Riga, Montag, 20. September |
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Vom raskol zur lettischen Integrationspolitik |
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Vortrag zu dem Thema: Geschichtliche
Einführung zum Alten Glauben auf dem Gebiet des heutigen Lettland von
Prof. Aleksandrs Gavrilins |
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Prof. Aleksandrs Gravrilins befasste sich in seinem Vortrag mit der Geschichte des Altgläubigentums auf dem Territorium des heutigen Lettlands. |
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Die ersten Berichte über die Altgläubigen stammen aus dem 17. Jahrhundert, als russische Siedler, Anhänger des Alten Glaubens, nach Latgale, dem damaligen Polnisch-Livland, migrierten. In einer Chronik von 1659 wird die erste Gemeinde der Altgläubigen auf dem Territorium von Latgale erwähnt, wobei das erste Bethaus im Jahre 1660 nachweisbar sei. Spätere Ansiedlungen von mehreren Gemeinden mit ihren Bethäusern befanden sich an der Daugava (Düna). Die Altgläubigen wanderten an die Randgebiete und an die Nachbarländer des Russischen Reiches, weil sie hofften, dass sich im Russischen Reich letztendlich doch die Tradition durchsetzen würde und sie dann wieder zurückkehren könnten. |
Die Migration der Altgläubigen war keine Massenmigration. Sie gingen bis nach Polen und Ostpreußen. Das Territorium Lettlands galt auch öfter als eine Zwischenstation für ihren weiteren Weg. Es entstanden Klosterkolonien. Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts nutzte das Herzogtum Kurland die russischen Siedler zur Besiedlung der Territorien und als Arbeitskräfte. Da diese den Ruf hatten, besonders fleißig zu sein, galten sie als besonders gut geeignet. Die altgläubigen Russen in Lettland vertraten die Richtung der fedoseevcy. Sie wohnten größtenteils in isolierten Dörfern – in klosterähnlicher Lebensweise mit wenig Kontakt zu Behörden –, die sogar bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts so bestanden. Beispielsweise ließen die Altgläubigen keine „Fremden“ (Vertreter anderer Konfessionen) ihr Geschirr benutzten, weil sie es ihrer Vorstellung nach verunreinigen würden. | |
Nach dem Großen Nordischen Krieg wurden Livland
und auch Riga dem Russischen Reich angeschlossen. Livland war größtenteils
evangelisch-lutherisch. Die Glaubensfreiheit wurde gesetzlich festgelegt,
was viele Altgläubige nach Riga lockte. In Riga entstanden einige
Konflikte zwischen Orthodoxen und Lutheranern. Altgläubige waren
allerdings in diese Auseinander-setzungen kaum involviert, es gab auch
keine Repressionen gegen sie. Altgläubige waren in Riga sehr schnell
begütert. Seit dem 18. Jahrhundert waren die Altgläubigen in
Riga liberaler und keine fedoseevcy mehr, sondern pomorcy. Sie bekamen
starken Zulauf und füllten einen festen Platz in der Gesellschaft
aus. |
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Während der Ersten Republik Lettland
betrug der Anteil der Russen in der
lettischen Bevölkerung etwa 10 %, sie hatten alle Rechte der lettischen
Bürger. In der Verfassung der ersten Republik war festgeschrieben, dass
die Deutschen, Juden, Russen und Polen als die größten Minderheiten
Autonomierechte hatten. Nicht nur die Schulautonomie wurde ihnen gesetzlich zugesichert,
sondern ebenso die Ausübung ihrer Religion und die Einhaltung ihrer religiösen
Feiertage. Staatliche finanzielle Unterstützung erhielten die Minderheiten
gemäß ihrem prozentualen Bevölkerungsanteil. Jeder Volksanteil
hatte eine eigene Repräsentanz in den Minis-terien, ebenso beratende Stimmen
