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Andreas Grünschloß      Januar 2003  

 

Klonende Astronautengötter oder Engel in Raumanzügen

Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von Rael und Clonaid

Vor ungefähr zwei Jahren, im Herbst 2000, gingen angebliche Klonprojekte der international organisierten "Raelistischen Religion" schon einmal durch die Medien. Die eigens hierfür gegründete Firma "Clonaid" (www.clonaid.com) sei nach eigenen Angaben in der Lage, lebensfähige menschliche Klone zu reproduzieren. Was zunächst wie purer Science Fiction anmutete, soll mittlerweile -- pünktlich zu Weihnachten 2002 -- tatsächlich gelungen sein: Brigitte Boissellier, Chefin und Sprecherin der Firma Clonaid ließ vor wenigen Tagen verlauten, dass die so genannte"Eve", geboren am zweiten Weihnachtsfeiertag, ein direkter Klon ihrer amerikanischen Mutter sei. Es folgte die Mitteilung, dass in den folgenden Wochen weitere Klon-Babys vorgestellt würden; am 4. Januar soll dann bereits der Klon einer niederländischen Frau geboren worden sein. Obwohl zunächst eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung umgehend in Aussicht gestellt wurde, bezweifelte die Fachwelt diese Erfolgsbehauptungen mit dem nahe liegenden Einwand, für einen erfolgreichen menschlichen Klon hätte eine Unzahl von ethisch nicht vertretbaren Fehlversuchen vorausgehen müssen. -- Warum legt die Raelistische Religion solchen Nachdruck auf das reproduktive Klonen? Was sind ihre zentralen Glaubensvorstellungen und Hoffnungen -- und in welchem religionsgeschichtlichen Kontext wurden sie plausibel?

 

Kontaktler-Ufologie und esoterische Neuoffenbarungen

Claude Vorilhon, ein französischer Sportreporter und Rennfahrer, erlebte nach der Darstellung in seinem "Buch, das die Wahrheit spricht" (le livre qui dit la verité) während einer Wanderung in den vulkanischen Bergen von Clermont-Ferrand 1973 seine erste Begegnung mit einem kleinen grünlich schillernden Alien namens "Jahwe"(!), der ihn während eines mehrtägigen Crash-Kurses in außerirdischer Bibelkunde in die geheimnisvolle Vorgeschichte des Planeten Erde und seiner von Aliens (den "Elohim") gentechnologisch erzeugten Menschheit einweihte. Damit reiht sich Vorilhon, der sich seit dieser Begegnung "Rael" (bzw. "Raël") nennt, in die jüngere Geschichte der Kontaktler-Ufologie ein, die vor allem in den USA seit Anfang der Fünfziger Jahre durch Personen wie George Adamski, George van Tassel, Daniel Fry, Orfeo Angelucci, Ruth Norman oder die berühmte "Mrs. Keech" aus der sozialpsychologischen Studie "When Prophecy Fails" (Festinger, Rieken, Schachter) einen modernen Ableger esoterisch-theosophischer Religionsgeschichte bildete. Bis heute lebt diese, bisweilen mit starken apokalyptischen Endzeitszenarios angreicherte Synthese von ufologischen und esoterischen Glaubensvorstellungen in vielen Formen ufologischer Religiosität fort: u.a. Fiat Lux, Heaven’s Gate, Aetherius Society, Ashtar Command -- bis hin zu einigen zentralen Glaubensvorstellungen bei Scientology.

