Oegoconia deauratella ist die einzige Art der Gattung in
Deutschland, die sowohl anhand äußerer Merkmale, als auch
durch Unterschiede im Genitalbau mit einiger Sicherheit zu
bestimmen ist.
Die Flügelspannweite der Art beträgt zwischen 11 und 18 mm.
Der Kopf der Imagines ist fast immer dunkel gefärbt, während
die anderen einheimischen Arten fast immer einen hellen,
goldbraunen oder gelben Kopf haben. Die anderen einheimischen
Arten der Gattung unterscheiden sich im männlichen Genitalbau
hauptsächlich durch quantitative Merkmale (i.e. einzelne
Strukturen sind "länger", "breiter", "spitzer", "gebogener"),
wobei die Variationsbreite dieser Merkmale aber noch nicht
umfassend untersucht wurde und diese quantitative Variabilität
auch innerartlich sein könnte. Oegoconia deauratella
unterscheidet sich jedoch im männlichen Genital durch ein
zusätzliches Büschel Cornuti am proximalen Ende der Vesica von
den anderen Arten, was im mikroskopischen Präparat sehr sicher
zu erkennen ist. Die Imagines fliegen im Freiland von Mai bis
September. Die Männchen besitzen am ersten und zweiten
Abdominalsegment ventrale Duftorgane, die vermutlich wie die
Coremata anderer Schmetterlinge der Partnerfindung dienen. Die
Entwicklung der Larven findet wie bei den anderen Arten der
Gattung im Falllaub statt, die Larven leben in lockeren
Gespinsten und ernähren sich von abgestorbenem
Pflanzenmaterial. Die Art kommt in kälteren und feuchteren
Gebieten vor und dringt deshalb auch weiter nach Norden vor
als die meisten anderen Arten der Gattung. In Deutschland ist
die Art nicht selten und ist auch im restlichen Europa und in
Vorderasien verbreitet.
Die Nomenklatur dieser Art ist leider sehr verworren. Das
Artepithet deauratella wurde erstmals von Stainton (1849) in
seiner systematischen Liste in der Gattung Oecophora
verwendet. Stainton verwendet den Namen als gültigen Namen
einer Art, der er noch die weiteren Namen "Quadripuncta, Haw.,
St." und "Bifasciella, St." als Synonyme zuordnet. Welches
Konzept dieser Art Stainton hier bei seiner Arbeit geleitet
hat, ist heute nicht mehr sicher feststellbar. Offenbar war es
aber sein Ziel, alle Arten mit gelblichen Flügelmarkierungen,
die damals von verschiedenen Autoren wahlweise als
"Quadripuncta" oder "Bifasciella" bezeichnet wurden, zu einer
einzigen "neuen" Art zusammenzufassen. Da damals die
Prioritätsregel noch nicht allgemein gültig war, erschien es
Stainton offenbar am zweckmäßigsten, der "neuen" Art, die er
auf diese Weise erschuf, auch einen neuen Namen zu geben:
"Deauratella". Nach den heutigen Regeln der Nomenklatur hätte
Stainton natürlich keinen neuen Namen vergeben dürfen, sondern
hätte den älteren der beiden Namen für die "Gesamtart"
auswählen müssen. Aus heutiger Sicht ist "Deauratella" sensu
Stainton, 1849 also ein unnötiger Ersatzname (unnecessary
replacement name) für den älteren der beiden Namen
"Quadripuncta" und "Bifasciella". "Oecophora Deauratella"
sensu Stainton ist somit ein jüngeres Synonym von "Tinea
bifasciella" die von Fabricius (1787) beschrieben wurde und
selbst ein jüngeres Synonym der bona species Lampronia
capitella ist ("Recurvaria quadripuncta" wurde erst von
Haworth (1828) beschrieben und ist heute als Oegoconia
quadripuncta eine bona species).
Der derzeitige Konsensus in Bezug auf den Status des
Staintonschen Namens "Oecophora Deauratella" ist jedoch, dass
der Name nomenklatorisch gar nicht verfügbar ist und deshalb
vollständig ignoriert werden darf. Ein Teil der Autoren
argumentiert, dass der Name "deauratella" als Synonym
publiziert wurde und deshalb nicht verfügbar ist. Dies stimmt
jedoch nicht: Stainton benutzt den Namen völlig unzweifelhaft
als gültigen Namen für sein neues Konzept "Oecophora
Deauratella", und keineswegs als Synonym.