im Parlament. Diese Praxis blieb bis 1940 bestehen, da es sich als funktionsfähig
erwiesen hatte. Erst nach der sowjetischen Okkupation traten Veränderungen ein, z. B. gab es gesonderte Schulpläne für Letten, Russen und alle anderen Nicht-Letten. Der Anteil der russischen Bevölkerung wuchs zwischen 1943 und 1989 von etwa 10 % auf sogar 34 %. Der wachsende Anteil der russischen Bevölkerung kam durch die starke Zuwanderung der Sowjetrussen und die Abwanderung der lettischen Bevölkerung zustande. Mit der verstärkt einsetzenden Zunahme der sowjetischen Bevölkerung ging eine Sowjetisierung Lettlands einher. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juli 1941 wurden auch die baltischen Staaten besetzt. Die Deutschen wurden zunächst als Befreier begrüßt, aber bald stellte sich heraus, dass der von den Sowjets begonnene Terror nicht nur weiter ging, sondern noch verstärkt wurde. Am Anfang wurden alle Russen von der deutschen Besatzungsmacht als „slawische Untermenschen“ betrachtet. Erst durch die direkte Bekanntschaft mit Altgläubigen änderte sich die Sichtweise, was zur Folge hatte, dass sie nicht verfolgt wurden. Die Deutschen versuchten, die Altgläubigen als Helfer gegen die Bolševiki zu rekrutieren, indem sie zwischen „guten“ Russen (Altgläubigen) und „schlechten“ russischen Revolutionären unterschieden, die Bolševiki verunglimpften und z. B. Stalin in Zusammenhang mit dem antisemitischen Stereotyp der jüdischen Weltherrschaft brachten. Einerseits gab es eine „Lettische Brigade“ in der Roten Armee, ebenso waren Altgläubige dort aktiv. Andererseits gab es bereits seit 1941 ethnisch gemischte Partisanengruppen in Lettland, die auch in der Bevölkerung der Altgläubigen Unterstützung fanden, deren Dörfer dann von den Deutschen niedergebrannt wurden. Dazu reichte schon der bloße Verdacht der Beihilfe. Die Partisanengruppen existierten zum Teil bis 1962, sie bekämpften dann allerdings die Sowjets. |
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Vortrag zu dem Thema: Die gesellschaftliche
Integration in Lettland von Ivans Mihailovs, Vertreter des Büros „Integration
of society in Latvia“ (protokolliert von Diana Krastina) |
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Der Leiter des auch für Minderheitenprobleme zuständigen
Integrationsbüros
I. Mihailovs berichtete in seinem kurzen Beitrag über den Stand der
Integrationspolitik und die bestehenden Probleme. Das Programm der Integration in Lettland konzentriert sich auf die Kulturvielfalt des Landes und auch auf die Toleranz, die in dieser Situation von großer Bedeutung ist. Die Aufgabe der Integrationspolitik ist nicht die Vereinheitlichung der multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft oder die Abschaffung der unterschiedlichen Kulturen und Religionen, sondern auf Basis der gegenseitigen Bereicherung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen solle eine integrierte und stabile Gesellschaft entstehen. Eine solche erkenne man an der Fähigkeit verschiedene Kulturen zu tolerieren. Den Bereichen Bildung, Sprache und Kultur wird in der Integrationspolitik Priorität eingeräumt. In Lettland gibt es 150 ethnische Gruppen und fünfzehn Konfessionen. Altgläubige sind die am besten integrierte Gruppe in der lettischen Gesellschaft. |
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In der Zeit der Ersten Republik bekamen
die meisten von ihnen die Staatsbürgerschaft und erlangten damit
die Möglichkeit politisch aktiv zu sein. Die Altgläubigen nahmen
ihre Bürgerrechte auch wahr: Sie waren im Parlament vertreten und
im ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Bereich tätig. I.
