Kozlov et al. 2017 unterteilen die vorliegende Art in drei
kryptische Arten (von denen sie zwei als neue Arten
beschreiben): Nemophora degeerella, Nemophora scopolii und
Nemophora deceptoriella. Kozlov et al. 2017 verwenden eine
Kombination aus genetischen und morphologischen Studien, um
Merkmale zu identifizieren, die die drei Arten voneinander
trennen.
Das einzige verlässliche und diagnostische morphologische
Merkmal, das die Arten voneinander trennt, ist offenbar die
Größe und Form des männlichen (aber nicht des weiblichen)
Labialpalpus; leider haben die Autoren keine Abbildungen
dieser Unterschiede in ihre Arbeit aufgenommen. Bei den
männlichen Genitalien gibt es keine Unterschiede. Andere
Merkmale, die hauptsächlich die Größe, Form und Färbung der
Flügel betreffen, sind sehr schwer zu beurteilen. Sie
unterscheiden nicht für sich allein und nicht in allen Fällen
zwischen den Arten, und außerdem kann ich ihre Gültigkeit
anhand der in Abb. 7 in Kozlov et al. 2017 gezeigten Exemplare
nicht bestätigen. Zum Beispiel soll der Abstand zwischen dem
äußeren Rand des Querbands auf dem Vorderflügel und dem Beginn
der schwarzen Streifen in den Flügelspitzen bei Nemophora
scopolii größer sein als bei Nemophora degeerella. Dies trifft
tatsächlich auf das in Abb. 7D gezeigte Exemplar von N.
scopolii zu, aber bei dem in Abb. 7E gezeigten Exemplar von N.
scopolii treffen die schwarzen Streifen auf den äußeren Rand
der Querbinde. Somit ist der Abstand gleich Null und das
Exemplar müsste anhand dieses Merkmals besser als Nemophora
degeerella identifiziert werden.
Die Arten unterscheiden sich angeblich in einem kurzen
Abschnitt ihres COI-Gens („DNA-Barcode“), aber mehrere andere
genetische Marker, insbesondere wenn sie gemeinsam in die
Analyse einfließen, können die Arten nicht trennen. Eine
genomweite Analyse von Single-Nucleotide-Polymophismen unter
Verwendung der ddRADseq-Methode unterscheidet zwischen den
beiden Arten N. degeerella und N. scopolii, aber die Bedeutung
dieses Ergebnisses ist unklar, weil nur vier Individuen (2 von
jeder Art) verwendet wurden, was das Ergebnis der
phylogenetischen Analyse auf eine sehr kleine Anzahl möglicher
vollständig aufgelöster Bäume beschränkt. Dadurch wird
jegliche statistische Aussagekraft des Datensatzes extrem
eingeschränkt. Idealerweise sollten Analysen dieser Art
Hunderte von Individuen umfassen (siehe Peterson et al. 2012).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Datenbasis für das
Vorhandensein kryptischer Arten innerhalb des Taxons Nemophora
degeerella schwach ist, aber ich übernehme vorläufig das
Konzept der drei kryptischen Arten von Kozlov et al. 2017, bis
mehr Informationen über die Gültigkeit des Konzepts verfügbar
sind. Von den drei Arten sind nur zwei aus Deutschland
gemeldet, Nemophora degeerella und Nemophora scopolii, während
die dritte Art, Nemophora deceptoriella, offenbar auf die
Kaukasusregion beschränkt ist.
Zur Nomenklatur: der aktuelle Gattungsname hat das
gleiche grammatikalische Geschlecht wie der Gattungsname der
Originalkombination; eine Beurteilung des adjektivischen
Gebrauchs des Artepithets erübrigt sich deshalb, solange die
Art nicht in eine andere Gattung verschoben wird, deren
Gattungsname ein anderes grammatikalisches Geschlecht hat.
Zur Etymologie: das Artepithet bezieht sich auf den
Industriellen und Naturforscher Carl De Geer (auch: Degeer,
DeGeer; engl. Charles De Geer; lat. Carolus Degeerius;
1720-1778).