Wissensgrundlagen Interkultureller Didaktik

 Woher kommt das Wissen, das zur Begründung didaktischen Handelns in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern geeignet ist? Abgesehen von Alltagserfahrungen (dem sogenannten "gesunden Menschenverstand") und spontanen Einfällen kreativer Menschen, stehen im wesentlichen zwei Wissensquellen zur Verfügung:
a) die von professionell Tätigen in den jeweiligen Tätigkeitsfeldern erzeugten und weitervermittelten Praxisroutinen und Problemlösungen ("Zunftwissen"),
b) und in bestimmten wissenschaftlichen Disziplinen erzeugtes Grundlagenwissen, das als Hintergrundwissen in Problemlösungen didaktischen Handelns eingebracht werden kann.

Um dieses Grundlagenwissen geht es in den folgenden Texten. Es ist entstanden im Zusammenhang philosophischer, anthropologischer, kulturtheoretischer, psychologischer, didaktischer, vergleichend-erziehungswissen- schaftlicher und linguistisch-kommunikationswissen- schaftlicher Forschung. Die in diesen Disziplinen entwickelten Theorien, Modelle, Hypothesen und Befunde entstanden und entstehen jedoch nicht - auf jeden Fall aber nicht in erster Linie - wegen ihrer Bedeutung für interkulturell-didaktisches Handeln. Deshalb lassen sich aus ihnen Empfehlungen für interkulturell-didaktisches Handeln auch nicht einfach "ableiten". Solche Theorien, Modelle, Hypothesen und Befunde dienen jedoch zum einen als Anregung, zum anderen als Ausgangsmaterial für kritische Reflexion von Praxis.


1. "Natur" und "Kultur" des Menschen (philosophische Wissensgrundlagen)

1.1 Zur Geschichte des Natur-Kultur-Problems
1.2 Kulturbegriffe
1.3 Zur Geschichte des Kulturbegriffs
1.4 Kategoriale Bestimmungen von "Kultur"
1.5 Objektive und subjektive Aspekte von Kultur
1.6 Kulturelle Orientierungen von Menschen
1.7 Kulturrelativismus und Universalismus
1.8 Anthropologien wissenschaftlicher Disziplinen
1.9 Folgerungen für interkulturelle Didaktik

2. Homine Eigenschaften (anthropologische Grundlagen)

2.1 Das Wolfskind von Aveyron
2.2 Was ist der Mensch "von Natur aus" und "von Kultur aus"?
2.3 Das genetische Programm des Menschen
2.4 Deterministische und nicht-deterministische Auffassungen vom Menschen: Fremdbestimmung und Selbstbestimmung
2.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kulturen ("Invarianten")
2.6 Individuelle Unterschiede aufgrund von Erbanlagen
2.7 Das Erkenntnisparadox
2.8 Konsequenzen für Interkulturelle Didaktik

3. Kulturtheorien

3.1 "Etische" und "Emische" Positionen
3.2 Kulturbegriff
3.3 Die Charakterisierung von Kulturen nach ihrer Artikulation von Raum und Zeit (nach HALL & HALL 1990)
3.4 Die vier Kulturdimensionen von HOFSTEDE
3.5 Die fünf Lebensstile nach THOMPSON u. a.
3.6 Theoretischer Bezugsrahmen (Abstraktionsebenen) für Wertvorstellungen nach TRIANDIS (1972, S. 18)
3.7 Kulturtransfer
3.8 Kulturentwicklung
3.9 Folgerungen

4. Die kulturelle Bedingtheit psychischer Funktionen, insbesondere des Denkens und Lernens

4.1 Grundannahmen
4.2 Unterschiede zwischen Kulturen
4.3 Kulturelle Bedingtheit der Wahrnehmung
4.4 Kulturelle Bedingtheit der Begriffs- und Modellbildung
4.5 Kulturelle Bedingtheit des Gedächtnisses
4.6 Kulturelle Bedingtheit von Persönlichkeitsmerkmalen
4.7 Folgerungen für die Interkulturelle Didaktik

5. Die Entwicklung der "Interkulturellen Persönlichkeit"

5.1 Die gattungsbedingt "ethnozentrische" Grundorientierung des Menschen
5.2 Kulturelle Identität
5.3 Die gattungsbedingte Möglichkeit, Ethnozentrismus zu überwinden
5.4 Notwendige Lernprozesse
5.5 Stufen der Moralentwicklung nach KOHLBERG (1973)
5.6 Formen der Akkulturation an interkulturelle Kontexte
5.7 Entwicklungsstadien (Entwicklungsstufen)

6. Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen

6.1 Vorgeschichte
6.2 Philologien als Sprach- und Kulturwissenschaften
6.3 Fremdsprachendidaktiken
6.4 Medienwissenschaften
6.5 Semiotik(en)

7. Theorien und Modelle Interkultureller Didaktik

7.1 Didaktiken als Formen segregierten Lernens
7.2 Vielfalt der Didaktiken
7.3 Praktiker-Didaktiken
7.4 Theoretiker-Didaktiken
7.5 Rekonstruktionsstufen
7.6 Rekonstruktionsbereiche bzw. Rekonstruktionsebenen
7.7 Kategorialmodelle der Didaktik
7.8 Der Göttinger Katalog Didaktischer Modelle

8. Kulturelle Bedingtheit didaktischen Handelns

8.1 Überlieferung didaktischer Rollen und didaktische Sozialisation
8.2 Ebenen didaktischen Handelns in ausdifferenzierten Bildungssystemen
8.3 Kulturelle Bedingtheit von traditioneller Schul- und Unterrichtspraxis (nach HOFSTEDE 1991)
8.4 Kulturell "angepaßtes" didaktisches Handeln

Literatur


1. "Natur" und "Kultur" des Menschen (philosophische Wissensgrundlagen)

GRUNDBEGRIFFE:

1.1 Zur Geschichte des Natur-Kultur-Problems

Die Frage nach der "Natur" und nach der "Kultur" des Menschen gehört zu den geistesgeschichtlichen Langzeitproblemen in Europa. Sie wurde zunächst und wird noch im Kontext von Religion behandelt (Genesis, Erbsünde). Später wird sie zum Erkenntnisgegenstand mehrerer Disziplinen. Auch die Interkulturelle Didaktik muß hierzu ihre Optionen klären (STEINBACHER).

Die Interpretation der Welt (des Kosmos) in "Dualismen" bzw. Polaritäten (Materie und Geist, Leib und Seele, Natur und Kultur), ist eine starke Tradition in der europäischen Ideengeschichte, die auch in unsere Alltagstheorien hineinwirkt.

Die Bemühungen, die "Menschheit" ("Humanität") als ein einheitliches Gebilde (als Idee und/oder als Realität) zu sehen und bedeutsame, das Wesen des Menschen definierende, gattungsbedingte Eigenschaften von homo sapiens herauszustellen, verdichten sich im 18. Jahrhundert (HERDER; ROUSSEAU). Mit dem Ausbau ethnologischer Forschung erweisen sich zunehmend ehemals als "natürlich" angesehene Wesensmerkmale als "kultürlich" verschieden. Mit dem "Wildkind vom Aveyron" (ITARD 1800) erhält die empirische Erforschung des Natur-Kultur-Problems eine neue Qualität.

Gleichzeitig entwickelte sich in Europa ein Menschenbild, das der Individualität gleichen oder höheren Wert als Kollektividealen einräumte (W. v. HUMBOLDT). Mit zunehmender Individualismus-Lastigkeit der europäischen Kultur im 20. Jahrhundert nimmt das populäre Interesse an der Bestimmung von Gattungsmerkmalen von homo sapiens zunächst ab.

Deterministische Vorstellungen (z. B. in Form des Erbe-Umwelt-Streits) prägten die Auseinandersetzung von der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart. Ethiken, welche die Idee der transzendentalen Freiheit als Alternative zum Determinismus betonten (z. B. SCHELER und SARTRE) blieben demgegenüber wenig populär.

Es scheint ein Erkenntnisparadox dahingehend zu bestehen, daß wir über die Begriffe "Natur" und "Kultur" immer nur "systemimmanent" kommunizieren können, d. h. mit Hilfe unserer biologischen Ausstattung und in kulturspezifischen Sprachen, die dasjenige bereits voraussetzen, was sie zu ihrem Erkenntnisgegenstand machen.

1.2 Kulturbegriffe

Die bisherigen Ausführungen lassen die Notwendigkeit erkennen, daß wir unseren Kulturbegriff weiterentwickeln müssen, um die Besonderheiten des "Inter-Kulturellen" (und damit auch der Interkulturellen Didaktik) besser verstehen zu können. Dabei dürfen wir den Alltagsbegriff von "Kultur" nicht außer acht lassen, der in Deutschland verbreitet ist. Wenn jemand in der Alltagssprache von "Kultur" spricht, dann beziehen sich seine Vorstellungen zumeist auf Dinge, die etwas mit Kunst, Wissenschaft und Bildung zu tun haben und die vom Kulturreferenten der Stadt oder vom Minister für Kultur (Kunst und Wissenschaft) verwaltet werden. Manchmal wird der Begriff auch in einem eingeschränkteren Sinne verwendet, wenn jemand sagt, daß ein anderer ein Mensch "ohne Kultur" sei, um dessen Umgangsstil, dessen Eßmanieren oder dessen Hygieneverhalten zu kritisieren. Schließlich ist von "Kulturen" die Rede, wenn es um die Züchtung von Bakterien oder Pflanzen geht ("Aquakulturen").

In den Humanwissenschaften hat sich demgegenüber eine große Vielfalt von Kulturbegriffen entwickelt, die jeweils verschiedene Aspekte besonders hervorheben. Gemeinsam ist diesen humanwissenschaftlichen Ansätzen jedoch, daß sie den Begriff "Kultur" in einem weiteren Sinne verwenden. KROEBER & KLUCKHOHN (1952) haben insgsamt 160 solcher Definitionen untersucht und versucht, daraus eine Definition zu entwickeln, die möglichst viele dieser Definitionen umfaßt.

Die folgende, als "Eisberg-Modell" von Kultur bezeichnete Darstellung faßt diese Überlegungen auf anschauliche Weise zusammen:

Das "Eisberg-Modell" von Kultur

(in Anlehnung an AFS Orientation Handbook, Vol. IV, 1984

1.3 Zur Geschichte des Kulturbegriffs

Wie andere Begriffe, die abstrakte Sachverhalte bezeichnen, so hat auch der Begriff "Kultur" seinen Ursprung in einem konkreten Sachverhalt, in diesem Falle im Ackerbau. Die alten Römer verwendeten ihn im Zusammenhang mit der Kultivierung einer Naturfläche und bezeichneten damit auch das Ergebnis dieses Prozesses der Kultivierung. Im Mittelalter wurde der Begriff dann im übertragenen Sinne auf den Menschen bezogen: Der Mensch in seinem Natur- oder Rohzustand bedurfte der Kultivierung ebenso wie der Boden, um Früchte zu tragen. Seit dem 18. Jahrhundert wird dann "Kultur" ganz allgemein im Gegensatz zu "Natur" definiert: Bezogen auf den Menschen wird unterschieden zwischen dem, was er "von Natur aus" ist, und dem, was er durch die Kultur (bzw. Zivilisation) geworden ist, also durch Erziehungs- und Bildungsprozesse.

Zur gleichen Zeit wird die Unterscheidung "Mensch im Naturzustand" und "Mensch im Kulturzustand" nicht nur auf Individuen, sondern auf ganze Völker bezogen ("Naturvölker" und "Kulturvölker"). Dem liegt die Auffassung zugrunde, daß sich die Menschheit aus einem frühen "Naturzustand" kontinuierlich zu einem "zivilisierten" Zustand hin entwickelt. Dabei zeichneten sich drei Positionen ab:

Es war die dritte Position, in deren Rahmen sich ein Kulturbegriff entwickelte, der nicht nur die "höheren" Kulturleistungen einer Gesellschaft umfaßte, also Kunst, Wissenschaft, Religion und Bildung, sondern alle Bereiche menschlicher Tätigkeit, im besonderen auch Alltagskultur, Technologie, Handwerk, Wirtschaft, Handel, Kommunuikation etc. Im Rahmen dieses erweiterten Kulturbegriffs entstand dann auch die Vorstellung, daß sich eine Kultur dadurch auszeichnet, daß die in ihr wirksamen Prinzipien, Werte und Normen ("Kulturstandards") all diese Lebensbereiche durchdringen und ihren Einheitscharakter erzeugen.