Beim näheren Hinsehen zeigen die meisten dieser esoterischen Ufologien, die sich auf "Durchsagen", "Channelings" oder Offenbarungen der "Sternengeschwister" bzw. der esoterischen Christusfigur "Sananda" gründen, viele auffällige Übereinstimmungen mit ganz irdischen esoterischen Traditionen auf, die weit ins 19. Jahrhundert zurückreichen und z.B. ohne den maßgeblichen Einfluß der Helena Petrowna Blavatsky und charakteristische Folgetraditionen in der amerikanischen Thesophie (z.B. "I Am"-Bewegung) nicht zu denken wären. Das klassische numinose Personal der Theosophie, die so genannten "Aufgestiegenen Meister", erscheinen im Kontext der Ufologie vielfach als"Engel in Raumanzügen", die sich liebevoll um die Höherentwicklung der Menschheit sorgen. -- Im Gegensatz hierzu wirkt der Inhalt von Raels Verkündigung nüchterner, diesseitsbezogener und nahezu un-esoterisch. Wie bei Däniken verweise der hebräische Plural "Elohim" aus dem biblischen Schöpfungsbericht auf die Tatsache, dass mehrere -- nämlich Außeridische -- an der künstlichen Erschaffung der Menschheit beteiligt waren. "Elohim" bedeute schlicht "die vom Himmel gekommenen" -- eine Behauptung, die sich mit den Mitteln der irdischen hebraistischen Philologie allerdings nicht bestätigen lässt.

 

Robert Charroux und Erich von Däniken lassen grüßen

Die Vorstellung von technologisch überlegenen Außerirdischen als Menschheitsschöpfer hat Vorilhon alias Rael offensichtlich von Gewährsleuten wie Robert Charroux oder Erich von Däniken (u.a.) übernommen. Vor allem Dänikens 1968 erschienener Bestseller "Erinnerungen an die Zukunft" hatte der These "Die Götter waren Astronauten" bereits zu internationalem Durchbruch verholfen, und Vorilhons erstes Buch fügt dem auch wenig Neues hinzu. Der von Däniken ausgehende Boom entsprechender "Astronautengötter"-Literatur und die Entstehung von Laien-Forschungsgruppen zur "Prä-Astronautik" oder "Paläo-SETI" ("Suche nach Extraterrestrischer Intelligenz in der Frühzeit") haben sich dieser Thematik immer wieder in Formen (pseudo-)archäologischer und para-historischer "Forschung" gewidmet, dabei jedoch meist eine strenge Abgrenzung zu religiös-esoterischen Überhöhungen ihrer "Wissenschaft" wie bei der Kontaktler-Ufologie vorgenommen. Zentral für die Prä-Astronautik ist die wissenschaftlich-technologische "Erklärung" und "Entzauberung" der irdischen Religionsgeschichte in Gestalt eines ufologischen Euherismus*: die "Götter" wurden von Menschen als übernatürlich konzeptualisiert und deifiziert; in Wahrheit handelte es sich um technologisch überlegene außerirdische Kulturheroen. Mit dieser Rückprojektion von Raumfahrt und (gen-)technologischen Utopien in die Vergangenheit erweisen sich die prä-astronautischen Spekulationen als eine modern klingende "Neo-Mythologie", die sich aber trotz des rationalen Gestus wissenschaftlicher Falsifikation zu entziehen sucht und -- abgesehen von dem charakteristischen "space age outfit" -- wieder ganz traditionellen Kulturbringermythen aus der Religionsgeschichte ähnelt.

      Mit der Übernahme des Astronautengötter-Mythologems in Gestalt einer ausführlichen Protologie (Lehre von den Ursprüngen) präsentiert sich die Raelistische Religion daher geradezu wie ein "missing link" zwischen manifest religiösen Formen esoterischer Kontaktler-Ufologie, die auf apokalyptische Interventionen von Außerirdischen, einen endzeitlichen Transfer außerirdischen "Cargos", höhere Formen der Spiritualität und technologisch induzierbare Bewusstseinserweiterung, paranormale Fähigkeiten u.v.a. hoffen, und den sich eher nüchtern rational und mit wissenschaftlichem Anspruch darstellenden Formen der Prä-Astronautik oder Paläo-SETI. Im Unterschied zu den losen Forschungsgruppen der Prä-Astronautik sind bei der Raelistischen Religion jedoch konkretere Formen der religiösen Gemeinschaftsbildung und einzelne rituelle oder sakramentale Handlungen (wie z.B. die telepathische Übertragung des DNA-Codes auf außerirdische Computer zum Zwecke einer späteren Replikation zum ewigen Leben) zu beobachten, die eine eindeutige Charakterisierung als Religionsgemeinschaft erlauben -- was für die VertreterInnen der Prä-Astronautik in der Regel nicht zutrifft, obwohl sie eine ähnliche euhemeristische Neomythologie in ihrer Weltanschauung vertreten. Mitunter können aber auch letztere ihre Weltanschauung zu Formen esoterischer Religiosität weiterverarbeiten; Analogien zu Raels Vorstellung eines telepathischen Kontakts mit den Außerirdischen finden sich z.B. auch in E.v.Dänikens 'religiösestem' Buch "Erscheinungen" (1974).