Ein anderer Teil der Autoren argumentiert, der Name sei nicht
verfügbar, weil der Name angeblich nur ein vorläufiger Name
sein sollte, denn er erscheint in einer Liste, deren einziger
Zweck es war, eine provisorische Ordnung in die
Schmetterlings-Systematik zu bringen, und auch in den
nachfolgenden Werken von Stainton taucht der Name nicht mehr
auf. Dies ist jedoch auch nicht korrekt: zum einen drückt
Stainton nirgends konkret aus, dass der Name nur provisorisch
sei, und selbst wenn man das so interpretieren möchte, dann
bestimmt Article 11.5.1. des International Code of Zoological
Nomenclature, dass Namen die vor 1960 publiziert wurden, nicht
ausgeschlossen werden dürfen, nur weil sie als Provisorium
publiziert wurden.
Noch ein weiterer Teil der Autoren argumentiert, dass der Name
ein Nomen nudum ist, weil er ohne Artbeschreibung publiziert
wurde. Auch dies ist jedoch nicht korrekt, denn Stainton gibt
die Referenz zur Beschreibung der "Quadripuncta" von Haworth
(1828) und Stephens (1834) und zur Beschreibung der
"Bifasciella" von Stephens (1834) an. Dies ist eine völlig
unbestreitbare "Indication" im Sinne von Article 12.2.1. des
International Code of Zoological Nomenclature.
Nachdem nun der Staintonsche Name "Oecophora Deauratella" auf
diese (irrige!) Weise für unverfügbar (unavailable) erklärt
wird, wird dann stattdessen kurzerhand die nächste Benutzung
des Staintonschen Namens "deauratella" bei Herrich-Schäffer
(1854) zur Originalbeschreibung von "Lampros deauratella"
erklärt, obwohl Herrich-Schäffer sich bei seiner Beschreibung
ganz klar auf Stainton (1849) bezieht: er beginnt seine
Beschreibung sogar mit: "Deauratella Staint", das Kürzel für
Staintons Namen weist also ganz unübersehbar darauf hin, dass
Herrich-Schäffer gar keine Neubeschreibung einer Art
beabsichtigt. Nun wird von den Befürwortern der
Originalbeschreibungs-Auffassung argumentiert, dass
Herrich-Schäffer zwar zugegebenermaßen keine Neubeschreibung
beabsichtigt hat, aber unbemerkt irgendwie doch eine neue Art
beschrieben hat, nämlich die, die wir heute mit "Oegoconia
deauratella" benennen. Es sei ihm also eine Fehlbestimmung
unterlaufen: er hatte echte Oegoconia deauratella im heutigen
Sinne vor sich, hielt sie aber irrtümlich für "Oecophora
Deauratella" im Sinne Staintons, beschrieb dann aber natürlich
die Merkmale der echten Oegoconia deauratella und damit sei es
ja quasi eine Neubeschreibung nur eben mit einem "alten"
Namen. Diese Argumentation ist jedoch aus zwei Gründen
inkorrekt. (1) Zum einen verbietet Article 49 des
International Code of Zoological Nomenclature, dass solche
unbeabsichtigten Fehlbestimmungen zur Basis von
Neubeschreibungen werden. (2) Zum zweiten handelt es sich gar
nicht um eine Fehlbestimmung: Herrich-Schäffer (1854) schreibt
ganz klar: "fronte, palporum articulo medio, scapulis, alarum
anteriorum fasciis tribus sulphureis" (Stirn, mittleres Glied
des Palpus, Schulter, drei Binden im Vorderflügel
schwefelgelb). Vor allem die schwefelgelbe Stirn trifft auf
die Art, die heute als Oegoconia deauratella bezeichnet wird,
in den allermeisten Fällen nicht zu. Herrich-Schäffer bezog
sich also mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht auf
Oegoconia deauratella im heutigen Sinne, sondern viel eher
tatsächlich auf die "Oecophora Deauratella" im Sinne
Staintons.
Die derzeitige Auffassung dass der valide Name für diese Art
sei Oegoconia deauratella Herrich-Schaeffer, 1854 sei, fußt
also auf einer ganzen Reihe von fehlerhaften Anwendung der
Nomenklaturregeln. In Wirklichkeit blieb diese Art bis zur
Arbeit von Popescu-Gorj und Capuse (1965) völlig unerkannt und
wurde dann als Oegoconia bacescui erstmals gültig beschrieben.