In neuerer Zeit hat sich dieser erweiterte Kulturbegriff in den Wissenschaften, vor allem in der Ethnologie und in der Soziologie durchgesetzt, während unser Alltagsbegriff von "Kultur" zumeist noch der engeren Variante folgt.

Besondere Erwähnung verdienen Überlappungen und Angrenzungen zwischen dem Begriff "Kultur" und drei anderen Begriffen: "Gesellschaft", "Zivilisation" und "Kunst". Vor allem für den alltäglichen Sprachgebrauch dürfte es hilfreich sein, hier größere Klarheit zu schaffen.

Zunächst zur Abgrenzung der Begriffe "Kultur" und "Gesellschaft". Auch hierbei können wir auf KLUCKHOHN zurückgreifen, der eine Präzisierung mit Hilfe des folgenden Gedankenganges liefert:

Da "Kultur" eine Abstraktion ist, ist es wichtig, Kultur nicht mit "Gesellschaft" zu verwechseln. Eine "Gesellschaft" ist eine Gruppe von Menschen, die miteinander mehr Berührung haben als mit anderen Individuen - die zur Erreichung gewisser Zwecke zusammenarbeiten. Man kann die Individuen, die eine Gesellschaft bilden, sehen und auch wirklich zählen. Eine "Kultur" umfaßt die bestimmte Lebensart einer solchen Gruppe von Menschen. Nicht alle sozialen Ereignisse haben eine kulturelle Schablone. Es entstehen neue Arten von Typen, für die noch keine kulturellen Lösungen gefunden worden sind.

Was die Unterscheidung von "Kultur" und "Zivilisation" anbelangt, so hat sie vor allem im deutschen Sprachraum im 19. Jahrhundert eine gewisse Rolle gespielt. Dabei wurde "Kultur" eher auf "innere Werte", d. h. auf Gebiete moralisch-religiöser und ästhetisch-künstlerischer Tätigkeit angewendet, während "Zivilisation" sich eher auf "äußere Werte", d. h. technische und juristische Sachverhalte und Fortschritte bezog.

Die Gleichsetzung von "Kultur" und "Kunst" ist demgegenüber noch in unserer Alltagssprache aktuell, worauf bereits hingewiesen wurde. Wie das oben dargestellte "Eisberg-Modell" der Kultur deutlich macht, wird "Kunst" einschließlich "Volkskunst" als "höhere Kultur" verstan- den, während die Alltagskultur in den darunterliegenden Schichten des Eisbergs angesiedelt wird. Im Englischen hat sich in jüngerer Zeit die Unterscheidung von "surface structure" und "deep structure" eingebürgert, eine Unterscheidung, die allerdings eine andere Sichtweise beinhaltet: Die "höheren" Schichten einer Kultur sind nicht die wertvolleren, sondern die besser sichtbaren sichtbaren "Oberflächen-Merkmale"; die darunterliegenden Tiefen-Schichten sind die eigentlich tragenden, die jedoch nicht so leicht erkennbar sind, weil sie unter der Wasseroberfläche liegen, d.h. weil sie als kulturelle Selbstverständlichkeiten unterunterhalb der Schwelle unseres Bewußtseins liegen.

1.4 Kategoriale Bestimmungen von "Kultur"

Im folgenden sollen verschiedene Aspekte von Kultur behandelt werden, die für die Bearbeitung interkulturell-didaktischer Problemstellungen von besonderer Bedeutung sind: 1.4.1 Kultur als kollektives Gedächtnis ("Überlieferung")

Ausgehend von unseren anthropologischen Grundüberlegungen können wir das genetische Programm des Menschen als "Langzeitgedächtnis" der Gattung bezeichnen, in dem alle Erfahrungen der Vorgänger unserer Evolutionsgeschichte gespeichert sind, die das Überleben der Art sichern helfen. Entsprechend lassen sich Kulturen als darüberliegende Langzeitgedächtnisse einzelner Kollektive verstehen, die darin Erfahrungen ihres Überlebens unter spezifischen Umweltbedingungen gespeichert haben. Jedes Mitglied des Kollektivs erhält auf diese Weise im Laufe seines "Enkulturationsprozesses" das für seinen Kontext wichtige Wissen überliefert, so daß er es sich nicht erst durch Versuch und Irrtum neu aneignen muß.

1.4.2 Kultur als sozialer Bezugsrahmen ("Identität")

Kultur kann auch gesehen werden als sozialer Bezugsrahmen, d. h. als ein abgegrenztes Spielfeld, auf dem festgelegte Spielregeln gelten und in dem jedem Mitspieler die Mitgliedschaft (und damit eine kulturelle bzw. kollektive Identität) zuerkannt und eine bestimmte Rolle zugewiesen wird. Aus der Perspektive des Mitglieds ergibt sich so die Möglichkeit, diese Zugehörigkeit nicht nur rational, sondern auch emotional zu akzeptieren und sich mit einem Kollektiv (z. B. einem Stamm, einer Nation, einem Staat) zu identifizieren. In traditionalen Gesellschaften spielt diese Identifikation eine größere Rolle als in modernen, in denen man nicht nur ein möglichst angepaßtes Mitglied eines Kollektivs (z. B. ein richtiger Bayer) sein möchte, sondern auch eine individuelle Persönlichkeit, deren Selbstwert nicht ausschließlich von der Identifikation mit dem Kollektiv abhängt.

Diese Identifizierung ist in modernen Gesellschaften deshalb nicht unproblematisch: Gerade in Krisenzeiten neigen Menschen, denen es an Selbstbewußtsein mangelt, dazu, ihre Kollektivzugehörigkeit besonders zu betonen und - im Falle zusätzlicher Dümmlichkeit - als eigene Leistung zu interpretieren, die mangels anderer individueller Leistungen - zumeist aggressiv - hervorgekehrt wird. Auf der anderen Seite neigen Menschen mit hoher individualistischer Orientierung in modernen Gesellschaften dazu, ihre kulturelle Identität herunterzuspielen oder zu verleugnen, eine besonders bei Intellektuellen verbreitete Neigung ("Ich bin eigentlich gar kein Deutscher, ich bin nur ich"). Bei interkulturellen Begegnungen kann solche Verleugnung (ebenso wie demonstrativer Nationalismus) beim Partner Irritationen und Ängste auslösen - vor allem wenn er Mitglied einer eher traditionalen Kultur ist -, weil jemand, der sein Herkommen und seine Zugehörigkeit nicht zu erkennen geben will, leicht als jemand gilt, der etwas zu verbergen hat.

1.4.3 Kultur als System von Wissen und Werten

Kultur existiert unabhängig von menschlichen Subjekten in "objektiven" Formen. Dazu gehören so konkrete Sachverhalte wie Kleidung und Schmuck, Werkzeuge und Technologien, gestaltete Landschaften und Siedlungsformen. Dazu gehören aber auch abstraktere Gebilde wie Zeichen und Bedeutungen, Symbole und Gebärden. Und es gehören dazu so hochkomplexe Sachverhalte wie Institutionen und Organisationsformen, Weltbilder und Menschenbilder.

Wichtig ist dabei die Erkenntnis, daß diese objektiven Formen von Kultur nicht bloße Anhäufungen der einzelnen Elemente sind, sondern daß sie in einem "systemischen" Zusammenhang, d. h. in regelmäßigen und regelhaft beschreibbaren Beziehungen stehen. So ist beispielsweise der Sachverhalt "Onkel" keine Eigenschaft eines Menschen, sondern ein Beziehungsverhältnis. Und auch die sprachlichen Zeichen erhalten ihren Sinn nicht aus sich selbst heraus, sondern aus den Beziehungen in denen sie stehen, etwa in Beziehungen zu Dingen und in Beziehungen zu anderen Zeichen.

Es ist nun sinnvoll, den systemischen Zusammenhang einer Kultur unter den Gesichtspunkten von "Wissen" und "Werten" zu gliedern. Wissen ist dabei zu verstehen als jede Art von Information die eine kulturelle Bedeutung hat, sozusagen die Baupläne zur Herstellung der materiellen und symbolischen Gebilde, die eine "objektive" Kultur ausmachen. Werte sind dabei die von den Mitgliedern eines Kollektivs akzeptierten und kollektiven Beurteilungen von Dingen und Sachverhalten.

"Was ist wahr, gut, schön, gerecht etc." Je einheitlicher eine Kultur, desto größer sind die Übereinstimmungen ihrer Mitglieder in bezug auf diese Werte, je differenzierter eine Gesellschaft, desto größere Abweichungen der "Subkulturen" und der Individuen werden toleriert.

Im Begriff des "kulturellen Skripts" werden solche kleinen Einheiten von Wissen und Bedeutungen zusammengefaßt. So gibt es bei uns z. B. ein "kulturelles Skript" für Restaurantbesuch, das sowohl das Wissen über die dabei bedeutsamen Personen und Gegenstände enthält als auch Wissen über akzeptierte Regeln der Qualitätsbewertung, der Kommunikation, des Verhaltens etc. Bewußt wird die Existenz solcher Skripten erst wahrgenommen, wenn bei den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen existieren, z.B. darüber, ob man sich einfach selbst an einen freien Tisch setzen darf oder warten muß, bis der Kellner einem einen Tisch zuweist.

1.4.4 Kultur als selbstregulatives System

In neuerer Zeit hat sich vor allem unter dem Einfluß von Theorien komplexer und dynamischer Systeme und von Evolutionstheorien eine Sichtweise herausgebildet, die Kultur als selbstregulatives System begreift (LASZLO 1988). Damit ist gemeint, daß Kulturen keine von außen, d. h. von einem übergeordneten Bezugssystem (etwa von den Sternen) gesteuerten Systeme sind; Vielmehr sind es komplexe (d. h. aus vielen Subsystemen bzw. Elementen bestehende) Gebilde, die nach innen den Zusammenhang der Elemente und nach außen die Wechselbeziehungen zu ihrer Umgebung regulieren. Wie weit sie dabei einem inneren Plan oder Zweck folgen ("teleologische" Auffassung) oder lediglich ihre Überlebenssicherung durch Herstellung aktueller Gleichgewichte (zwischen der Aufrechterhaltung ihres "Selbst" und der Anpassung an neue Außenanforderungen) betreiben, ist ein offenes Problem.

Als dynamisch gelten solche Systeme deshalb, weil sie sich bei dieser Wechselwirkung mit ihren Umgebungen und bei diesem Bemühen um aktuelles Gleichgewicht weiterentwickeln, d.h. ihren Zustand ändern. Dies kann allmählich in evolutionärer oder sprunghaft in revolutionärer Weise geschehen. Es kann jedoch auch in Devolution und Katastrophe, d.h. im Absterben enden. Autoren wie z.B. Oswald SPENGLER haben solche Kulturzyklen des Aufsteigs und des Absterbens am Beispiel der Antike beschrieben.

Kulturentwicklung und kultureller Wandel sind somit Prozesse, die sich aus dieser systemischen Betrachtungsweise heraus besonders gut interpretieren lassen. Drei Aspekte sind es, unter denen sich Kulturentwicklung beschreiben und begründen läßt:

Was den letzten Punkt anbelangt, so liegt hier ein wichtiger Ansatz für die Entwicklung von Formen interkulturellen Lernens, die beide Aspekte berücksichtigen, die Wirkungen nach außen und die Rückwirkungen nach innen.

