Fall 15:
Matthias Botor beschließt nach seiner Fußballerkarriere den alten Bauernhof seines vor Jahren verstobenen Vaters weiterzuführen. Daher sucht er den alten Bauernhof auf, dessen Wohnhaus er in einem äußerst schlechten Zustand findet, wobei ihn allerdings ob des von ihnen ausgehenden Charmes freut, daß noch einige alte Maschinen rund um das Gebäude im Garten vor sich hin rosten. Nach ein paar Tagen besucht ihn die Nachbarin Natalie mit ihrer 8jährigen Tochter. Während des Gespräches beginnt Tanja auf den Geräten herumzuturnen, woraufhin Matthias darauf hinweist, daß dies gefährlich sei und T lieber zu ihrer Mutter zurückkehren solle. N entgegnet schroff, daß er sich nicht so anstellen solle, Kinder wollen nun einmal spielen. Nach einigen Minuten rutscht Tanja allerdings ab, reißt ihr Sommerkleid auf und verletzt sich schwer am Arm.
Welche Ansprüche hat T?
Lösungsskizze:
Ansprüche der T gegen M
§ 836 BGB
landwirtschaftliche Maschinen sind keine mit dem Grundstück verbundenen Werke
Verletzung auch nicht durch Ablösung oder Einsturz solcher Grundstücksbestandteile erfolgt
(-)
§ 823 I
Rechtsgutsverletzung
Eigentum
Eigentum bedeutet gem. § 903 das Recht mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen.
Sachen sind gem. § 90 alle körperlichen Gegenstände,
Verletzung ist die Zerstörung, Beschädigung, Verunstaltung oder Entziehung der Sache.
Körper
Körperverletzung ist jede Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge.
Gesundheit
Herbeiführung oder Steigerung eines pathologischen Zustandes
Verletzungshandlung
Unterlassen des M kann Schadensersatzpflicht begründen
(einige Normen knüpfen Ersatzpflicht an schadensstiftendes Unterlassen (§§ 831 I, 836 ff.)
wenn nicht dann
Handlungspflicht erforderlich
Rechtspflicht ergibt sich nach allgemeiner Auffassung insbes. aus Schaffung einer Gefahrenquelle mit dem Inhalt, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen (=Verkehrssicherungspflicht)
Die Verkehrssicherungspflichten beruhen auf Kasuistik – bspw.:
Eröffnung eines Verkehrs (Supermarkt, Spielplatz)
Eingriff in den Verkehr (Straßenbaustelle) oder Teilnahme daran (Handhaben von Zigaretten auf Partys!)
Beherrschung eines (gefahrenträchtigen) Sachbereichs (Treppenhaus, Weg zum Briefkasten)
Übernahme einer Aufgabe (Veranstalten eines Konzerts( Stagediving, Gehörschäden)
Schaffung einer Gefahrenquelle (=Ingerenz)
Herstellung und das Inverkehrbringen von Sachen (=Produzentenhaftung)
Verkehrseröffnung für Garten (-)
Sachherrschaft über Grundstück (+)
Inhalt und Umfang
Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflichten sind situationsbedingt variabel
Maß der notwendigen Vorkehrung bestimmt sich nach erkennbarer Gefährdung
Grundstück mit Haus ist keine Gefährdung und erfordert keine Sicherungsmaßnahmen
baufälliges Haus dann, wenn mit einem Betreten durch befugte oder unbefugte gerechnet werden muß
hier zunächst (-)
nach Einzug des M (+)
jedenfalls für Zugangswege, da vernünftige Menschen Grundstück so betreten
(P) hier aber Kind
ggü. Kinder kann je nach den Umständen des Falles, insbesondere nach Maß des Anreizes, der von dem Grundstück für sie ausgeht, mehr verlangt werden.
hier anscheinend großer Anreiz
Was?
Zäune und Verbotsschilder schrecken Kinder nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ab.
Schutzmaßnahmen müssen zumutbar sein
M hätte Maschinen entfernen können
allerdings umfassende Abwägung erforderlich
N hat entscheidend zur Gefahrverwirklichung beigetragen
M hat gewarnt
Damit ist er seiner Verkehrssicherungspflicht genügend nachgekommen
Anspruch T gegen N
§ 823 I BGB
Rechtsgutsverletzung (+)
Handlung
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht?
Vorangegangenes gefährliches Tun
Betreten des gefährlichen Grundstückes (-)
„Aufforderung“ zum Weiterspielen?
Eltern tragen Personensorge, Spielen auf rostigen Landwirtschaftgeräten erfordert Überprüfung, diese ist auch zumutbar
(+)
haftungsbegründende Kausalität
(+)
Rechtswidrigkeit
Wer als Verkehrssicherungspflichtiger zumutbare Schutzvorkehrungen versäumt, handelt rechtswidrig in Bezug auf den dadurch verursachten Schaden, sofern nicht besondere Rechtfertigungsgründe eingreifen.
Verschulden
N handelt fahrlässig, wenn sie davon ausgeht das nicht passiert
§ 1664 I BGB beschränkte Haftung der Eltern
Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen (arg. § 277)
grobe Fahrlässigkeit hier wohl (-)
§ 832 BGB
Aufsichtspflicht (+)
aber falscher Geschädigter
§ 1664 BGB
eigene Anspruchsgrundlage ggü Eltern bei Aufsichtspflichtverletzung
hier aber wohl keine Verletzung der Aufsichtspflicht, wenn Kind in der Nähe und Rufweite spielt
Als M nach dem Schreck wieder zurück in’s Haus geht, probiert er seine neu installierte Klingel aus, die er schon vor einigen Jahren in Bedacht auf die Zeit nach seiner Fußballerkarriere gekauft hat, aus. Beim Klingeln überhitzt jedoch ein fehlerhaft eingesetzter Kondensator, so daß eine Stichflamme entsteht, die sowohl die Klingel komplett zerstört als auch Brandspuren an der Haustür verursacht.