Fall 13:
Fall 18: „Teure Möbel“ – Lösungsskizze
Ausgangsfall
Anspruch des V gegen K auf Abnahme und Bezahlung der Schlafzimmereinrichtung und der Einbauküche gem. § 433 II BGB
I. Abschluss eines Kaufvertrages
Erfordert übereinstimmende Willenserklärungen (Antrag und Annahme, §§ 145 ff BGB)
wer hier was abgibt, wird aus dem Sachverhalt nicht klar
1. K handelt jedenfalls nicht selbst
2. Handeln des K durch S als Stellvertreter, § 164 I 1 BGB
a) eigene WE des S
entscheidend: Entscheidungsspielraum, hier: S soll ein bequemes Möbelstück (Fernsehsessel) aussuchen und hat folglich einen eigenen Entscheidungsspielraum
à eigene WE (+)
b) im Namen des Vertretenen (Offenkundigkeitsprinzip)
richtet sich nach dem Empfängerhorizont
Bereits aus der Erklärung des K ggü V ergibt sich, dass S für K handeln soll, ferner stellt S auch ausdrücklich klar, dass Sachen und Rechnung an K gehen sollen, (+)
c) innerhalb der S zustehenden Vertretungsmacht
aa) Bestehen der Vertretungsmacht
K teilt V mit, dass er S bevollmächtigt habe.
à kundgemachte Innenvollmacht gem. § 171 I BGB (-)
à rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht, vgl. § 166 II BGB),(+)
K erteilt S Auftrag Sessel zu kaufen
à konkludente Bevollmächtigung
bb) Umfang der Vertretungsmacht
„Rechtshandlungen aller Art“
à Generalvollmacht
à auch Kauf weiterer Möbelstücke von Vertretungsmacht des S umfasst
„Sesselkauf“
à Spezialvollmacht
cc) Zwischenergebnis
Kauf von Schlafzimmereinrichtung und Einbauküche von der umfassenden Generalvollmacht des S gedeckt.
(kein Fall des Vertreters ohne Vertretungsmacht gem. §§ 177 ff BGB)
d) Zwischenergebnis
Handeln des K durch seinen Stellvertreter S (+)
3. Vertragsschluss liegt vor
„S kauft…“
4. Zwischenergebnis
Somit ist grundsätzliche eine wirksamer Kaufvertrag zwischen K und V zustande gekommen und V hätte einen Abnahme- und Zahlungsanspruch gegen K aus § 433 II BGB.
V könnte aber eventuell keinen Anspruch gegen K geltend machen, wenn ein sog. Missbrauch der Vertretungsmacht vorläge und dies dazu führte, dass vertragliche Ansprüche entfallen.
1. Vorliegen des Missbrauchs der Vertretungsmacht
(+), wenn der Vertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt, gleichzeitig aber seine Pflichten aus dem Innenverhältnis verletzt.
à Vertreter konnte zwar, aber durfte das Geschäft nicht abschließen.
Hier: Im Außenverhältnis (Vollmacht) war S zum Kauf der weiteren Möbelstücke befugt, lediglich im Innenverhältnis (Auftrag) lag eine Begrenzung auf den Fernsehsessel vor. Er „konnte“ die weiteren Möbel also kaufen, „durfte“ es aber nicht, also: Missbrauch der Vertretungsmacht (+)
2. Rechtsfolge
Grundsätzlich ist dies eine Frage des Innenverhältnisses und hat auf die Wirksamkeit des Vertrages keinen Einfluss. Der Vertretene hat Organisationssphäre durch VM erweitert und muss im Gegenzug dafür das „Personalrisiko“ tragen.
à Vertretener trägt das Risiko des Missbrauchs der Vertretungsmacht
à Vertrag grds. (+)
3. aber: Ausnahmen
à Kollusion und Evidenz
hier: eventuell Evidenz
Evidenz liegt vor, wenn der Vertreter in ersichtlich verdächtiger Weise von seiner Vertretungsmacht Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragsgegner begründete Zweifel bezüglich der Befugnis des Vertreters im Innenverhältnis entstehen mussten. Nachforschungspflicht des Vertragspartners aber abzulehnen.