1.5 Objektive und subjektive Aspekte von Kultur

Die vier vorstehend aufgeführten Sichtweisen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß der Sachverhalt "Kultur" in zwei Welten angesiedelt ist, in der Außenwelt und in der Innenwelt eines jeden Menschen. Er hat eine doppelte Gestalt, als Objekt und als Repräsentation des Objekts im Bewußtsein von Menschen. Und er ist ein Gebäude ebenso wie ein Bauplan davon. Je nachdem, welche dieser beiden Sichtweisen man wählt, läßt sich der Erkentnisgegenstand "Kultur" erforschen, indem man primär die Erscheinungen in der Außenwelt oder primär Erscheinungen "in den Köpfen von Menschen" beobachtet und analysiert.

Entsprechend sind es auch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, die ihr Hauptinteresse auf diese beiden Aspekte von Kultur richten: Ethnologie und Soziologie sind es, die sich vorwiegend mit den objektiven Aspekten von Kultur befassen, während sich die Interkulturelle Psychologie besonders den subjektiven Aspekten von Kultur zuwendet. Lediglich die Linguistik verküpft beide Aspekte, indem sie zum einen Sprache als objektives System, zum anderen Sprache als Sprachvollzug von Subjekten zu ihrem Gegenstand macht. Die Interkulturelle Didaktik wird beide Aspekte zu bearbeiten haben, da das jeweils anzueignende und zu vermittelnde Wissen und die Kontexte, in denen Wissensaneignung stattfindet die objektive Seite von Kultur repräsentieren, während Aneignungsprozesse und Lerntätigkeiten die subjektive Seite betreffen.

1.6 Kulturelle Orientierungen von Menschen

Wenn wir davon ausgehen, daß Kultur nicht nur in Außenwelten, sondern auch in Innenwelten, d.h. "in den Köpfen" von Menschen existiert, so stellt sich zum einen die Frage, wie sie da hineingekommen ist. Zum anderen ist zu fragen, woher das kam, was da hineingekommen ist. Die Frage nach dem "wie" wird im allgemeinen so beantwortet: durch "Enkulturation", d.h. durch Lernprozesse, die zum einen durch bewußt oder unbewußt gemachte Alltagserfahrungen und Sozialisationsprozesse, zum anderen durch Erziehungsprozesse vermittelt sind. In solchen Enkulturationprozessen werden vor allem Weltbilder und Menschenbilder ("Deutungs- und Erklärungsmuster"), Werte und Normen sowie Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt bzw. übernommen, wird "kulturelle Identität" begründet.

Die Frage nach dem "woher" zielt auf den für einen Menschen jeweils bedeutsamen kulturellen Bezugsrahmen. Sie wurde und wird auch heute noch oft mit dem Hinweis auf "Volk", "Nation" oder "(National-)Gesellschaft" beantwortet. Diese Antwort ist jedoch irreführend, denn es gibt zumindest für die Epoche der Moderne und auf jeden Fall für heutige Europäer mehr als nur einen und auch andere als diesen Bezugsrahmen. In unserem Lande können sich Menschen in ihren kulturellen Orientierungen gleichermaßen als Weltbürger, als Europäer, als Deutsche und als Hessen begreifen.

Der Versuch, eine systematische Antwort auf diese Frage nach den verschiedenen für einen Menschen bedeutsame Bezugsrahmen zu geben verweist auf mehrere Ebenen kultureller Orientierung:

Für Menschen unserer Gegenwart gilt, daß sich nicht nur hinsichtlich der von ihnen auf jeder dieser Ebenen vorhandenen Alternativen unterscheiden, sondern insbesondere hinsichtlich der "Rangreihe", in der diese Ebenen für die bedeutsam sind. Dabei lassen sich gegenwärtig Tendenzen hinzu einer "Partikularisierung" erkennen, d.h. die beiden "subnationalen" Ebenen spielen eine zunehmend größere Rolle für die kulturelle Orientierung von heutigen Menschen.

1.7 Kulturrelativismus und Universalismus

Wir hatten bereitsauf die einfache Formel verwiesen, daß jeder Mensch in bestimmter Hinsicht Ausgehend von dieser einfachen Erkenntnis lassen sich in der europäischen Geistesgeschichte und in den entsprechenden wissenschaftlichen Disziplinen zwei vorfindbare Grundpositionen charakterisieren, je nachdem, welchen dieser Gesichtspunkte sie betonen. Sie werden zumeist mit den Begriffen "Universalismus" und "Kulturrelativismus" bezeichnet.

Universalistische Positionen betonen die Gemeinsamkeit aller Menschen und die Möglichkeit allgemeingültigen Erkennens. Sie sind eng verbunden mit dem Weltbild der Moderne, mit dem Fortschrittsdenken und mit dem Paradigma naturwissenschaftlichen Erkennens ("Die Naturgesetze gelten überall und zu jeder Zeit"). Im Bereich der Naturwissenschaften und in den auf sie aufbauenden Technologien können sich universalistische Positionen daher auch auf erhebliche Erfolge in ihrem Sinne berufen. Angewendet auf moralische und gesellschaftliche Sachverhalte, zeichnen sich universalistische Positionen dadurch aus, daß sie "allgemeine Tugenden" und "Menschenrechte" betonen und für alle Menschen einfordern, sei es als aktuelle Aufgabe internationaler Organisationen ("Menschenrechtskommission"), sei es als Zukunftsaufgabe. Auch wenn sich leicht nachweisen läßt, daß diese "universalistischen" Positionen ein Produkt europäischer Kultur sind, das letztlich auf Ideen der Französischen Revolution zurückführbar ist, finden sie heute weltweit Anerkennung, nicht zuletzt auch als Bewußtsein von der globalen wechselseitigen Abhängigkeit aller Menschen.

Universalistische Positionen haben aber auch ihre Schattenseite: Wer sich im Besitz allgemeingültiger Wahrheiten glaubt, fühlt sich nämlich oft auch im Recht, andere - notfalls auch gegen ihren Willen - mit dem zu beglücken, was ihm selbst lieb und teuer ist. Und so sind universalistische Positionen nicht nur Grundlage humanistischer und humanitärer Orientierungen gewesen (und sind es bis heute noch), sondern konnten und können auch zur Begründung von Missionsdenken, Kolonialismus und Imperialismus dienen. In besondere Widersprüche sind deshalb gerade solche Imperialismen geraten, die das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" als allgemeines Menschenrecht proklamierten und bereit waren, es mit Gewalt von außen (!) durchzusetzen.

Kulturrelativistische Positionen haben sich im 19.Jahrhundert vor allem unter dem Einfluß des Historismus entwickelt, der jede Epoche und jede Kultur als "unmittelbar zu Gott" (HEGEL) ansah, ihr also einen besonderen Eigenwert zusprach, der nicht an einem von außen herangetragenen Maßstab gemessen werden sollte. Im Bereich des Erkennens, vor allem in den Ethnologie, hat dies Methoden der "Binnenperspektive" entstehen lassen, bei denen die Forscher sich bemühen, eine Kultur von innen her zu erkennen und mit ihren eigenen Begriffen und in ihren eigenen Denkweisen zu analysieren. Damit verbunden ist die Anerkennung prinzipieller Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Einzelkulturen, das Prinzip der Nichteinmischung und gegebenfalls - und hier liegt der innere Widerspruch dieser Position - die Konservierung von Traditionen durch Hilfen von außen.

1.8 Anthropologien wissenschaftlicher Disziplinen

Im 20. Jahrhundert entstehen im Rahmen von immer mehr Wissenschaften "Anthropologien", im besonderen philosophische, biologische, medizinische, pädagogische, theologische und Kultur-Anthro-pologien, (Ethnologie). "Welche Lösungen finden abgrenzbare menschliche Kollektive, um bei gegebener Instinktausstattung und unter gegebenen Umweltbedingungen in evolutionärer Weise zu überleben und Identität zu bilden?" Und: "Lassen sich im Vergleich verschiedener Kulturen Eigenschaften feststellen, die allen Kulturen gemeinsam sind (sog. "Invarianten")?"

1.9 Folgerungen für interkulturelle Didaktik

Wer in interkulturellen Kontexten didaktisch Handelnder ist, gerät regelmäßig in Ausein-andersetzungen um moralische, politische und ideologische Positionen und muß seine eigene Position klären. Diesen Auseinandersetzungen liegen letzten Endes immer auch unterschiedliche Annahmen über die Natur und die Kultur des Menschen zugrunde, die in politischen Optionen, z. B. in bezug auf Gleichheit und Ungleichheit, Anlage und Umwelteinfluß, Eingriff und Schonung ihren Niederschlag finden.

Aus unseren bisherigen Überlegungen lassen sich vor allem diese Folgerungen für die Interkulturelle Didaktik ziehen:

Schließlich sind Didaktiken selbst immer auch kulturelle Antworten auf die vorgegebene Erziehungs- und Lernbedürftigkeit des Menschen. Ferner sind Didaktiken geistige Werkzeuge, mit denen Einzelkulturen und Wissenschaften ihre kollektive Erfahrung als "kulturelles Erbe" speichern und überliefern.

2. Homine Eigenschaften (anthropologische Grundlagen)

GRUNDBEGRIFFE: Den folgenden Ausführungen zum Thema "anthropologische Grundlagen Interkultureller Didaktik" sei die folgende Definition zur Vorstrukturierung der anschließenden Darstellung vorangestellt:

"Unter den anthropologischen Grundlagen Interkultureller Didaktik sind wissenschaftliche Erkenntnisse über den Menschen als Gattung zu verstehen, insbesondere solche über das Verhältnis seiner natürlichen und "kultürlichen" Eigenschaften, wie sie vor allem von der biologischen Anthroplogie, der philosophischen Anthropologie und der Kulturanthropologie gewonnen wurden."

Kernfrage ist demnach die Frage nach dem Verhältnis der Eigenschaften, die der Mensch "von Natur aus" und "von Kultur aus" hat. Deshalb wäre es sinnvoll, auch hierzu einleitende Definitionen voranzustellen. Auf einen solchen Versuch wird jedoch verzichtet, denn allein bei KROEBER & KLUCKHOHN (1952) ca. 160 Definitionen des Begriffs "Kultur" bzw. "culture". Stattdessen sei empfohlen, im "Grimmschen Wörterbuch der Deutschen Sprache" unter den Begriffen "Natur", "Kultur", "Geist", oder "Seele" nachzuschlagen. Dort lernt man nicht nur die Vielfalt, sondern auch die Evolution dieser Begriffe im deutschen Sprachraum kennen.

2.1 Das Wolfskind von Aveyron

Um 1800 wird in Südwestfrankreich ein Kind gefunden, das offenbar ausgesetzt und von Wölfen aufgezogen worden war. Ein Arzt, Itard, nimmt sich seiner an, versucht sein Verhalten zu erkennen und zu analysieren und führt die verschiedensten Ansätze und Versuche durch, um aus diesem Kinde "einen Menschen" zu machen", denn offenbar erinnert das Verhalten des Kindes eher an das eines Tieres.

Mit diesem Vorfall wird die bis dahin eher mit theologischen und philosophischen Argumenten geführte Diskussion um das Wesen des Menschen auf eine empirisch-naturwissenschaftliche Basis gestellt. Aus dem Vorfall, der einige Jahrzehnte später durch den in völliger Isolation aufgewachsenen "Kaspar Hauser" eine Art Wiederholung fand, ergaben sich bestimmte, für die Epoche wichtige Erkenntnisse:

2.2 Was ist der Mensch "von Natur aus" und "von Kultur aus"?

Die Frage nach dem, was der Mensch als Gattungswesen ("homo sapiens, sapiens") denn sei, wird in wohl allen Kulturen gestellt; in der europäisch-abendländischen Kultur wurde und wird sie zunächst im Rahmen christlich-theologischer und philosophischer Bezugssysteme beantwortet. Dabei spielten dualistische Vorstellungen vom "Leib"-Seele"-Wesen bzw. vom "Materie"-"Geist"-Wesen eine zentrale Rolle.

