Die hohe Kunst der Subsumtion

Die Bezeichnung "Subsumtionsautomat" für einen Richter hat zwar eindeutig einen eher negativen Touch, doch ist eine Entscheidung nur dann überzeugend, wenn sie folgerichtig aus dem Gesetz abgeleitet wird und ihre Gerechtigkeit aufgewiesen ist.

Die Ableitung aus dem Gesetz erfolgt meist in drei Schritten:

 

Finden des richtigen Obersatzes (Gesetz)

Bilden des Untersatzes aus dem Sachverhalt

Folgerung des Schlusssatzes durch Vergleich der Vordersätze (Entscheidung)

 

Hört sich einfach an, ist es vielleicht auch.

Problem 1: Wie finde ich den richtigen Obersatz?

Da hilft anfangs wohl nur Üben, Üben, Üben. Wer hier heimlich vorlernt ist klar im Vorteil. Wer noch nie ein Gesetz in der Hand hatte, wird hier wohl endlos brüten…

Zunächst hilft es meist, wenn man sich folgendes klarmacht:

Wer will was von wem woraus?

Wobei woraus hier natürlich auch schon die Lösung wäre…

…andererseits ist das gar nicht immer so einfach, denn um den Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes festzulegen, muss man es auch bereits „auslegen“.

Beim Thema „Auslegung sind wir auch schon mitten in der juristischen Methodenlehre.

Aber zurück zu der Frage. Das kann manchmal ganz einfach sein, wenn am Ende des Sachverhaltes steht:

Anna will die Bücher von Johann aus dem Kaufvertrag. Mit Recht?

(Lösung: § 433 … BGB lesen!)

Aber es gibt auch Sachverhalte, bei denen das nicht so eindeutig ist und die allgemein mit der Frage nach Ansprüche des K oder so ähnlich enden. Dann muß man schon mal ein bisschen kucken und sich klarmachen, was der Sachverhalt bedeutet.

Irgendwann bekommt man dafür eine Ahnung und auch noch eine Ahnung, wo denn ungefähr so etwas stehen könnte und dann klappt das schon…

 

Problem 2: So, ich hab den Paragraphen, was mach ich jetzt?

Erstmal liebt der Jurist Genauigkeit, deshalb ist es unbedingt erforderlich, dass man ihm mitteilt: 1. wie das Gesetz heißt 2. welchen Absatz wir gegebenenfalls meinen 3. welchen Satz oder welche Nummer und 4. welche Variante ist gemeint (ob es jetzt sinnvoll ist zu erwähnen, dass es immer nur eine Alternative (=Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten; andere Möglichkeit) gibt, weiß ich nicht)

Daraus ergibt sich dann bspw.: § 433 I 2 BGB (= § 433 Absatz 1 Satz 2 BGB)

Jetzt kann ich also genau nachkucken, welche Anforderungen der § stellt. Bei § 433 I 2 BGB haben wir dann bspw. Verkäufer-Käufer, mithin brauchen wir einen Kaufvertrag. Und zwar über eine Sache. Das wären die Voraussetzungen der Norm.

Die Sache ist dann frei von Sach- und Rechtsmängeln dem Käufer zu verschaffen. Hier ist also eine Verpflichtung des Verkäufers formuliert.

Oben genannte Anna könnte dann also einen Anspruch auf Verschaffung des Buches (=Sache) haben, wenn denn da ein Kaufvertrag vorläge. Hier ist jetzt nicht nur das Problem, welcher Vertrag hier geschlossen ist, sondern auch, zwischen welchen Personen hier der Vertrag geschlossen ist. Denn Anna kann von Johann nur das Buch verlangen, wenn auch gerade Anna und Johann den Kaufvertrag geschlossen haben.

Das hört sich jetzt alles schwierig an, hier hilft aber wieder: wer will was von wem woraus?

Wie gesagt, mit der Zeit stellt sich durch Üben da eine Gewohnheit ein. Ich hoffe, nach diesen Ausführungen lässt sich jedenfalls ein Obersatz bilden, a la Anna könnte gegen Johann einen Anspruch auf Verschaffung der Bücher aus einem Kaufvertrag gemäß § 433 I 2 BGB haben. Hiermit sind dann auch gleich die Voraussetzungen aufgezeigt, an denen wir uns weiterhin orientieren müssen. Für solch einen Anspruch müßten nämlich A und J einen Kaufvertrag (über eine Sache) geschlossen haben.

Der Obersatz laute jetzt: Wer als Käufer einen Kaufvertrag schließt, hat einen Anspruch gegen den Verkäufer auf die Übergabe und Übereignung der Kaufsache. (nach: Schwab, Einführung in das Zivilrecht, Rn. 14) Man schreibt dann:
A könnte einen Anspruch gegen J aus § 433 I 2 BGB auf die Bücher haben.
Wer?    will...           von wem?    woraus?          was?

Der Untersatz wäre jetzt z.B. die Sachverhaltsinformation "A und J schließen einen Kaufvertrag über die Bücher des J zu 30 Euro."
Die Schlußfolgerung(also der Vergleich von Obersatz und Untersatz) wäre: Da A mit dem J einen Kaufvertrag über die Bücher geschlossen hat, kann sie diese nach § 433 I 2 BGB mit Recht von ihm verlangen.


to be continued...