à Rechtsfolgen umstritten:
Rspr.: Inanspruchnahme des Vertretenen scheitert an unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB; arg. Einzelfallgerechtigkeit durch Überwindung der strengen Vertretungsregeln
Lit.: Anwendung von §§ 177 ff BGB analog; arg. Vertretungsrecht sachnäher
Diskussion: Beide Ansichten liefern eine flexible Rechtsfolge. Nach Ansicht der Rspr. ist der Vertrag zunächst wirksam, der Vertretene kann sich jedoch durch Erhebung der Einrede der Inanspruchnahme entziehen. Die Literatur bleibt dagegen innerhalb der Regeln des Stellvertretungsrechts. So hat der Vertretene es in der Hand, ob er das unter Vollmachtsmissbrauch abgeschlossene Rechtsgeschäft genehmigen will oder nicht.
hier aber: Erteilung einer Generalvollmacht von Privatperson gegenüber Möbelhaus zwar ungewöhnlich, sonst jedoch keine Anhaltspunkte im SV, dass V den Missbrauch der Vertretungsmacht des S hätte erkennen können
à Evidenz (-)
à Streitentscheid entbehrlich
à Ausnahme (-): Der Kaufvertrag bleibt wirksam.
4. Zwischenergebnis
Zwar ist vorliegend ein sog. Missbrauch der Vertretungsmacht gegeben, jedoch bleibt es mangels Eingreifens etwaiger Ausnahmen bei dem Grundsatz, dass hierdurch die vertragliche Bindung nicht beeinflusst wird.
V kann von K gem. § 433 II Abnahme und Bezahlung der Schlafzimmereinrichtung und der Einbauküche verlangen.
Bis II. 2. siehe oben
II. 3. aber: Ausnahme
à Kollusion und Evidenz
hier: eventuell Kollusion
Kollusion liegt vor, wenn Vertreter und Vertragsgegner bewusst zum Nachteil des Betroffenen zusammenwirken.
Hier: S und K wollen V gemeinsam schädigen
à Kollusion (+)
à Rechtsfolgen eigentlich unumstritten:
h.M. in neuerer Rspr. und Literatur: Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB; ein Geschäft, welches zwei Personen zum Nachteil eines Dritten abschließen, verstößt gegen die guten Sitten und hat damit keinen Rechtsschutz verdient
RG: Vertrag wirksam; es besteht aber ein Schadensersatzanspruch gegen den
Vertragspartner aus § 826 BGB auf Aufhebung des Vertrages, § 249 BGB (Naturalrestitution), den er dem Vertragspartner schon vorher mit der Einrede der Arglist gem. § 853 BGB entgegenhalten kann.
denkbar: Anwendung der §§ 177 ff. BGB, Vertretene hat die Möglichkeit das Geschäft zu genehmigen
Diskussion: Für die zweite Ansicht (Arglisteinrede, § 853 BGB) spricht das somit gegebene Wahlrecht des Vertretenen. Allerdings ist es beim Handeln zum Nachteil des Vertretenen nicht einsichtig, warum er das Wahlrecht ausüben sollte. Gegen die Ansicht spricht, dass der Vertretene im Gegensatz zur bloßen Offensichtlichkeit zunächst an den Vertrag gebunden sein soll.
Bei bewusstem Zusammenwirken zum Nachteil des Vertretenen bietet die Nichtigkeit nach § 138 BGB den wirksamsten Schutz für das Opfer (hier: Schutz vor dem Ruin). In Fallgestaltungen, die den Nachteil nicht offensichtlich hervorbringen, schützt zumindest die Anwendung der Regeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht den Vertretenen und verschafft ihm gleichzeitig die Möglichkeit den Vertrag durch Genehmigung an sich zu ziehen.
à Ausnahme (+), Vertrag ist nicht wirksam
4. Zwischenergebnis
Ein sog. Missbrauch der Vertretungsmacht liegt in der Form der Kollusion vor. Vertrag ist unwirksam nach § 138 BGB
V hat gegen K keinen Anspruch auf Abnahme und Bezahlung der Schlafzimmereinrichtung und der Einbauküche gem. § 433 II BGB.