Seit dem 18. Jahrhundert konzentrierten sich die Philosophen dann auf die Fragestellung, was denn der Mensch "von Natur aus" sei und was die Kultur bzw. die Gesellschaft für ihn bedeutet. Dabei wurde "Naturzustand" zum einen als früher Zustand des Menschseins angesehen - wobei der "edle Wilde" oder das "reine Kind" typische Projektionsfiguren für dieses Idel waren. Sodann wurden darunter historisch frühere Stufen der Menschheitsentwicklung ("Urgesellschaft", "Urhorde") verstanden. Drittens wurde die Eigenschaft des "Naturzustands" auf konkrete außereuropäische Stammesgesellschaften ("Naturvölker", "Primitive") bezogen.

Im 19. Jahrhundert treten naturwissenschaftliche "Anthroplogien" und Theorien, so etwa Darwins Abstammungslehre hinzu. Sie führte vor allem Vertreter naiv-materialistischer Auffassungen dazu, den Menschen nicht nur der biologischen Spezies der höheren Primaten zuzurechnen - was wohl auch heute noch unbestritten ist - sondern sein Verhalten als biologisch determiniert zu betrachten, als Produkt angeborener Instinkte und Reflexe. Diese Auffassungen stießen vor allem in religiösen Kreisen auf Ablehnung, die den Menschen als das Geschöpf des siebten Tages, den mit Geist begabten Herrn der anderen Geschöpfe ansahen und ihm von seinem Geist, nicht von seiner Materie her definierten. Dieser Streit, der in eingen Staaten der USA, in denen die Lehre Darwins bis heute nicht verbreitet werden darf, fortdauert, wurde erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf eine neue Ebene gehoben, als der Biologe Adolf PORTMANN, die biologische Sonderstellung des Menschen in der Gruppe der höheren Primaten mit naturwissenschaftlichen Argumenten belegte.

Sodann weist PORTMANN darauf hin, daß die neuere Biologie bei der Bestimmung einer Art sich nicht mehr nur an deren physiologischen Merkmalen orientiert, sondern auch an deren Verhalten, und auch in dieser Hinsicht lassen sich deutliche Unterschiede zu höheren Primaten aufweisen, insbesondere sind es die besonderen "hominen" Eigenschaften der Sprache und des umfassenden Werkzeuggebrauchs.

Schließlich aber nennt PORTMANN als eine wesentliche Gattungseigenschaft des Menschen dessen "Selbst-Bewußtsein", d. h. seine Fähigkeit, "sich selbst" zum Gegenstand zu machen. Der Mensch hat also die Eigenschaft, ein "Selbst" sein zu können, das sich - reflexiv, reflektierend und bewußt - zu sich selbst verhalten kann ebenso wie zu seiner Umwelt.

Diese biologische Sonder-Eigenschaft des Menschen, eine biologische Frühgeburt zu sein, macht seine Schwäche und Stärke zugleich aus: Er bedarf nach seiner Geburt einer intensiven Pflege durch die soziale Gruppe und eine kulturelle Umwelt und verfügt erst am Ende des ersten Lebensjahres (des "extrauterinen Frühjahres") über die für ihn charakteristischen Eigenschaften: den aufrechten Gang und die Fähigkeit zum Umgang mit Werkzeugen und Symbolen. Auf der anderen Seite verfügt er über die Möglichkeit, als "biologischer Nichtspezialist" sich einem breiten Spektrum natürlicher und kultürlicher Umwelten nicht nur anzupassen, sondern durch deren Gestaltung und Veränderungen diese an seine eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Diese Auffassung erhielt eine weitere Stütze aus dem Bereich der philosophischen Anthropo-logie. Hier war es Arnold GEHLEN, der die Auffassung vom Menschen als "biologisches Mängelwesen" und als "biologisch-physiologische Frühgeburt" aufgriff und "Kultur" als die für den Menschen spezifische (zweite) natürliche Umgebung charakterisierte.

GEHLEN bringt die Charakterisierung der Gattunge Mensch auf den Begriff von der "Natürlichkeit des Kulturellen", d. h. der Mensch ist von Natur aus ein Kulturwesen.

Dies leitet dann über zu jener von GEHLEN entwickelten Bestimmung von "Kultur" als der "vom Menschen handelnd veränderten Natur".

2.3 Das genetische Programm des Menschen

Die besonderen Eigenschaften des Menschen, vor allem seine "Weltoffenheit", seine "Lernbedürftigkeit" und seine "Selbst-Bewußtheit" wird jedoch nicht nur durch makrobiologische Analysen seiner Eigenschaften und seines Verhaltens gestützt, sondern auch durch mikrobiologische Analysen seiner Entwicklung und seines Denkapparats. In seinem Buch "Neuland des Denkens" hat der Biochemiker, Genforscher und Ökologe Frederic VESTER bemerkenswerte Erkentnisse dargestellt, die die oben dargestellten Auffassungen stützen und erweitern.

Was den Aufbau eines lebenden Organismus aus den Genmolekülen anbelangt, so geht die Natur hier nicht wie ein Architekt vor, der den Plan für das schlüsselfertige Haus herstellt, von dem beim Bauen nicht im geringsten abgewichen werden darf, sondern wie ein "Entwicklungs- architekt", der zwar die Grundregeln seines Faches beherrscht und der über einen Grundplan verfügt, der jedoch beim Bauen noch Anregungen und Probleme verarbeiten kann, bevor und während er die endgültigen Schritte ausführt. Warum diese Offenheit des genetischen Programms eine weise Einrichtung der Schöpfung ist, geht aus der folgenden Stelle hervor:

Beim Aufbau eines menschlichen (wie auch anderen) Organismus kommt es so zu einem Wechselspiel zwischen den durch das offene genetische Programm vorgegebenen Spielregeln, dem zu dem jeweiligen Zeitpunkt bereits gegebenen Zustand des Organismus und der Außenwelt.

Dieses Prinzip der Wechselwirkung von offenem genetischen Programm, Entwicklungsstand und kybernetischer Rückkopplung mit Außenreizen gilt jedoch nicht nur für die Zeit vor der Geburt, sondern auch für die ersten Lebensmonate, in denen sich die Grundstruktur des menschlichen Gehirns aufbaut.

VESTER faßt diesen mikrobiologisch-gentheoretischen Ansatz wie folgt zusammen.

2.4 Deterministische und nicht-deterministische Auffassungen vom Menschen: Fremdbestimmung und Selbstbestimmung

Diese auf mikrobiologischen Erkenntnissen beruhende Argumentation VESTERs weist ebenso wie das von PORTMANN und GEHLEN formulierte Prinzip von der Weltoffenheit des Menschen auf eine von naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Seite begründete anthropologische Grundauffassung hin, der wir uns in unseren folgenden Überlegungen anschließen werden. Sie besagt, daß die Entwicklung des Menschen von den Genzellen bis ins Erwachsenenalter weder durch einen genetisch im einzelnen festgelegten Bauplan, noch durch äußere (kulturelle) Einflüsse festgelegt (determiniert) ist. Er ist vielmehr in jeder seiner Entwicklungsphasen als ein komplexes und dynamisches System - ein "Selbst" - anzusehen, das nach dem Prinzip der Rückkopplung zwischen seinen inneren Tendenzen und den jeweils wirkenden äußeren Bedingungen sein Gleichgewicht sucht.

Bei dieser Option für ein nicht-deterministisches Menschenbild geht es um nicht weniger als eine Antwort auf die von Philosophen und Theologen seit jeher gestellte Grundfrage nach der Natur des Menschen: "Wie weit ist der Mensch frei und in welchem Umfang ist sein Handeln und Verhalten festgelegt, sei es biologisch, sei es kulturell ?" Auffassungen, nach denen der Mensch in seinem Verhalten als ganz oder weitgehend festgelegt betrachtet wird, bezeichnet man als "deterministisch". Auffassungen, nach denen er in erheblichem Maße über seine Persönlichkeit, über sein Verhalten und sein Schicksal selbst bestimmen kann, bezeichnet man als "nicht-deterministisch". Für sie werden Bezeichnungen verwendet, in denen die Begriffe "Selbsttätigkeit", "Freiheit", "Autonomie", "Spontaneität", "Selbstbestimmung" und "Eigen-verantwortlichkeit" eine zentrale Funktion einnehmen.

Was deterministische Auffassungen vom Menschen anbelangt, so spielen zwei Arten des Determinismus bis in unsere Gegenwart hinein eine wichtige Rolle: Bio-Determinismus und Sozio-Determinismus. Im einen Falle wird der Mensch angesehen als festgelegt durch seine (individuellen oder kollektiven) Erbanlagen, im anderen Falle als festgelegt durch Wirkungen seiner "Umwelt". Besonders in der "Begabungsdebatte" und in der Frage um schulische Auslese, um Gesamtschule und um die Zuteilung von Bildungschancen treten beide Positionen oft in einen sehr unfruchtbaren und in aller Regel wissenschaftlich wenig begründeten Schlagab- tausch.

Der französische Philosoph Jean-Paul SARTRE hat die Vertreter beider Varianten - des Biodeterminismus und des Soziodeterminis-mus -, die sich wie Erbfeinde gebärden, eines heimlichen Verschwörertums angeklagt. Indem sie den Menschen einredeten, daß sie nur die Wahl hätten zwischen Bio- und Sozio-Determinismus, lenkten sie sie von der Einsicht ab, daß es eine Alternative zum Determinsmus selbst gibt: das Prinzip der Selbstbestimmung.

Vertreter von nichtdeterministischen Positionen betonen demgegenüber stets, daß der Mensch (im Unterschied zum Tier) auf Grund seiner Nichtfestgelegtheit durch Instinkte und seiner "Weltoffenheit" nicht nur wählen und entscheiden kann, sondern entscheiden muß, auch wenn die Entscheidung darin besteht, die Entscheidung anderen, dem Zufall oder den Augenblicksstimmungen zu überlassen. Dies gilt im besonderen für die Entscheidung über seine eigene Persönlichkeit. Diese Positionen muten dem Menschen zu, ein Selbstbild, einen "Selbstentwurf" zu entwickeln und sich selbst nach diesem Entwurf zu gestalten. Er wird damit als selbstverantwortlich und schuldfähig charakterisiert, ihm erwächst aus dieser Eigenschaft jedoch auch seine besondere Würde.

Vor allem die Konsequenzen für die Moral sind deutlich: Während Anhänger deterministischer Auffassungen im Falle von Fehlverhalten "Triebe" oder "äußere Umstände" ins Feld führen können, können Anhänger des Prinzips der Selbstbestimmung auf diese Entlastungsgründe nicht zurückgreifen.

Anzumerken ist jedoch, daß nicht-deterministische Positionen ein Kind der modernen europäischen Kultur zu sein scheinen und in anderen Kulturen in dieser Form nicht vorkommen. Aber auch in der europäischen Moderne haben sie sich erst relativ spät herausgebildet.

2.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kulturen ("Invarianten")

Die bisherigen Überlegungen haben ergeben, daß der Mensch als Gattungswesen weltoffen, "kulturbedürftig" und mit Selbstbewußtsein ausgestattet ist. Es stellt sich nun die Frage, wie weit es über diese biologisch bedingten Gemeinsamkeiten aller Menschen weitere Gemeinsamkeiten gibt, welche die Art und Weise betrifft, wie Menschen Kultur verwirklichen. Oder vom Ergebnis her gefragt: Was haben alle Kulturen gemeinsam und worin unterscheiden sie sich?

