Als Teil des Großpraktikums I (Zoologische apparative und
präparative Übungen I für Fortgeschrittene) bieten die Mitarbeiter
der Abteilung für Zellbiologie einen 4-Wochen-Block zur animalischen
Physiologie an. In 8 ganztägigen Versuchen lernt jeder Student an teils
klassischen, teils etwas spezielleren Präparaten Grundprinzipien der
Funktion von Nervensystemen, Sinnesorganen und Muskeln kennen. Die Experimente
werden von je zwei oder drei Studenten gemeinsam durchgeführt und in
einem Protokoll dokumentiert. Die Versuchsthemen sind:
1) Arbeitsweise des isolierten Wadenmuskels des Frosches (Xenopus) M.
Hörner
2) Arbeitsweise des isolierten Herzens des Frosches (Xenopus)
3) Reiz-Erregungsbeziehung eines Mechanorezeptors, des Flügelstreckrezeptors
der Heuschrecke (Locusta)
4) Leistungen des menschlichen Seh- und Hörsystems, gemessen mit Methoden
der Psychophysik
5) Empfindlichkeit des Insektenauges und die erste Weiterverarbeitung der
Rezeptorsignale im Nervensystem, gemessen an der Fliege (Sarcophaga) mit
dem Elektroretinogramm des Komplexauges
6) Bildung und Weiterleitung von Aktionspotentialen bei Rieseninterneuronen
im Bauchmark des Regenwurms (Lumbricus)
7) Elektrorezeption und Elektrokommunikation bei schwachelektrischen
Fischen (Gnathonemus, Eigenmannia) M. Hörner
8) Ablauf von Gewöhnungs- und Lernprozessen bei Einzellern (Spirostomum)
und Menschen.
Zu dem Praktikum gehören begleitende Vorlesungen und Seminare
während der Kurswochen sowie eine Abschlußklausur. Theorie
und Praxis der Kursversuche sind in einem umfangreichen Praktikumsskript
dargestellt, das zu Kursbeginn ausgegeben wird.
Vorausgesetzt wird der Kenntnisstand in Physiologie, wie er in den Vorlesungen
des Grundstudiums vermittelt und zum Vordiplom bzw. der Zwischenprüfung
erwartet wird. Da das Themengebiet und der Lernstoff sehr umfangreich sind,
wird den Teilnehmern eine Aktualisierung Ihres Wissens zum Kursstoff VOR
Beginn des Semesters dringend empfohlen.
Stichworte zur Vorbereitung:
- Entstehung von Membranpotentialen (Gleichgewichtspotentiale, Ruhepotential,
graduierte Potentiale, Aktionspotentiale, Synapsenpotentiale), Potentialleitung
- Bau und Funktion von Rezeptorzellen und Sinnesorganen (speziell Lichtsinn
bei Mensch und Fliege, mechanischer Sinn, Hören beim Menschen), Entero-/Exterorezeptoren,
Kennlinien von Rezeptorzellen, Adaptation, Habituation
- Aufbau und Arbeitsweise von Skelettmuskel und Herzmuskel, motorische
Endplatte, elektromechanische Kopplung, Kalzium-Abhängigkeit der Kontraktion,
Aktomyosin-System, isotonische/isometrische Kontraktion, Kraftentwicklung,
Tetanus, motorische Einheit, Muskelspindeln, Reflexbogen, Blutstrom im Herzen,
myogene/neurogene Herzen, Regelung der Herzfrequenz/-leistung, Adrenalin-/Acetylcholin-Wirkung
am Herzen
- Bau und Funktion von elektrischen Organen bei elektrischen Fischen, Perzeption
von elektrischen Feldern
- allgemeine Grundlagen der Elektrik (Strom, Spannung, Widerstand, Kapazität,
Ohmsches Gesetz, Gleich- und Wechselstrom, Verstärker, Oszilloskop)
- Erstellung und Interpretation von Histogrammen, Deutung von Kurven- und
Geraden-Verläufen in doppelt-linearen, logarithmisch-linearen und doppelt-logarithmischen
Koordinatensystemen, grundlegende Begriffe der Statistik (Mittelwert, Standardabweichung,
Median, Normalverteilung, Nullhypothese, Signifikanz, parametrische und
nicht-parametrische Testmethoden)
Empfohlene Lehrbücher: allgemein: Eckert, Tierphysiologie; Penzlin,
Lehrbuch der Tierphysiologie; z.T. benutzbar: Wehner/Gehring, Zoologie;
Schmidt-Thews, Physiologie des Menschen; Reichert, Neurobiologie; Nicholls/Martin/Wallace,
Vom Neuron zum Gehirn; Gewecke, Physiologie der Insekten.
Literaturseminar zu Themen der zellulären Neurobiologie (siehe auch unter Aktuelles) M. Hörner
Praktikum für Fortgeschrittene Biologie, Teil Zoologie für
Lehramtskandidaten
Im Rahmen des Großpraktikums II (Zoologische apparative und präparative Übungen II für Fortgeschrittene) werden mehrere Kursblöcke von je 1 bis 3 Wochen Dauer angeboten. Sie sollen mit Methoden und Fragestellungen vertraut machen, die in gleicher oder ähnlicher Form in der Abteilung für Zellbiologie etabliert sind bzw. dort verfolgt werden. Studenten, die ihre Examensarbeit innerhalb der Abteilung für Zellbiologie anfertigen wollen, sollten unbedingt wenigstens einen Teil dieses Kursangebotes wahrnehmen.
