Lösung Fall 2: (angelehnt an Fall 3 Schwab/Löhning, Falltraining im Zivilrecht)
Ansprüche der N gegen D aus § 823 BGB:
N könnte einen Anspruch aus § 823 I BGB gegen D haben.
1. Rechtsgutsverletzung
Dazu müsste zunächst ein durch § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut der N von D verletzt worden sein.
N macht geltend, in ihrer Freiheit verletzt worden zu sein. Eine Verletzung der Freiheit bedeutet die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit oder die Nötigung zu einer Handlung durch Drohung, Zwang oder Täuschung[1]. N trägt vor, sie könne nicht mehr nach Göttingen kommen, ohne dort dumm angesprochen zu werden. Rein körperlich ist ihr dies aber möglich. § 823 I BGB schützt nicht vor Verletzungen der allgemeinen Handlungsfreiheit[2]. Folglich ist N in ihrer Freiheit im Sinne des § 823 I BGB nicht verletzt.
Es läge jedoch die Verletzung eines von § 823 I BGB geschützten Rechtsgutes dann vor, wenn die Intimsphäre, deren Verletzung N ebenfalls rügt, geschützt wäre. Ausdrücklich ist diese jedoch in § 823 I BGB nicht genannt. Die Intimsphäre ist nach allgemeiner Auffassung jedoch Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts[3]. Dieses wird, abgeleitet aus Art. 1 I und 2 I GG, als sonstiges Recht durch verfassungskonforme Anwendung und Auslegung der Generalklauseln als sonstiges Recht im Sinne des § 823 I anerkannt. Bei der Intimsphäre handelt es sich um den unantastbaren innersten Lebensbereich eines Menschen. N ist hier nur auf einer Autogrammkarte abgebildet. Dies gehört nicht zur Intimsphäre.
Als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird jedoch auch die Bestimmung über die Verwendung des Namens und des Bildes zu wirtschaftlichen Zwecken und Werbezwecken ohne Zustimmung des Betroffenen aufgefasst. Genau das ist hier geschehen. Damit hat D ein sonstiges Recht der N verletzt.
Handlung
D hat die Anzeige geschaltet.
Haftungsbegründende Kausalität
Die haftungsbegründende Kausalität ist ebenfalls gegeben.
2. Rechtswidrigkeit
Zu prüfen ist, ob D das allgemeine Persönlichkeitsrecht der N rechtswidrig verletzt hat. Bei einem „Rahmenrecht“ wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist die Rechtswidrigkeit positiv festzustellen und wird nicht bereits durch das Vorliegen einer Rechtsgutverletzung indiziert. Die Widerrechtlichkeit ist durch Abwägung der Schwere der Rechtsgutsverletzung mit den berechtigten Interessen des Verletzenden festzustellen. D kann sich hier selbst auf keinerlei schützenswerte Interessen berufen. Das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung steht vielmehr dem Abgebildeten zu. Damit liegt auch Widerrechtlichkeit vor.
3. Schuld
Die Verletzung müsste schuldhaft geschehen sein. § 276 I BGB bestimmt die Verantwortlichkeit des Schuldners. Auf ihn wird jedoch allgemein verwiesen[4]. Ein Verschulden wird damit bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln angenommen. Vorsätzlich im Sinne des Zivilrechts handelt, wer den rechtswidrigen Verletzungserfolg wissentlich und willentlich herbeiführt. D weiß um die Verletzung des rechts am eigenen Bild und will diese auch, da er die N nicht um Erlaubnis fragt. Damit handelt er vorsätzlich.
4. Schaden
§ 823 I BGB setzt weiterhin einen daraus resultierenden Schaden voraus. Ein Schaden stellt eine unfreiwillige Vermögenseinbuße dar und wird grundsätzlich nach der Differenzhypothese ermittelt. Nach dieser liegt ein Schaden vor, wenn der Wert des Vermögens ohne das schädigende Ereignis im Vergleich mit dem Wert nach dem schädigenden Ereignis höher ist (Achtung! Kein vorher nachher Vergleich! Hypothese!)
Dem Persönlichkeitsrecht fehlt jedoch ein genereller Vermögensbezug. Er kann nur im Einzelfall rechtsgeschäftlich hergestellt werden, z.B. durch die Vereinbarung von Lizenzgebühren. Die zunehmende Kommerzialisierung der Persönlichkeit hat den BGH jedoch dazu veranlasst, dem Betroffenen bei schuldhafter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts Schadensersatz nach der Lizenzanalogie zuzusprechen, ohne dies von einer Lizenzbereitschaft abhängig zu machen[5]. Der N sind hier also potentielle Lizenzgebühren ausgeblieben. Damit ist ihr ein Schaden entstanden.
5. Haftungsausfüllende Kausalität
Der Schaden muss „dadurch“ entstanden sein, es ist also eine Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden erforderlich, die so genannte haftungsausfüllende Kausalität. Es kann jedoch die Verletzung des Rechts am eigenen Bild ohne Lizenzzahlung nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Schaden entfiele. Damit ist auch die haftungsausfüllende Kausalität gegeben.
6. Rechtsfolge: Schadensersatzverpflichtung
D ist der N damit zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Art und Umfang bestimmen sich nach den §§ 249 ff. BGB.
Nach § 249 I BGB ist der Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dieser Zustand kann nach der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes nicht mehr hergestellt werden. Damit hat N einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld gemäß § 251 I BGB. Fraglich ist die Höhe. Hier kann von dem Geldbetrag ausgegangen werden, den N erlösen würde, wenn sie ihr Bild für die Werbeanzeige zur Verfügung gestellt hätte.
Darüber hinaus ist fraglich, ob N Ersatz des immateriellen Schadens in Form von Schmerzensgeld verlangen kann, weil sie in Göttingen dumm angesprochen wird. Der Ersatz eines immateriellen Schadens in dieser Form ist in § 253 II BGB geregelt. Dort taucht das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedoch nicht auf. Auch ein Vergleich mit den dort aufgeführten Rechtsgütern führt nach allgemeiner Ansicht in diesen Fällen nicht zu einem solchen Ergebnis.
Ergebnis:
N hat gegen D einen Anspruch aus § 823 I BGB in Höhe des Geldbetrages, den sich sonst für die Zurverfügungstellung ihres Bildes für Werbezwecke erhielte.