Im Kurs 2 sind wir bereits im Zusammenhang mit dem Kultur-Fragebogen von KLUCKHOHN & STRODTBECK auf diese Frage gestoßen. Wir fanden dort 5 große Fragenkomplexe, auf die jede Kultur in irgendeiner Weise Antworten zu geben hat. Andere Ethnologen haben differenziertere Klassifikationen vorgelegt. So hat z.B. Bronislaw MALINOWSKI (1944) das folgende Modell vorgelegt, welches sieben "Grundbedürfnisse" mit sieben "kulturellen Antwortbereichen" koppelt:
 

Grundbedürfnis Kulturelle Antwort
1. Grundumsatz (Mitabolisms) 1. Versorgung
2. Fortpflanzung 2. Verwandtschaft
3. Körperliches Wohlbefinden 3. Bedeckung
4. Sicherheit 4. Schutz
5. Bewegungsbedürfnis 5. Tätigkeit
6. Entwicklung 6. Erziehung
7. Gesundheit 7. Hygiene
Etwa gleichzeitig entwickelte MURDOCK (1945) eine Liste kultureller Universalien, die 73 Elemente enthält, welche nach 5 Kategorien gegliedert sind:
 
Individuelles Verhalten Körperschmuck 
Gestik und Mimik 
Haartracht 
Personennamen etc.
Sozialverhalten Tanz 
Begräbnis 
Gastfreundschaft 
Scherz etc.
Soziale Kontrolle und Erziehung Altershierarchie 
Arbeitsteilung 
Nahrungstabus 
Bestrafung 
Sexuelle Beschränkungen 
Regierung etc.
Technologie Kalender 
Kochen 
Medizin 
Handel 
Meteorologie etc.
Kollektive Glaubensüberzeugung Kosmologie (Weltbild) 
Wahrsagen / Vorhersagen 
Religion 
Traumdeutung etc. 
Die Auffassung, daß es sich dabei um "kulturelle Universalien" handelt, d. h. um Sachverhalte, die in allen Kulturen feststellbar sind - wenn auch in verschiedener Form und Qualität - ebenso wie die Annahme daß diese Liste vollständig ist, wurde von anderen Autoren bestritten. Wichtig ist für uns lediglich die Erkenntnis, daß es offenbar - bedingt durch die Natur des Menschen - in allen Kulturen zur Ausbildung bestimmter Funktionen und Bereiche gekommen ist, wobei die Gemeinsamkeit im "daß" besteht, während die Verschiedenheit im "wie" zum Ausdruck kommt.

2.6 Individuelle Unterschiede aufgrund von Erbanlangen

Gehen wir nun von den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Kulturen zu den Unterschieden zwischen einzelnen Menschen über. Was allen Menschen gemeinsam ist, haben wir bereits erörtert, ebenso daß sie ihrem Aussehen und ihrem Verhalten nach verschieden sind. Bei der Suche nach den Gründen für solche Verschiedenheit stoßen wir in unser Kultur auf unterschiedliche Deutungsmuster: Verschiedenheit auf Grund von göttlicher Gnade ("begnadeter Künstler"), von Familienherkunft, von eigner Tüchtigkeit oder von blindem Zufall.

Im Zusammenhang von Didaktik spielt schon seit langem das biologische Deutungsmuster der "Begabung" eine besondere Rolle, d. h. die Frage, wie "bildsam", lernfähig und leistungsfähig die einzelnen Menschen - besonders in geistiger Hinsicht - auf Grund ihrer individuellen Erbanlagen bestimmt sind. Dabei werden "Erbanlagen" oft als Fortschreibung von Familieneigen- schaften verstanden. Einer Argumentation von RITTER & ENGEL (1969) folgend läßt sich diese Frage derzeit wie folgt beantworten:

Diese Argumentation bestätigt zwar den trivialen Sachverhalt, daß die Grundlagen für menschliche Eigenschaften vererbt werden. Sie untermauert jedoch den Befund, daß in Bezug auf die geistigen Eigenschaften des Menschen über den Inhalt des Vererbten und über seine Beziehungen zu beobachtbaren intellektuellen Eigenschaften und Leistungen derzeit keine wissenschaftlich begründeten Aussagen gemacht werden können. Sie läßt sich durch die folgenden weiteren Erkenntnisse ergänzen: Daraus lassen sich dann drei wesentliche Schlußfolgerungen für didaktisches Handeln ziehen:

2.7 Das Erkenntnisparadox

Wer sich mit anthropologischen Grundfragen beschäftigt, befindet sich notwendigerweise in einem "Erkenntnisparadox": Er muß mit Hilfe seine Denkapparats, also mit Hilfe seines Gehirns, Aussagen über sein Gehirn machen. Und er muß auf der Grundlage seines kulturellen Selbstverständnisses und seines Kulturbegriffs über Kultur nachdenken. Dieses Paradox ist prinzipiell nur dadurch lösbar, daß man die dem Menschen gegebene Fähigkeit zur Selbstreflexion nutzt und damit einen Weg findet, wie man sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zieht, eine Möglichkeit, die in der physikalischen Welt nicht besteht, die allerdings auch für die Welt des Geistes von verschiedener Seite bestritten wird.

2.8 Konsequenzen für Interkulturelle Didaktik

Die hier dargestellten Erkenntnisse zur Anthropologie sind für Interkulturelle Didaktik auf mehrfache Weise bedeutsam. Zum einen dienen sie dazu, populäre und eigene Auffassungen vom Menschen aufzuklären. Insbesondere betroffen hiervon sind die Auffassungen von dem, was allen Menschen gemeinsam ist und was sie trennt:

3. Kulturtheorien

GRUNDBEGRIFFE: 

3.1 "Etische" und "emische" Positionen

Es gibt eine Vielzahl von Autoren, die sich in den vergangenen 200 Jahren darum bemüht haben, nicht nur zu bestimmen, was Kultur sein soll, sondern auch darum, wie man Kulturen unterscheiden kann. Im Gegensatz dazu gibt es Autoren, die eine Charakterisierung von Kulturen nach externen Maßstäben mit Ansprüchen auf Allgemeingültigkeit ablehnen und behaupten, daß sich jede Kultur nur aus sich selbst heraus erfassen läßt, nicht "von außen". Dieser Prinzipienstreit zwischen "etischen" (außenorientierten) und "emischen" (binnenorientierten) Positionen, der vor allem in der Ethnologie geführt wird, kann an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Er soll jedoch bewußt bleiben, wenn im folgenden Klassifikationsvorschläge von drei neueren Autoren erwähnt werden, die für die Interkulturelle Didaktik wichtige Erkenntnisse liefern.

3.2 Kulturbegriff

3.2.1 Kulturelle Überlieferung

Kulturelle Überlieferung vollzieht sich dadurch, daß

Wechselwirkungen vermitteln diesen Prozeß, wobei die Vermittlung von Bedeutungen Auch kulturelle Überlieferung folgt dabei dem (bereits für die biologisch-genetische Überlieferung festgestellten) Prinzip der relativen Offenheit, das sowohl die Anpassung an neue Zustände der Außenwelt als auch die Ausdifferenzierung endogener Zustände vorsieht und somit Kulturtransfer und Kulturentwicklung ermöglicht.

3.2.2 Wissensarten

Wissensvorräte, die überliefert werden, umfassen

Orientierungswissen ("gewußt, daß" - "knowthat"):
Wissen, das jemand erwirbt, um sich in der Welt, bzw. auf einem Gebiet zurechtzufinden, ohne schon in spezifischer Weise tätig zu werden. Wer Orientierungswissen hat, weiß, daß es den betreffenden Sachverhalt gibt. Er hat meistens auch eine erste Einstellung dazu und kann den Sachverhalt in eine geistige Schublade einordnen. Orientierungswissen läßt sich gliedern in

Handlungswissen ("gewußt, wie" - "knowhow"):
Wissen, das sich auf reales Handeln von Menschen, also Praktiken, Techniken, Methoden, Strategien etc., bezieht. Handlungswissen kann sich auf traditionales Handeln beziehen, das durch kulturelle Überlieferung vermittelt und hinterfragt angewendet wird. Es kann sich aber auch auf zweckrationales Handeln beziehen, bei dem Praxis aus rationalen Einsichten (z. B. wissenschaftlichen Erkenntnissen) abgeleitet oder begründet wird. Handlungslungswissen beinhaltet Wissen über: Erklärungs- oder Deutungswissen ("gewußt, warum" - "knowwhy"):
Deutungs- und Erklärungswissen ist Wissen darüber, wie man sich selbst oder anderen eigenen fremde Erfahrung deutet oder erklärt. Erklärungswissen setzt deshalb stets Erfahrung voraus. Dies muß nicht notwendigerweise äußere Erfahrung sein, es kann sich auch um "innere" Erfahrung handeln. Erklärungswissen entsteht aus der Reflexion, dem "Nach-Denken" über Wahrnehmungen, Handlungen und Ereignisse. Deutungs- und Erklärunswissen ist allgemein verfügbar in Form von Quellenwissen ("gewußt, wo" - "knowwhere"):
Wissen über Informationsquellen. "Gewußt wo" ist oft ebenso wichtig wie "gewußt was" oder "gewußt wie". Die Aneignung von Quellenwissen umfaßt insbesondere das Kennenlernen von 3.2.3 Wertvorstellungen

Die überlieferten Wertvorstellungen umfassen Sachverhalte, die wir in der deutschen Umgangssprache bezeichnen als "Bedeutungen", "Weltanschauungen", "Bewertungen" ("Valenzen"), "Einstellungen" ("Attituden"), "Stereotypen", "Verhaltenserwartungen", "Rollenvorschriften", "Normen" und "Ideale".

3.3 Die Charakterisierung von Kulturen nach ihrer Artikulation von Raum und Zeit (nach HALL & HALL 1990)

HALL & HALL (1990) weisen darauf hin, daß sich Kulturen vor allem dadurch erschließen, daß man analysiert, wie sie mit Raum und Zeit umgehen bzw. welche Vorstellung von Raum und Zeit sie haben:
Raum Zeit
- Territorialität - Monochronische u. polychronische Zeit
- Persönlicher Raum - Zeit-Raum-Beziehung(Geschwindigkeit)
- Sinnliche Raumerfahrung - Informationsgeschwindigkeit
- Unbewußte Reaktion auf Entfernungen - Vergangenheits-/Zukunftsorientierung
- Tempo, Rythmus, Synchronie
- Zeitplanung
- Pünktlichkeit
- Zeitvereinbarungen

3.4 Die vier Kulturdimensionen von HOFSTEDE

Für die Interkulturelle Didaktik, insbesondere für die Entwicklung von Methoden des interkulturellen Trainings, spielt gegenwärtig die Klassifikation von HOFSTEDE (1980) eine besondere Rolle, da sie sich auf Wertvorstellungen bezieht, die im modernen (industriellen) Sektor unterschiedliche Qualitäten (z. B. von Unternehmenskultur) bestimmen. HOFSTEDE unterscheidet vier "Dimensionen", nach denen sich Wertvorstellungen von Kulturen (bzw. Subkulturen) unterscheiden lassen, und zwar

3.5 Die fünf Lebensstile nach THOMPSON, ELLIS und WILDAVSKY

Einen wichtigen Beitrag zur Klassifikation von Wertvorstellungen haben THOMPSON u. a. (1990) geliefert. Sie unterscheiden zwischen fünf global verbreiteten "Lebensstilen", und zwar: Diese Klassifizierung ergibt sich durch die Einstellung zu den beiden Kriterien Gruppenzugehörigkeit und Rangordnung:


 

3.6 Theoretischer Bezugsrahmen (Abstraktionsebenen) für Wertvorstellungen nach TRIANDIS (1972, S. 18)

Bei kulturspezifischen Wertvorstellungen bzw. Kulturstandards handelt es sich um komplexe Sachverhalte. Triandis (1972) hat hierfür ein Mehrebenen-Modell entwickelt, das wie folgt zwischen niederen und höheren Ebenen von Wertvorstellungen unterscheidet.
 
 
 
LOW LEVEL OF ABSTRACTION   HIGH LEVEL OF ABSTRACTION

 

3.7 Kulturtransfer

Kulturtransfer findet statt, wenn sich eine Kulturgemeinschaft Wissen und Wertvorstellungen einer anderen aneignet (z. B. Christianisierung, Modernisierung, Amerikanisierung). In der europäischen Geschichte hat Kulturautausch eine lange Tradition: Römer und Griechen, Römer und Germanen, Germanen und Kelten, Araber und Südeuropäer, Westeuropäer und Osteuropäer lernten voneinander, teils in friedlichen, teils in kriegerischen Kontakten. Dabei gab es immer auch "Modewellen": Der englische Park, der Webstuhl und die Akupunktur sind Beispiele für eine große Vielzahl von Fällen wechselseitigen Lernens und "Kulturtransfers" bzw. "Wissenstransfers".