M. Hörner / H. Gras: Elektrophysiologische Methoden in der zellulären Neurobiologie, 8 Teilnehmer, 2 Wochen (optional zusätzliche Woche); Verbindliche Vorbesprechung mit Literaturausgabe im Kleinen Hörsaal des Instituts für Zoologie. Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf dem praktischen Erlernen verschiedener elektrophysiologischer Techniken (intra- und extrazelluläre Ableittechnik, klassische current-clamp-Methodik) und der quantitativen Analyse der an verschiedenen Präparaten gemessenen Daten. Dabei bearbeiten alle Teilnehmer jeweils eine Woche lang die nachstehend unter (a) und (b) beschriebenen Aufgaben. Nach diesen beiden Wochen können auf Wunsch jeweils bis zu 4 Personen in einer Anschlußwoche in einem dieser Gebiete vertiefend weiterarbeiten.
a) Bauchmarkneuronen des Blutegels und Neuronen in Zellkultur (M. Hörner)
Eine Grundlage für das Verständnis neuraler Ereignisse, die Verhalten
steuern, ist die Kenntnis allgemeiner und spezieller Leistungen von Nervenzellen
bei der Informationsverarbeitung und -übermittlung. Der Schwerpunkt
des Kurses liegt neben der Vertiefung theoretischer Kenntnisse im Bereich
der Neurophysiologie vor allem im Erlernen verschiedener elektrophysiologischer
Arbeitstechniken. Ziel ist die selbständige Konzeption, Durchführung
und Protokollierung einfacher Experimente zusammen mit der Erstellung geeigneter
Meßaufbauten. Am Beispiel des Blutegels, Hirudo medicinalis, sollen
grundlegende elektrophysiologische Eigenschaften einzelner identifizierbarer
Nervenzellen in den Segmentalganglien des Bauchmarks untersucht werden. Das
Bauchmark des Blutegels enthält nahezu identisch aufgebaute Ganglien
mit wenigen Zellen, von denen einige wegen ihrer Größe und festgelegten
Position leicht zu erkennen und intrazellulär abzuleiten sind. Das Studium
der Eigenschaften einiger sensorischer Neuronen und ihrer Verbindungen erklärt
manche Verhaltensleistungen. An den Hautsinnesnervenzellen (N-, P-, T-Zellen)
sollen Ruhepotential, Aktionspotentiale und Synapsenpotentiale registriert
und vermessen werden. Durch experimentelle Eingriffe (mechanische und elektrische
Reize) werden Veränderungen der Antwortmuster ausgelöst. Abgeleitete
Zellen werden durch iontophoretische Farbstoffmarkierung identifiziert und
mikrophotographisch dokumentiert.
Für weitergehend Interessierte (maximal 4 Teilnehmer) besteht die
Möglichkeit in einer Anschlußwoche eigene Experimente an diesem
Präparat zu konzipieren und durchzuführen. Darüberhinaus
sollen dann Methoden der Spannungsklemme an kultivierten Neuronen eingesetzt
werden. Am Beispiel von Ganzzellmessungen sollen Eigenschaften spannungsabhängiger
Membrankanäle charakterisiert werden.
Literaturseminar zu Themen der zellulären Neurobiologie (siehe auch unter Aktuelles) M. Hörner
Oköphysiologische Exkursion zur Meeresbiologischen Station Millport,
Schottland (SS2002)
M. Hörner
Exkursionen zur Biologie und Ökologie der heimischen Avifauna.
M. Hörner
Grundpraktikum Biologie, Teil Zoologie für Lehramtskandidaten
b) Bewegungsdetektoren bei Wanderheuschrecken (DCMD) H. Gras
Optische Informationen werden von einer großen Zahl von Hirn-Interneuronen
zu verschiedenen Regionen des Zentralnervensystems weitergegeben, so z.B.
bei Insekten in die Thorakalganglien, in denen sich die Motoneuronen für
die Bein- und Flügelmuskeln befinden. Zu diesen Interneuronen gehört
bei Orthopteren auch das "Descending Contralateral Movement Detector"-Neuron
(DCMD), ein plurisegmentales Interneuron, von dem wegen seines großen
Axondurchmessers extrazellulär an den Konnektiven Aktionspotentiale
abgeleitet werden können. An dieser (elektrophysiologisch wie morphologisch)
identifizierbaren Nervenzelle werden eine Reihe von Interneuronen-Eigenschaften
gezeigt, z.B. Variabilität des Antwortverhaltens bei gleichartigen Reizen,
Spezialisierung auf bestimmte Eigenschaften sich bewegender Objekte, Habituation,
Dishabituation.
In den Versuchen an Locusta migratoria wird die Wirkung folgender Reizparameter
auf die Spike-Frequenz und Antwortlatenz des DCMD-Neurons getestet: Helligkeit,
Reizdauer, Objektgröße, -kontrast, -bewegungsgeschwindigkeit,
Wechselwirkungen zwischen den DCMDs beider Seiten. Wenn gleichzeitig die Aktivität
der Lichtsinneszellen als Retinogramm abgeleitet wird, kann die Beziehung
zwischen dem zeitlichen Erregungsmuster der Rezeptoren und den Spike-Antworten
des nachgeschalteten Interneurons unter verschiedenen Reizbedingungen untersucht
werden.
Wesentlicher Bestandteil des Kurses ist die selbständige Erarbeitung
von Experimenten, Anwendung quantitativer Auswertungsmethoden und die zusammenfassende
Darstellung der Ergebnisse in einem Protokoll. Die Datenerfassung erfolgt
unter Computer-Einsatz, wobei eine zusätzliche Kurswoche zur quantitativen
Analyse und Datenpräsentation angehängt werden kann.