Mihailovs
machte uns an dieser Stelle auf das gerade veröffentlichte Buch von A. Podmazovs „Vecticibnieki
Latvija“ aufmerksam. Dieses Buch beschreibt die Geschichte der Altgläubigen
in Lettland und ist in lettischer Sprache erschienen. Das Integrationsbüro
kooperiert mit den Altgläubigen Lettlands, wobei der Kontakt, solange religiöse
Sachverhalte nicht tangiert werden, als gut einzuschätzen sei. I. Mihailovs
nannte einige Aspekte des Integrationsprogramms, die ganz besonders bedeutend
für die Integrationspolitik Lettlands sind: |
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Vortrag zu dem Thema: Altgläubige
und Nationsbildung von Yván Leclere (protokolliert von Thomas Lewandowski) |
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Yván Leclere beschrieb den Weg, den die Altgläubigen
gegangen sind, um sich zur russischen Nation zählen zu können. |
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War zuvor die Identifikation der Altgläubigen
mit dem Zaren durch die zahlreichen Repressionen gegen sie ausgeschlossen,
eröffnete die Politik Alexanders
II. ein Umdenken. Als Befreier aus der Leibeigenschaft nahm der Zar für
die altgläubigen Bauern die Rolle eines Beschützers ein, was man vom
heimischen Adel schon lange nicht mehr sagen konnte. Außerdem hatte Außenminister Valuev 1861, im selben Jahr, in dem die Leibeigenschaft aufgehoben wurde, entschieden, dass 4 000 Altgläubige aus der Umgebung Dünaburg, die zwischen 1828 und 1856 zur Vereinigung mit der orthodoxen Kirche gezwungen worden waren, nun frei zu ihrem alten Glaubensbekenntnis zurückkehren durften. In dieser Zeit unterstand das Russische Reich immensem außenpolitischen Druck. Dadurch wurden stabilere innere Zustände immer wichtiger. Die Menschen innerhalb der eigenen Grenzen sollten Verbündete sein und keine Gegner. Eine liberalere Politik den eigenen Landsleuten gegenüber bewirkte gemeinsame Identifikation. Innerhalb von zwanzig Jahren änderte sich die Selbstwahrnehmung der Altgläubigen grundlegend. Sie betraten neue Ufer: Sich zu rasieren und Reisen zur Arbeitssuche waren keine Tabus mehr. Die Altgläubigen sahen sich nicht mehr nur als Altgläubige, sondern merkten, dass sie zur neuen Elite innerhalb des Russischen Reiches gehörten. Als wichtigstes Indiz galt dabei die gemeinsame Sprache. Noch bevor das 19. Jahrhundert zu Ende ging, war – durch die politischen Umstände und eine veränderte Wahrnehmung – die russische Nation geboren. |
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Vortrag zu dem Thema: Die Kultur der Altgläubigen Lettlands in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Nadeda Pazuchina (protokolliert von David Sittler) |
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In ihrem Vortrag befasste sich Nadeda Pazuchina schwerpunktmäßig mit den gesellschaftlichen Aktivitäten der Altgläubigen in Lettland nach dem Toleranzedikt von 1905 vor allem in den 1920er und 1930er Jahren. | |
Obwohl die Altgläubigen sich auch schon im 19. Jahrhundert durch – teilweise illegale (es war ihnen verboten Kirchen zu errichten, Schulen zu gründen etc.) – Schulgründungen und Armenfürsorge-Vereine aktiv in die Gesellschaft eingebracht hatten, nahm ihr Engagement nach 1905 und insbesondere in der Ersten Republik neue Ausmaße und Formen an. Aus ihrer bisher mehr oder weniger isolierten Koexistenz versuchten prominente Altgläubige – in der Amtssprache wurden sie erst jetzt nicht mehr Schismatiker (raskol’niki) genannt – zunehmend über einen intensiveren Dialog mit anderen Konfessionen, gesellschaftlichen Gruppen aber auch den staatlichen Organen herauszutreten. Vor allem die intellektuellen Altgläubigen in den größeren Städten wie Daugavpils und Riga und den traditionellen