3.8 Kulturentwicklung

Kulturentwicklung findet statt, wenn es einer Kulturgemeinschaft gelingt, sowohl ihre Identität zu wahren und weiterzuentwickeln, als auch sich neuen Anforderungen (vor allem solchen, die sich aus Kulturkontakt ergeben) zuzuwenden und anzupassen.

3.9 Folgerungen

Für interkulturelle Didaktik ergeben sich aus diesen Überlegungen folgende Handlungsperspektiven:

4. Die kulturelle Bedingtheit psychischer Funktionen, insbesondere des Denkens und Lernens

GRUNDBEGRIFFE: 

4.1 Grundannahmen

Anknüpfend an unsere These vom "Erkenntnisparadox" können wir davon ausgehen, daß die Erkenntnisse der "modernen" (anglo-europäischen) Psychologie mit Denkapparaten gewonnen wurden, die von der anglo-europäischen Kultur geprägt wurden. Aussagen über das Denken und Lernen in anderen Kulturen sind deshalb nicht "objektiv", sondern "kontrastiv". Sie beruhen in der Regel auf folgenden Grundannahmen:

4.2 Unterschiede zwischen Kulturen

Die interkulturell-psychologische Forschung (kulturvergleichende Psychologie, cross-cultural Psychology) hat eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert reicht. Sie bemüht sich vor allem darum, psychische Eigenschaften von Mitgliedern einer Kultur festzustellen und sie mit denen von Mitgliedern anderer Kulturen zu vergleichen, um so Aussagen über die kulturelle Bedingtheit psychischer Eigenschaften zu machen. Dabei konzentrierte sie sich vor allem auf die folgenden vier Aspekte:

4.3 Kulturelle Bedingtheit der Wahrnehmung

Festzustellen ist zunächst, daß jeder Mensch die Außenwelt selektiv wahrnimmt, wobei dasjenige, was für ihn größere Bedeutung hat, eher, besser, schneller etc. wahrgenommen wird. Da solche Bedeutungen immer auch kulturell und sprachlich vermittelt werden, sind Wahrnehumgen kulturell beeinflußt. So unterliegen beispielsweise Angehörige von Kulturen, in denen zweidimensionale Abbildungen dreidimensionaler Objekte nicht üblich sind, der sog. Müller-Lyerschen Täuschung weniger stark:

4.4 Kulturelle Bedingtheit der Begriffs- und Modellbildung

Da die Bildung von Begriffen und Modellen (Deutungsmustern) eng mit der Sprache verbunden ist, ist ihre kulturelle Bedingt-heit plausibel. So bilden z.B. Eskimos differenziertere Begriffe als einfach "Schnee", um dasjenige begrifflich zu fassen, was Flachlanddeutsche als Schnee sehen (Alpenländer jedoch als "Harsch", "Firn" oder "Sulz"). Diese Begriffsbildung schlägt jedoch nicht notwendigerweise auf die unterscheidende Wahrnehmung durch. Wie Untersuchungen mit Farbadjektiven zeigen, können auch Angehörige von Kulturen, die über keine oder andere Farbadjektive verfügen, Farbunterschiede ebensogut wahrnehmen.

4.5 Kulturelle Bedingtheit des Gedächtnisses

Die von der älteren Ethnologie gelegentlich verbreitete Auffassung, daß Angehörige schriftloser Kulturen über ein besseres Gedächtnis verfügen, weil sie alles "im Kopf behalten" müssen, hat sich nicht bestätigt. Beim Erlernen sinnloser Silben zeigen sie eher schwächere Behaltensleistungen, da offenbar die Fähigkeit, sinn-entkoppeltes Wissen zu behalten, ein Ergebnis des Modernisierungsprozesses ist. Wohl aber läßt sich feststellen, daß in jeder Kultur die Dinge besonders gut behalten werden, die für das Leben in ihr von Bedeutung sind: für nomadische Viehzüchter Eigenschaften ihrer Tiere, für Mitteleuropäer Eigenschaften von Autos.

4.6 Kulturelle Bedingtheit von Persönlichkeitsmerkmalen

Die interkulturell-psychologische Forschung hat darüber hinaus weitere Aspekte untersucht, im besonderen Intelligenz, kognitive Stile, Lernstile, Problemlösungsfähigkeit und Wertvorstellungen. Dabei erweisen sich Untersuchungen, die das Persönlichkeitsmerkmal "Feldsensi- bilität"-"Feldunabhängigkeit" in den Mittelpunkt stellen, als ein offensichtlich ergiebiger Forschungsansatz.

4.7 Folgerungen für die Interkulturelle Didaktik

Auf Grund der oben genannten Erkenntnisse sollte des halb jeder, der in interkulturell-didaktischen Kontexten verstehend und handelnd tätig sein will,

5. Die Entwicklung der "interkulturellen Persönlichkeit"

GRUNDBEGRIFFE: 

5.1 Die gattungsbedingt "ethnozentrische" Grundorientierung des Menschen

Der Mensch ist von Hause aus "ethnozentrisch", d. h. er betrachtet die Gesellschaft, in der er aufwächst, als die beste aller möglichen. Dies ist ein an sich sinnvoller Überlebensmechanismus, der dem Überleben der Art Vorrang einräumt vor dem Überleben des Individuums. Er schließt beispielsweise auch die Möglichkeit ein, daß einzelne sich für andere zu opfern bereit sind. Andererseits kann er dazu mißbraucht werden, Menschen, die nicht zur eigenen Bezugsgruppe gehören, zu Feinden zu erklären und ihnen sogar die Eigenschaft abzusprechen, überhaupt Mensch zu sein.

5.2 Kulturelle Identität

Nach ADLER (1974) ist kulturelle Identität eine Bezeichnung für die Selbsterfahrung und das Selbstbewußtsein eines Menschen, insofern es die Weltanschauung, das Wertsystem, die Einstellungen und Überzeugungen jener Gruppe zum Inhalt hat, mit der er diese Eigenschaften teilt.

Von "Kultureller Identität" eines Menschen wird somit gesprochen, wenn für diesen Menschen Werte und Normen (s)einer Bezugskultur selbstverständlich sind und/oder wenn er sie gewohnheitsmäßig akzeptiert.

Der Begriff der kulturellen Identität gehört zu den schwierigsten Begriffen interkultureller Didaktik, weil er in modernen Gesellschaften mehrfach gebrochen ist. Zum einen deshalb, weil es zur Eigentümlichkeit moderner Kultur gehört, der (individuellen) personalen Identität Vorrang zu geben vor kollektiver Identität. Und zum anderen, weil das Kultursystem in sich in hohem Maße ausdifferenziert ist: Abendländische Kultur, Nationalkultur, Regionalkultur, sowie Generations-, Schicht-, religiöse und politische Zugehörigkeit stellen in ihren mannigfaltigen Verbindungen ein vielfältiges Angebot an kulturellen Identitäten dar, das mit der personalen Identität in Wechselbeziehungen tritt und somit verbietet, "saubere" Trennlinien zu ziehen. Hinzu kommt, daß Patriotismus (wie auch sein klei-nerer Bruder, der Lokalpatriotismus) häufig nicht das Ergebnis primärer kultureller Identität sind, sondern eine sekundäre und übersteigerte Ab- und Unart (sekundärer Ethnozentrismus"). Ihm gegenüber sind vor allem Individuen mit schwach ausgeprägter personaler Identität häufig anfällig, so daß dieser "sekundäre Ethnozentrismus" von interessierten Demagogen für Herrschaftszwecke mobilisierbar ist.

5.3 Die gattungsbedingte Möglichkeit, Ethnozentrismus zu überwinden

Die "Plastizität der Anlagen des Menschen", sein biologisches Nicht-Festgelegtsein, schließt aber auch die Möglichkeit ein, den ursprünglichen Ethnozentrismus zu überwinden. Da sich der Mensch der sich verändernden Umwelt in hohem Maße anpassen kann, ist er auf Grund seiner biologischen Anlagen nicht nur in der Lage, sich jeder kulturellen Umwelt, in die er hineingeboren wird, anzupassen. Er ist auch in der Lage, sich Umwelten anzupassen, die nicht monokulturell, sondern multikulturell beschaffen sind.

5.4 Notwendige Lernprozesse

Anpassung an neue Verhältnisse und Vorwegnahme von Veränderungen der Umwelt setzt Lernen voraus. Wenn Menschen, die in sehr frühen Jahren die Erfahrung einer multikulturell geprägten Umwelt machen (z. B. Kinder von kulturverschiedenen Ehepartnern), verlaufen diese Lernprozesse anders, als wenn sie erst in relativ späten Jahren solche Anpassungsaufgaben bewältigen müssen. Der jeweils altersbedingte (emotionale, moralische und intellektuelle) Entwicklungsstand eines Menschen beeinflußt auch die Art des Lernens, durch das er seinen ursprünglichen Ethnozentrismus überwindet.

5.5 Stufen der Moralentwicklung nach KOHLBERG (1973)

Der US-amerikanische Entwicklungspsychologe Lawrence KOHLBERG hat im Anschluß an die Theorie Jean PIAGETs zur Entwicklung des moralischen Urteils bei Kindern und Jugendlichen die folgenden 6 Stufen der Moralentwicklung unterschieden:
 
Stufe Moralisches Urteil nach Differenzierung 
äußeren Ereignissen und Folgen Gehorsam/Strafe 
2 " naiver Egoismus/Hedonismus
3 sozialen Anforderungen Konformismus
4 " Pflichterfüllung
5 inneren (Selbst-)Anforderungen Gesetzlichkeit
6 " Gewissen
Dieser Ansatz wurde und wird vor allem unter dem Gesichtspunkt seiner kulturellen Bedingtheit (als westlich-europäisch) diskutiert und kritisiert.

5.6 Formen der Akkulturation an interkulturelle Kontexte

Als "Akkulturation an interkulturelle Kontexte" wird ein Zustand bezeichnet, in dem ein Individuum in der Lage ist, in interkulturellen Kontexten zu leben, d. h. zu kommunizieren, zu arbeiten, zu fühlen und zu denken. Aber auch die Prozesse, die zu diesem Zustand führen, werden darunter gefaßt. Je nach der Beschaffenheit dieser Kontexte kann es sich dabei handeln um

5.7 Entwicklungsstadien (Entwicklungsstufen)

Diese Entwicklung weg von der ethnozentrischen Persönlichkeit verläuft - wie andere Prozesse der geistig-seelischen Entwicklung des Menschen - nicht stetig, sondern in "Schüben", von Stufe zu Stufe. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Entwicklungsstadien. HOOPES hat sieben solcher Stufen interkultureller Entwicklung herausgearbeitet, die das folgende Schema darstellt:


 
Individuelle (interne) Bedingungen  Externe (Umwelt-) Bedingungen 
- Intelligenzentwicklung - Herrschafts- und Machtverhältnisse
- Moralische Entwicklung  - "Kommunikationsordnung" 
- Interkulturelle Erfahrungen - (Nationale) Vorurteile und Stereotypen 
- Sprachentwicklung und (Fremd-)Sprachenkenntnis - Interkulturelle Erfahrungsmöglichkeiten 
- Auslands- und kulturkundliches Wissen über die eigene Kultur - Implizite kulturelle Annahmen 
Wie das Schema zeigt, beeinflussen eine Reihe von internen und externen Bedingungen die Entwicklung (oder Nichtentwicklung) einer interkulturellen Persönlichkeit.

6. Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen

GRUNDBEGRIFFE: 

6.1 Vorgeschichte

Bis in die Neuzeit vollzog sich die Beschäftigung mit fremden Sprachen und Kulturen im Zusammenhang christlicher Theologie. Die in verschiedenen Sprachen verfügbaren Schriften der Bibel und der Kirchenväter mußten übersetzt und interpretiert werden. Und spätestens am Beispiel von Luthers Bibelübersetzung wurde deutlich, daß "Übersetzen" als Tätigkeit interkultureller Kommunikation nicht "wörtlich" erfolgen kann, sondern kulturell "äquivalente" Bedeutungen zu vermitteln hat.