Der valide Name für diese Art müsste deshalb bei Einhaltung
aller Nomenklaturregeln Oegoconia bacescui sein. Um diesen
"gordischen Knoten" kurzerhand zu zerschlagen, hat Gozmany
(2008) für die Herrich-Schäffersche Erwähnung der
Staintonschen deauratella einen "Neotypus" festgelegt, der nun
natürlich dem entspricht, was wir heute unter Oegoconia
deauratella verstehen. Hiermit sollte also ein Neuanfang
erreicht werden, ein Neotypus mit der "richtigen" Identität
quasi als nomenklatorische Tabula rasa, die schnell
Herrich-Schäffer zum Autor des Namens machen soll. Allerdings
hat Herrich-Schäffer (1854) die Art ja gar nicht als neu
beschrieben: er hat neue Arten stets gewissenhaft mit einem
"m." für "mihi" gekennzeichnet, während er Arten, die von
anderen Autoren beschrieben wurden, stets mit deren Kürzel
kenntlich machte. Im vorliegenden Fall erwähnt
Herrich-Schäffer (1854): "[Lampros] Deauratella Staint",
bezieht sich also auf die Neubeschreibung von Stainton (1849).
Die bloße Beschäftigung mit einer Art (inklusive Nennung ihres
Namens), die bereits beschrieben wurde, stellt
selbstverständlich keine(!) Neubeschreibung dar. Und wo keine
Artbeschreibung vorliegt, gibt es auch kein Typenmaterial und
somit kann auch kein Neotypus festgelegt werden; die
Festlegung eines "Neotypus" durch Gozmany (2008) ist
nomenklatorisch also nicht von Bedeutung und hat dadurch nicht
den gewünschten "Reset-Effekt".
Eine Möglichkeit dieses nomenklatorische Problem zu lösen
bietet hier schließlich vielleicht noch die sog. "prevailing
usage": ein nach den Nomenklaturregeln falscher Name kann
dennoch zum validen Namen eines Taxons werden, wenn der
falsche Name in "überwiegendem Gebrauch" ist. Das Problem mit
der "prevailing usage"-Regelung ist, dass ein unentdeckter
Fehler ja ganz automatisch in "überwiegendem Gebrauch" ist –
bis zu seiner Entdeckung eben, und dann wäre es verboten den
Fehler zu berichtigen, denn er war ja schon lange in Gebrauch.
Nach dieser Regelung wäre es also fast unmöglich falsche Namen
zu berichtigen. Ich erinnere hier beispielsweise an den
falschen Gebrauch des Gattungsnamens "Vanessa" (innerhalb der
Nymphalidae) vor der Revision durch Field (1971). Die Gattung
Vanessa wurde jahrzehntelang von nahezu allen Autoren
irrtümlich für Arten wie Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge
verwendet. Distelfalter und Admirale benötigten damit einen
anderen Gattungsnamen, es wurde wiederum mit sehr großer
Mehrheit der Gattungsname Pyrameis verwendet. Nomenklatorisch
falsche Namen wie "Pyrameis cardui" für den Distelfalter waren
damit nicht nur in "überwiegendem" sondern sogar in
ausschließlichem Gebrauch, und Field (1971) hätte seine
nomenklatorische Revision gar nicht durchführen dürfen.
Folgerichtig beziehen sich deswegen alle Articles des Codes,
in denen es um die "prevailing usage" geht, eben nicht(!) auf
grundlegende nomenklatorische Fragen, wie etwa welches
Artepithet valide ist oder welcher Artname (also die
Kombination von Gattungsname und Artepithet) richtig ist,
sondern lediglich auf die falsche Schreibung (spelling) eines
Namens bzw. auf den falschen Stamm (stem) eines Namens. Die
"prevailing usage" auch für andere Formen des Falschgebrauchs
anzuwenden, ist zum einen im Code nicht geregelt und würde
außerdem dazu führen, dass taxonomische Revisionen ihren Sinn
verlieren, stattdessen müsste man einfach "eben schnell
googlen" welcher Name gerade in "prevailing usage" ist. Im
vorliegenden Fall stellt sich also die Frage: darf man den
Namen Oegoconia bacescui, der heute der richtige Name wäre,
wenn man in der Vergangenheit nicht reihenweise
nomenklatorische Regelverstöße begangen hätte, trotzdem für
invalide erklären, nur weil die Mehrheit aller Autoren heute
den falschen Namen Oegoconia deauratella verwendet?