretation bzw. Bestimmung von "Outputs" einer Bildungseinrichtung, die auf unterschiedlichen "Paradigmen", "Philosophien" bzw. Grundpositionen beruhen. Jede dieser vier Grundpositionen (Modelle) bevorzugt spezifische Gesichtspunkte für die Bewertung der Qualität einer Bildungseinrichtung.
Zu jedem der vier Modelle gehören entsprechende Themenkomplexe, für die ihrerseits spezifische Indikatoren gebildet werden müssen, und zwar
 

Lernpotential-Analysen

In jüngster Zeit wurde von verschiedenen Autoren ein drittes Konzept der Qualitätssicherung für Bildungseinrichtungen entwickelt und erprobt (ROLFF, 1996, S. 293ff und SZADAY, 1996), das der Lernpotential-Analyse.

Es beruht auf der Überlegung, daß Bildungseinrichtungen die Kriterien selbst entwickeln und spezifizieren sollten, nach denen sie sich ständiger und sorgfältiger Qualitätsanalyse unterziehen, und zwar auf der Grundlage ihrer eigenen "Organisationskultur". Dabei können auch Experten und Berater herangezogen werden, deren Tätigkeiten nach Möglichkeit vertraglich geregelt sein sollten.

Das Konzept der Lernpotential-Analyse entspricht dem korporativen Modell im Bildungssystem in besonderer Weise, da es jede Bildungseinrichtung an Ihren eigenen Zielsetzungen mißt und flexible Entwicklungsstrategien ermöglicht.

Das von mir entwickelte Lernpotential-Analyse-Inventar enthält ca. 60 "Prüfpunkte", auf die sich eine der Qualitätssicherung dienende Selbstevaluierung beziehen sollte. Diese gliedern sich in 8 Gruppen und zwar:

Für jeden der 60 Prüfpunkte gilt es festzustellen,

Der Zusammenhang von Management, Organisationsentwicklung und Qualitätssicherung in Bildungseinrichtungen

Diese drei in Bildungseinrichtungen zentralen Operationen lassen sich als eine Art wechselseitiger "Dreiecksbeziehung" darstellen. Daraus ergeben sich sechs Beziehungen, und zwar

Qualifizierung für Bildungsmanagement

Maßnahmen der Qualifizierung für Bildungsmanagement im Rahmen korporativer Strukturen schließen Ausbildung und Weiterbildung ein. Was die Ausbildung anbelangt, so wird sie auf Wissen mehrerer Disziplinen zurückgreifen müssen. Neben Erziehungswissenschaften gehören auf jeden Fall auch Betriebswirtschaft und Jura dazu. Ständige Weiterbildung sollte eine Selbstverständlichkeit sein, mit  interdisziplinär gestalteten Projekten, Fallstudien und werkstattartigen Veranstaltungen erfolgen und die Möglichkeiten internationaler Netzwerke nutzen.

Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit

Wie das OECD-Projekt und die wenigen Hinweise auf Untersuchungen von länderübergreifender Bedeutung zeigen, ist internationale Zusammenarbeit und länderübergreifender Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet des Bildungsmanagements sowie der Organisation und Qualitätssicherung von Bildungseinrichtungen dringend geboten. Die im weiteren Verlauf von Globalisierungprozessen stattfindenden Veränderungen der Bildungssysteme bieten die Chance wechselseitigen Lernens, so daß Impulse für Gemeinsamkeiten und Vielfalt gleichermaßen entstehen. Dies gilt insbesondere auch für Konzepte der Aus- und Weiterbildung sowie der Professionalisierung dieser Tätigkeiten. Daß dabei eine möglichst enge Beziehung von Wissenschaft und Praxis, von Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen anzustreben ist, versteht sich von selbst.

Folgerungen für EDUHOT

Was ergibt sich von diesen Überlegungen her für das Projekt EDUHOT ? Zunächst soviel: Es muß sich im vorgegebenen Rahmen von 12 Semester-Wochenstunden (entsprechend etwa 300 Stunden aktiver Lernzeit) bescheidene Ziele setzen. Im besonderen sollte es herausfinden,

LITERATUR:

Clímaco, C. (1995). The Use of Performance Indicators on School Improvement and in Accountability. In: OECD (Hrsg.). Measuring the Quality of Schools. Paris: OECD.

Dixon, Nancy M. (1997). Organizational Learning. A Rewiew of the Literature with Implications for HRD Professionals. In: Russ-Eft, D. Presill, H. & Sleezer, C. (Hg.). Human Ressource Development Review - Research and Implications. Thousand Oaks, London, New Delhi 1997: SAGE Publ. S. 348-369.

ETS - Educational Testing Service (1993). Formative Studies of Praxis III: Classroom Performance Assessments - An Overview. Princeton. S. A-1.

Richter, Ingo (1995). Educational Decision Making in Open Societies: Legal and Procedural Requirements in Western Europe. In: Roeder, Peter M. u. a. (Hrsg.). Pluralism and Education. Current World Trends in Policy, Law and Administration. Berkeley: Institute of Governmental Studies Press. S. 119-130.

Rollf, Hans-Günter (1996). Evaluation - ein Ansatz zur Qualitätsentwicklung von Schulen? In: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.). Evaluation und Schulentwicklung. Ansätze, Beispiele und Perspektiven aus der Fortbildungsmaßnahme Schulentwicklung und Schulaufsicht. Bönen: Kettler. S. 293-310.

Ross, Kenneth N. (1997). Ressearch and policy: a complex mix. In: IIEP Newsletter, January-March 1997. S. 1-4.

Scherens, Jaap (1995). Internattionally Comparable Indicators of Educational Programmes and Processes. In: OECD (Hrsg.). Measuring the Quality of Schools. Paris: OECD.

Szaday, Christopher, Büeler, Xaver & Favre, Bernard (1996). Schulqualitäts- und Schulentwicklung: Trends Synthese und Zukunftsperspektiven. Bern, Aarau: Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung.

OECD (1996a). Bildung auf einen Blick. Analyse. Paris: OECD.

OECD (1996b). Bildung auf einen Blick. OECD-Indikatoren. Paris: OECD.


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