6.2 Philologien als Sprach- und Kulturwissenschaften

In Europa erwachte mit der Renaissance das Interesse an der griechischen und römischen Antike. Abgesehen von materiellen Objekten (Bauwerken, Skulpturen etc.) waren es vor allem Texte, die das Wissen über diese Kulturen vermittelten. Das Studium dieser Texte wurde vom 18. Jahrhundert Gegenstand spezieller "Philologien" . Im 19. Jahrhundert entstanden dann weitere Philologien, die sich zum einen mit modernen europäischen Sprachen befaßten (Germa- nistik, Romanistik, Anglistik etc.). Es entstanden jedoch auch Philologien, die außereuropäische Sprachen zu ihrem Gegenstand machten (z. B. Indologie).

Diese Philologien bzw. ihre Vertreter befaßten sich schwerpunktmäßig sowohl mit der Schriftform und der Lautform von Sprachen als auch mit den literarisch-belletristischen Inhalten, die sie vermittelten. Kulturkundliche Orientierungen im Sinne von "Auslandskunde" entwickelten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den einzelnen Philologien.

6.3 Fremdsprachendidaktiken

Da die Fremdsprachenlehrer in Europa lange Zeit nicht als Gelehrte betrachtet wurden, sondern an Höfen und in Städten eher den Rang von Reit-, Fecht- und Tanzlehrern hatten, entwickelten sich Fremdsprachendidaktiken zunächst nicht als Wissenschaften, sondern als "Praxeologien". Hinweise darauf finden sich zunächst in Vorworten von Sprachlehrbüchern. Bereits die frühen Sprachlehrbücher, die sich pragmatisch auf Alltagsbewältigung im Ausland richteten, vermittelten jedoch nicht nur Sprache, sondern eröffneten auch kleinere Einblicke in die Lebenswelten derer, die diese Sprache sprachen. Sie waren insofern ein erster Beitrag zum interkulturellen Lernen.

6.4 Medienwissenschaften

Mit der Entwicklung der Massenmedien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) änderten sich weltweit Kommunikationsstrukturen in zweierlei Hinsicht: In neuerer Zeit entstehen in immer schnellerer Folge neue Kommunikationsnetze (z. B. Internet), die es erlauben, gleichzeitig Massenkommunikation und interpersonale Kommunikation zu vermitteln, diese weltweit und damit kulturübergreifend zu gestalten und dabei dem Prinzip der Wechselseitigkeit gerecht zu werden. Für interkulturell-didaktisches Handeln ergeben sich hieraus neue Möglichkeiten, die derzeit noch kaum abzusehen sind oder gar ausgeschöpft werden.

Aufgabe der Medienwissenschaften war und ist es, die Bedingungen, Funtkionen und Wirkungen der Massenmedien und der Massenkommunikation zu analysieren. Dabei liefern sie auch wichtige Erkenntnisse für die Interkulturelle Didaktik:

6.5 Semiotik(en)

Die Semiotik ist eine Wissenschaft (oder Semiotiken sind Wissenschaften), die Systeme von Zeichen und deren Bedeutungen erforscht (bzw. erforschen). Anders als Philologien beschränken sich Semiotiken jedoch nicht auf sprachliche Zeichen und damit auf sprachliche (verbale) Kommunikation, sondern beziehen auch nicht-sprachliche (nonverbale) Zeichen und Zeichensysteme ein, denen Menschen Bedeutungen zuschreiben. Auch diese sind wie verbale Sprachen weitgehend kulturspezifisch und werden deshalb zunächst nur von Angehörigen der gleichen Kultur richtig verstanden.

Bekannte Formen kulturspezifischer non-verbaler Kommunikation sind Mimik (Gesichtsaus- druck) und Gestik (Körperausdruck). Kulturell bedeutsame Zeichen werden jedoch auch bei Formen der paralingualen Kommunikation verwendet, zu der z. B. Lautstärke, Betonung, Geräusche (Schnalzen, Kichern, Schreien etc.) gehören. In einem weiteren Sinne kann non-verbale Kommunikation auch über Kleidung und Schmuck erfolgen, mit denen Informationen über deren Träger vermittelt werden. Ferner gehört dazu ein bestimmter Objektgebrauch (z. B. das Halten einer Zigarette oder die Art des Aufsteigens aufs Pferd). Und schließlich kann auch der Umgang mit Raum (z. B. Körperkontakt, Distanz) und mit Zeit (z. B. Länge der Sprechpausen) Funktionen non-verbaler interkulteller Kommunikation erfüllen.

Da interkulturelle Kommunikation immer auch non-verbale Kommunikation ist und da interkulturelles Lernen immer auch das Erlernen von kulturspezifischen Formen non-verbaler Kommunikation beinhaltet, spielen Erkenntnisse der Semiotik (bzw. von Semiotiken) für inter- kulturell-didaktisches Handeln eine wichtige Rolle.

7. Theorien und Modelle interkultureller Didaktik

Grundbegriffe:

7.1 Didaktiken als Formen segregierten Lernens

Als zoologisches Wesen ist der Mensch (homo sapiens sapiens) nicht nur besonders lernfähig, sondern auch besonders lernbedürftig. Und so verwundert es nicht, daß die Menschheit seit ihren Anfängen eine große Formenvielfalt des Lernens ausgebildet hat. Sie hat nicht nur Lernformen entwickelt, die in andere Tätigkeiten integriert sind (integriertes Lernen), sondern auch Lernformen, die aus dem Zusammenhang dieser Tätigkeiten ausgegliedert und als eigenständige Formen organisierten Lernens gestaltet wurden (segregiertes Lernen).

7.2 Vielfalt der Didaktiken

In Europa waren es sowohl Zünfte und Berufsgruppen als auch Weltanschauungsgemeinschaften, die solche Didaktiken entwickelten. So entstanden beispielsweise um nur einige zu nennen. Bezogen auf geistige Strömungen und Weltanschauungen waren es in Europa sehr unterschiedliche Gemeinschaften, die eigene oder spezifische Didaktiken entwickelten und oder förderten: um auch hier wieder nur eine Auswahl zu erwähnen.

7.3 Praktiker-Didaktiken

Insofern diese Didaktiken Praktiker-Didaktiken sind, zeichnen sie sich durch einen methodischen Kern aus, d. h. durch von ihr bevorzugte spezielle Lernumgebungen, Lernaufgaben, Rollen und Tätigkeiten aus. Sie sind jedoch nie ausschließlich Unterrichtsmethoden in einem nur technischen Sinn, sondern haben immer auch einen für sie bedeutsamen kulturellen Hintergrund. Und sie sind jeweils eingebunden in einen historischen Bezugsrahmen, in "Weltbilder" und "Menschenbilder".

Praktiker-Didaktiken lassen sich insofern beschreiben nach

Der "unterrichtsmethodische Kern" läßt sich erkennen an Lernumgebungen, Lernaufgaben, Rollen und Tätigkeiten.

Der bedeutsame kulturelle Hintergrund von Praktiker-Didaktiken wird gebildet von Zeit-strukturen, Raumstrukturen, Objekten, Symbolen, Körperhaltungen, Tätigkeiten, Kommunikation, Rollen, Wissensvorräten, Wertvorstellungen, "Helden", Mythen und Ritualen.


 

7.4 Theoretiker-Didaktiken

Theoretiker-Didaktiken (wissenschaftliche Didaktiken) haben im besonderen zwei Aufgaben: Weltweit gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Didaktiken, die untereinander in allenfalls loser Verbindung stehen. Sie unterscheiden sich zum einen dadurch, daß sie - ebenso wie die Praktiker-Didaktiken - von unterschiedlichen Menschen- und Weltbildern getragen sind, zum anderen dadurch, daß sie unterschiedliche Bezugsdisziplinen bevorzugen. Auf der übernächsten Seite sind die wichtigeren Grundrichtungen wissenschaftlicher Didaktik ("Schulen", "Lehrmeinungen", Autoren) aufgeführt, die sich nach den von ihnen bevorzugten KATEGORIALMODELLEN unterscheiden lassen.

7.5 Rekonstruktionsstufen

7.6 Rekonstruktionsbereiche bzw. Rekonstruktionsebenen

7.7 Kategorialmodelle der Didaktik

Verbreitete Kategorialmodelle der (Theoretiker-)Didaktik greifen zurück auf Theorien anderer Disziplinen bzw. auf disziplinen-übergreifende "Meta-Theorien. Dies sind im besonderen:

7.8 Der Göttinger Katalog Didaktischer Modelle

Er besteht aus Beschreibungen von 20 didaktischen Arbeitsmodellen und ihren Varianten, Praxisbeschreibungen und einer umfangreichen Dokumentation. Die 20 Arbeitsmodelle sind:
 
  1. Arbeitsunterricht: Hierbei bearbeiten Lerner individuell oder in kleinen Gruppen Aufgaben, die meist schriftlich formuliert sind und nach Möglichkeit mehrere Aspekte - handwerkliche, intellektuelle, soziale - integrieren, um Kenntnisse und Fertigkeiten zu üben und anzuwenden.
  2. Disputation: Hierbei eignen sich Lerner in öffentlicher und geordneter Rede und Gegenrede vor allem Argumentations- und Urteilsfähigkeit an.
  3. Erkundung : Hier begeben sich Lerner in natürliche Umwelten und Institutionen zur Beobachtung und Datenerhebung, um Zusammenhänge zu überschauen sowie Interessen und Standpunkte zu gewinnen.
  4. Fallmethode: Hierbei bearbeiten Lerner einzeln oder in Gruppen in Akten rekonstruierte Praxisfälle, um sich Wissen über die betreffende Praxis anzueignen und ihre Urteils- und Entscheidungsfähigkeit auszubilden.
  5. Famulatur: Hierbei eignen sich zumeist jüngere Praktiker (Ärzte, Künstler, Wissenschaftler) spezielles oder seltenes Wissen von hoher Qualität an, indem sie einem "Meister ihres Faches" bei dessen Arbeit über einen längeren Zeitraum helfen.
  6. Fernunterricht: Hierbei eignen sich Lerner durch Lektüre von speziell aufbereiteten schriftlichen Unterrichtsmaterialien sowie durch Bearbeiten von schriftlich gestellten Aufgaben überwiegend theoretisches Wissen an (Fakten, Begriffe, Modelle, etc.).
  7. Frontalunterricht: Bei dieser in Schulen vorherrschenden Unterrichtspraxis stehen lehrergesteuerte Gespräche im Mittelpunkt, die durch Anschauungsmittel unterstützt werden und vor allem der Vermittlung fachspezifischen Orientierungswissens dienen.
  8. Individueller programmierter Unterricht: Hierbei eignen sich Lerner mit Hilfe programmierter Lehrtexte in kleinen Lernschritten selbständig und individuell Kenntnisse und Fertigkeiten an, die genau festgelegt sind.
  9. Individueller Lernplatz: Hierbei eignen sich Lerner mit Hilfe von ausgewählten und systematisch geordneten Texten und AV-Medien selbständig Begriffs- und Faktenwissen an, das zu vorher erarbeiteten Fragestellungen in Beziehung steht.
  10. Kleingruppen-Lerngespräch: Hierbei eignen sich Lerner durch strukturierten Informations- und Meinungsaustausch vorwiegend Wissen über persönliche Erfahrungen, Bewertungen und Einstellungen an.
  11. Lernausstellung: Hierbei eignen sich Lerner an offenen Lernorten (z. B. Museen und Messen) Wissen an, indem sie ausgestellte und zumeist auch kommentierte Objekte oder Abbildungen in bestimmter Reihenfolge betrachten und gegebenenfalls handhaben.
  12. Lerndialog: Hierbei führen Lerner mit anderen Personen ausführliche und geordnete Zwiegepräche, um Erkenntnisse über sich selbst und ihre Beziehung zur Umwelt zu erlangen.
  13. Lernkabinett: Hierbei eignen sich Lerner durch reale Tätigkeit in speziell eingerichteten und didaktisch besonders aufbereiteten Lernumwelten theoretisches und praktisches Wissen aus mehreren Handlungsperspektiven an.
  14. Lernkonferenz: Hierbei kommen Lerner mit anderen zu ein- oder mehrtägigen Treffen zusammen, um sich gegenseitig in Vorträgen, Diskussionen und anderen vorbereiteten Beiträgen aktuelles Deutungs- und Problemlösungswissen zu vermitteln.
  15. Lernnetzwerk: Hierbei erzeugen Lerner neues Wissen, insbesondere über innovative Praxisbereiche, und vermitteln es sich wechselseitig und uneigennützig mit Hilfe von zumeist schriftlichen Mitteilungen.
  16. Lernprojekt: Hierbei wirken Lerner an Projekten innovativer Praxis mit, um die Anwendung erworbenen Wissens in realen Situationen und Institutionen zu erlernen und zur Verbesserung von Lebensqualität beizutragen.
  17. Simulation: Hierbei übernehmen Lerner - oft spielerisch - Rollen und/oder betätigen sich in simulierten Umwelten, um vor allem Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit in lebensnahen, jedoch entlasteten Situationen zu entwickeln und zu trainieren.
  18. Tutorium: Hierbei eignen sich Lerner, die gegenüber Lernern in gleicher Lage begrenzte Funktionen übernehmen, Wissen an, um es an diese weiterzuvermittteln.
  19. Vorlesung: Hierbei nehmen Lerner als Zuhörer und/oder Zuschauer an mündlichen und teilweise durch Medien unterstützten Informationsdarbietungen eines Redners teil, um sich Wissen und Wertvorstellungen anzueignen.
  20. Werkstattseminar: Hierbei eignen sich erfahrene Praktiker, Theoretiker oder Künstler in einer zumeist mehrtägigen Kompaktveranstaltung überwiegend aktuelles Wissen an, das entweder von einzelnen Teilnehmern eingebracht oder aber gemeinsam erzeugt wird.