Siedlungsgebieten (Latgale), die jetzt auch studieren durften, bemühten sich nicht nur, ihre Glaubensgenossen u. a. durch „Unterstützungskassen“ finanziell zu fördern, sondern auch das Bildungsniveau zu heben und vor allem das Bewusstsein der eigenen Glaubenstradition und damit der Identität zu stärken, indem sie Forschungen zur eigenen Geschichte betrieben, sich für die Bewahrung bedroht erscheinender Kulturgüter und zum Teil für eine „Wieder-belebung“ altgläubiger Traditionen einsetzten. Prominentester Vertreter dieser engagierten Intellektuellen war Ivan Zavoloko (1897-1984), der auch den Rigaer Jugendzirkel „Förderer des russischen Altertums“ (1927-1940) gründete. Er ist ein Beispiel für eine neue Form gesellschaftlicher Aktivitäten der Altgläubigen. Es wurden Vorlesungen für die Mitglieder von professionellen Historikern, Literaten und anderen Intellektuellen aus Lettland und dem Ausland gehalten und landeskundliche Expeditionen zu Orten, wo es die Altgläubigen-Siedlungen noch gab, unternommen. N. Pazuchina betonte, dass die jungen Wissenschaftler nicht nur theoretisch die altgläubigen Traditionen erforschten, sondern dass sie diese auch in ihr eigenes Leben einführen wollten. | |
In ihrem
alltäglichen Leben trugen sie nach alten Mustern selbstgemachte Trachten,
besuchten Gottesdienste und lernten das Wesen des Altgläubigentums
zu verinnerlichen. Folgende Altgläubigengesellschaften waren besonders aktiv: In Daugavpils – die Altgläubigenbruderschaft (1907-1915, 1924-1940); In Rezekne – die Christliche Vereinigung der Altgläubigen (1930-1935) mit Filialen in Daugavpils, Ilukste und Liepaja; In Riga – die Altgläubigengesellschaft (1908-1914, 1923-1940, 1994 bis heute), der Verband „Die Grebenšcikov Schule in Riga“ (1864-1940), unter dem Dach des Verbandes lief der Jugendzirkel „Förderer des russischen Altertums“ (Revniteli russkoj stariny) (1927-1940) mit Filialen in Daugavpils (1928-1940), Jelgava (1928-1940), Rezekne (1932-1940) und die altgläubige Singergesellschaft in Lettland (1932-1940). Damit das entsprechende Wissen aber auch wirklich bewahrt und weitergetragen werden konnte, bedurfte es eines eigenen Ausbildungssystems für geistliche Lehrkräfte, das es bis in die Erste Republik nicht hatte geben können. Gesetzliche Grundlage waren die Vorschriften des Jahres 1906, die die Gründung, die Ordnung und die Rechte der Altgläubigen-Gemeinden und der religiösen Organisationen anderer Sektierer regulierten. Laut des Gesetzes über die Schulen der nationalen Minoritäten Lettlands, erlassen am 17. Dezember 1919, erhielten Altgläubige nun außerdem die Möglichkeit, die altgläubige Glaubenslehre in den Grundschulen zu unterrichten. Daher wurden in den 1920er Jahren nun Ausbildungseinrichtungen geschaffen, an denen zunächst die Initiatoren wie I. Zavoloko selbst zukünftiges Lehrpersonal für die neu eingerichteten Sonntagsschulen der Gemeinden in Pädagogik, Apologetik, Geschichte etc. unterrichteten. Während der autoritären Herrschaft K. Ulmanis’ mussten diese Einrichtungen ihren Betrieb wieder einstellen. Insofern sprach Nadeda Pazuchina aufs Ganze gesehen von einem Prozess der Integration Altgläubiger in das gesellschaftliche Leben. Problematisch war für die Altgläubigen aber, dass sie zumeist einfach mit der russischen Minderheit im Lande gleichgesetzt wurden und diese Unkenntnis zu bekämpfen hatten. (Laut einer Statistik gehörten im Jahre 1930 51,93 % der russischen Bevölkerung der russisch-orthodoxen Kirche an, 45,15 % waren Altgläubige.) In der von I. Zavoloko herausgegebenen Zeitschrift „Rodnaja Starina“ (1927-1933) wurden Informationen über die Aktivitäten des Rigaer Zirkels sowie Neuigkeiten im Leben der russischen Emigranten im Ausland publiziert. „Rodnaja