8. Kulturelle Bedingtheit didaktischen Handelns

GRUNDBEGRIFFE:

8.1 Überlieferung didaktischer Rollen und didaktische Sozialisation

Wenn die Persönlichkeit der didaktisch (heterodidaktisch wie autodidaktisch) Handelnden (Lerner, Lehrer etc.) kulturell bedingt ist, dann ergeben sich von daher auch Einflüsse auf deren didaktisches Handeln. Zum anderen sind Formen didaktischen Handelns ebenso Gegenstand kultureller Überlieferung wie andere menschliche Tätigkeiten auch. Wer deshalb in interkulturellen Kontexten (als Lerner oder als Lehrer) didaktisch handelt, muß sich der eigenen kulturellen Prägung und Überlieferung ebenso bewußt werden wie der seiner Partner.

"Lernerrollen" und "Lehrerrollen" werden in ähnlicher Weise erlernt wie Geschlechtsrollen und sind deshalb auch kulturspezifisch ausgeprägt. Will jemand in einem kulturellen Kontext lernen und lehren, der verschieden von seinem eigenen ist, muß er sich deshalb bemühen, Informationen über die didaktische Sozialisation seiner Partner zu beschaffen.

8.2 Ebenen didaktischen Handelns in ausdifferenzierten Bildungssystemen

Ausdifferenzierte, moderne Systeme der Grund-, Aus- und Weiterbildung erfordern didaktisches Handeln auf makro-, meso- und mikrodidaktischen Ebenen.
HANDLUNGSEBENE HANDLUNGSALTERNATIVEN
M 

A 

K

Systemebene formale (schulische, non-formale (außerschulische), informelle (tätigkeitsintegrierte) Bildung in öffentlicher oder privater Trägerschaft
R 

O

Programmebene 
(ca. 300 Std. ALZ)
gefächerte (fachbezogene), anforderungsbezogene (interdisziplinär-problembezogene) oder persönlichkeitsbezogene Programme
M 

E

Kursebene 
(ca. 30 Std. ALZ) 
Verteilte oder Blockveranstaltungen an festen oder wechselnden Lernorten in festen oder variablen Lerngruppen
S 

O

Block-Ebene 
(ca. 3 Std. ALZ)
Arbeitsunterricht, Disputation, Erkundung, Fallmethode, Famulatur, Fernunterricht, Frontalunterricht, IPU, Individueller Lernplatz, Kleingruppen-Lerngespräch, Lernausstellung, Lerndialog, Lernkabinett, Lernkonferenz, Lernnetzwerk, Lernprojekt, Simulation, Tutorium, Vorlesung, Werkstattseminar
M 

I

Phasen-Ebene 
(ca. 0,3 Std. ALZ)
Einrichtungsphasen, Vorbereitungsphasen, Orientierungsphasen, Planungsphasen, Interaktionsphasen, Präsentationsphasen, Evaluierungsphasen, Festigungsphasen
K 

R 

O

Situative Ebene 
(ca. 0,03 Std. ALZ)
ca. 200 didaktische Handlungen bzw. Interaktionsweisen: technische, kommunikative, metakommunikative Handlungen; reale und symbolische Handlungen
 

8.3 Kulturelle Bedingtheit von traditioneller Schul- und Unterrichtspraxis (nach HOFSTEDE 1991)

Nach HOFSTEDE (1991) lassen sich Unterschiede von Schul- und Unterrichtspraxis in verschiedenen Kulturen nach den von ihm erarbeiteten 4 Dimensionen der Kulturbeschreibung wie folgt charakterisieren:
 
Maskulinität 
- Leistungsbeste bestimmen Standards 
- Offene Konkurrenz im Klassenraum 
- Schulversagen als Katastrophe 
- Je älter die Kinder, desto mehr männliche Lehrer 
- Lob für ausgezeichnete Leistung
Femininität 
- Leistungsdurchschnitt bestimmt Standards 
- Solidarität im Klassenraum 
- Schulversagen als kleiner "Unfall" 
- Männliche und weibliche Lehrer auf allen Stufen des Bildungssystems 
- Weniger offenes Lob
hohe Unsicherheitsabwehr 
- Bevorzugung gut geplanter Programme und Kurse 
- Belohnung nach Zielerreichung 
- Spezifische Lernaufgaben 
- Lehrer als Experte 
- Bereitschaft, Lehrerposition anzuerkennen 
- Lehrer darf Wissenslücken nicht zeigen 
- Nichteinbeziehung von Eltern in den Unterricht
geringe Unsicherheitsabwehr 
- Vorliebe für weniger strukturierte Programme und Kurse 
- Belohnung auch kreativer Lösungen 
- Offene Lernaufgaben 
- Lehrer als "Lernhelfer" 
- Bereitschaft Lehrerposition zu diskutieren 
- Lehrer darf Wissenslücken eingestehen 
- Einbeziehung von Eltern in den Unterricht
hohe Machtdistanz 
- Kürzere Bildungsdauer für die meisten 
- Lehrer-/(autoritäts-)zentrierter Unterricht 
- Einweg-Kommunikation 
- Körperstrafen 
- Eltern stützen Lehrer-Autorität
geringe Machtdistanz 
- Längere Bildungsdauer für viele 
- Sachbezogener und schülerzentrierter Unterricht 
- "Symmetrische" Kommunikation 
- Symbolische Strafen / keine Strafen 
- Eltern problematisieren Lehrerautorität
Kollektivismus 
- Schüler als Gruppenmitglied 
- Schüler melden sich nicht, wenn nicht persönlich aufgefordert 
- Untergruppenbildung nach Familienzugehörigkeit 
- Bildung als Vorbereitung auf Positionen 
- Leistungsbewertung nach Kollektivzugehörigkeit 
- Bevorzugung traditioneller Lerninhalte 
- Zeugnisse als Dokumente sozialen Aufstiegs
Individualismus 
- Schüler als Individuum 
- Schüler melden sich auch, wenn nicht persönlich aufgefordert 
- Untergruppenbildung nach persönlichen Interessen oder Sachproblemen 
- Bildung als Vorbereitung auf offene Situationen 
- Individuelle Leistungsbewertung 
- Einbeziehung innovativer Inhalte 
- Zeugnisse als Dokumente von "Marktwert" und "Selbstwert"
Weitere Unterschiede 
- Streng gefächerter vs. fachübergreifender Unterricht (Ungewißheitsvermeidung) 
- Vielfalt der Lehr-/Lernformen (Ungewißheitsvermeidung) 
- Benotete vs. unbenotete Leistungsnachweise (Maskulinität/Femininität)

8.4 Kulturell "angepaßtes" didaktisches Handeln

Wer in interkulturellen Kontexten didaktisch handeln will, muß darauf achten, daß er sich "kulturell angepaßt" verhält. Die folgenden 11 Gesichtspunkte verdienen dabei besondere Aufmerksamkeit:
 
1. Angepaßtheit der Lernumgebung - Lernzeit 
- Lernraum 
- sozialer Kontext
2. Angepaßtheit der Wissensordnungen und Wissensarten - einheimisches Wissen 
- problembezogen / fächerbezogen
3. Angepaßtheit der Lehr- und Lernmittel - kulturell 
- ökonomisch 
- curricular
4. Angepaßtheit der Lernaufgaben - kultureller Sinn 
- Inhalte 
- reproduktiv / konstruktiv
5. Berücksichtigung der didaktischen Sozialisation - traditionell 
- "modern"
6. Berücksichtigung der Motivationsstrukturen - leistungsmotiviert 
- zugehörigkeitsmotiviert 
- statusmotiviert
7. Berücksichtigung der Schwerpunktsetzung auf Einzelleistung oder Kollektivleistung
8. Angepaßtheit der Curricula - "Afrikanisierung" 
- "Ruralisierung"
9. Berücksichtigung der einheimischen Lernstrategien
10. Berücksichtigung der Interaktions- und Kommunikationsstrukturen
11. Berücksichtigung der Einstellungen zu Hierarchie und Disziplin
 

Literatur:

Gehlen, Arnold, Der Mensch: Seine Natur und seine Stellung in der Welt. 6. unveränderte Aufl., Bonn, 1958.

Gehlen, Arnold, Ein Bild vom Menschen. In: ders., Anthropologische Forschung. Zur Selbstbegegnung und Selbstentdeckung des Menschen. Reinbek bei Hamburg, 1961, S. 44-54.

Hall, Edward T./Hall, Mildred Reed, Understanding Cultural Differences. Yarmouth, Maine 1990, S. 3-31.

Hofstede, Geert, Values and Culture. In: ders., Culture's Consequences. International Differences in Work-Related Values. Beverly Hills u. a. 1980, S.13-53.

Kluckhohn, F. R./Strodtbeck, F. L., Variations in Value Orientations. Westport C. T., 1961.

Kroeber, A. L./Kluckhohn, Clyde, Culture - Conclusions. In: dies., Culture. A Critical Review of Concepts and Definitions. New York, 1952, S. 355-376.

Portmann, Adolf, Die Rolle der Biologie in der anthropologischen Arbeit unserer Zeit. In: ders., Zoologie und das neue Bild des Menschen. Hamburg,1956, S. 7-28.

Thompson, Michael u. a., Cultural Theory. Boulder u. a., 1990.

Vester, Frederic, Neuland des Denkens: Vom Technokratischen zum Kybernetischen Zeitalter. München, 1984.

Wichtige Zeitschriften für den Bereich Wissensgrundlagen:

Anthropology & Education Quarterly. Herausgegeben von der American Anthropological Association.

Education. A Biannual Collection of Recent German Contributions to the Field of Educational Research. Herausgegeben vom Institut für wissenschaftliche Zusammenarbeit Tübingen.

International Education. A Biannual Journal. University of Tennessee, College of Education.

International Journal of Intercultural Relations. Official Publication of SIETAR. Pergamon Press.

Internationale Zeitschrift für Erziehungswissenschaften. Herausgegeben vom UNESCO-Institut für Pädagogik, Hamburg.

Journal of Cross-cultural Psychology. Sage Periodical Press.

ZEP. Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik. Herausgegeben von der Gesellschaft für interkulturelle Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik e. V.



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