Starina“ informierte die Leser sowohl über die Geschichte des Altgläubigentums und die russische vornikonianische Kultur als auch über die Situation im Leben der Altgläubigen-Gemeinden in den 1920er/1930er Jahren. Mit der Hilfe der Zeitschrift bemühte sich I. Zavoloko alle Altgläubigen des Baltikums in einem gemeinsamen kulturellen Raum zu vereinigen. Laut N. Pazuchina wurden dank seiner Initiative die Altgläubigen Lettlands durch ihr aktives gesellschaftliches Leben der russischen Minorität in breiten Kreisen bekannt. Sie nahmen jetzt eine stabile Stelle im gesellschaftlichen Leben Lettlands ein. Nicht immer aber unterstützten die Altgläubigen selbst die neuen Ausbildungsformen; man musste sie überzeugen, dass die religiöse Ausbildung nicht nur für ihre Kinder notwendig sei, sondern auch für Eltern und Lehrer selbst. Insgesamt fällt laut N. Pazuchina auf, dass die gesellschaftlichen Aktivitäten der Altgläubigen Lettlands immer mit der Initiative einzelner altgläubiger Intellektueller verbunden sind. Sie sieht diese Entwicklung als typisch für die gesamte Geschichte der Altgläubigenbewegung, die schon zu Beginn stark von Persönlichkeiten wie dem Protopopen Avvakum und den Brüdern Denisovy gefördert und geprägt wurde. |
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Vortrag zu dem Thema: Altgläubigen-Ikonen von Viktorija
Aleksandrova (protokolliert von Juliane Michael) |
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Das Ideal der altgläubigen Ikonenmaler im Alten
Russland ist Andrej Rublev (um 1360- 1430, russischer Mönch und
Ikonenmaler; Schöpfer der berühmten Dreifaltigkeitsikone
in Moskau um 1411). Den nachfolgenden Malern war und ist es bis heute
aufgegeben
so zu malen wie er bzw. zu versuchen seinen Stil bestmöglich
zu kopieren. Dies spricht für einen bis heute erhaltenen hohen
Grad an Fachwissen, Ritualverbundenheit und Perfektionismus in Technik
und Ausarbeitung. |
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Sie sind
der Meinung, europäische (westliche) Künstler bildeten Heilige
profan und mit zu realistischem Antlitz ab. Altgläubige Ikonenmaler
versuchen Heilige (wie Christus und Maria) so zu zeigen, dass die Heiligkeit
oder das Heil jener Personen deutlich hervortritt. Es geht bei dieser
Art von
Ikonenmalerei um die künstlerische Realisation von „wirklichen Vorstellungen“ von
Gott, d. h. Ikonen werden durch diesen Prozess ebenso wie die Heiligen zu einem
Teil der göttlichen Realität. Ikonen gelten als getreue Abbilder geschichtlicher
oder jenseitiger Urbilder und werden dadurch Träger der dem Urbild eigenen
heiligen Kräfte. Gläubige sollen, wenn sie mit der Ikone in Kontakt treten, die spirituelle, heilige Essenz im Kontext des eigenen Glaubens wahrnehmen, um die Verbindung zum spirituellen Reich realisieren zu können. Dafür müssen sie in der Lage sein, die Ikone, statt mit den Augen, mit der Seele zu betrachten. Diese Fähigkeit wird den nach westeuropäischen Standards erzogenen Menschen und Andersgläubigen oft abgesprochen. Bereits die frühe griechisch-orthodoxe und später die russisch-orthodoxe Kirche benutzten das von der Gattung des spätantiken Portraits ausgehende Kultbild und ihre entwickelte Theologie zur Rechtfertigung ihrer Verehrung. Gerade beim Missionieren vom zumeist lese- und schreibunfähigen Volk spielten Ikonen eine wichtige Rolle, weil durch sie eine Religion, welche sich nur schwer begreifen ließ, fassbarer und unmittelbarer also auch attraktiver zu vermitteln sei. Dies funktioniere, so Viktorija, analog auch heute noch, was daran zu erkennen sei, dass Ikonen weiterhin als „gospels for illiterate“ bezeichnet werden, weil oft Themen und Motive aus dem Evangelium auf Ikonen bildlich dargestellt sind. |