 

Entzauberte Anthropologie und "wissenschaftliche Reinkarnation" durch Klonen

Gemäß der raelistischen Anthropologie besitzt der Mensch keine Seele, sondern ist selbst nur ein künstliches gentechnologisches Produkt außerirdischer Manipulation: " Wir sind nichts anderes als ein Computer, eine Maschine gewissermaßen, dessen Leistungen, verglichen mit denen bestimmter Gegenstände aus menschlicher Herstellung, relativ bescheiden sind", schreibt Rael in seinem Buch "Die sinnliche Mediation" (la méditation sensuelle). Ist der Mensch aber "nichts anderes als ein sich selbst programmierender und sich selbst fortpflanzender biologischer Computer", dann kann er gemäß dieser rationalistischen Anthropologie auch seine eigene Gestalt und Zukunft manipulieren, denn was sollte ihn daran hindern? -- "Was ist die Erschaffung des Lebens im Bauch einer Mutter tatsächlich? Nun, ganz einfach die Erschaffung eines neuen genetischen Codes. ... In all dem ist nichts Magisches oder Mysteriöses. Nur die intelligente Fertigsteuerung der Materie, damit sie sich belebt, wenn Erschaffung stattfindet und die Kombination von zwei Fertigsteuerungen, wenn Fortpflanzung stattfindet." Die Technik des Klonens läßt sich daher Rael zufolge ganz problemlos "mit einer Vermehrung durch Stecklinge vergleichen".

      Doch die eigentliche Utopie der Raelistischen Religion (www.rael.org) besteht in der Hoffnung auf eine "wissenschaftliche Reinkarnation", die "ewiges Leben" auf technologische Weise ermöglicht: Neben der gentechnologischen Reproduktion durch Klonen soll es möglich werden, Klone mit beschleunigtem Wachstum herzustellen und dann individuelles Gedächtnis und Persönlichkeit auf diesen Klon zu übertragen. Auf dem Planeten der Elohim, den Rael nach einer weiteren Begegnung und einem Mitflug im Raumschiff besucht haben will, sei dies schon längst möglich, wenngleich durch Selektion und "Geniokratie" nicht allen gleichermaßen ein Zugang zum ewigen Leben gewährt werden könne. Auch gentechnologisch hergestellte menschliche "Roboter", die den Menschen zu allen möglichen Diensten und zum erotischen Vergnügen zur Verfügung stünden, könnten dann produziert werden. Bei derartigen Aussichten, die Rael selbst in Gestalt eines 'Männerparadieses' auf dem Planeten der Elohim schilderte, handelt es sich nicht nur um scientistische Utopien der Religionsgemeinschaft als solcher, sondern auch die von Rael 1997 gegründete Firma "Clonaid" geht allen Ernstes von dieser Möglichkeit einer Übertragung von Persönlichkeit und Bewusstsein auf künstliche Klone aus, wie auf ihrer Homepage zu lesen steht: "Man wird nach dem Tod in einem brandneuen Körper aufwachen wie nach einem guten nächtlichen Schlaf." Nach Raels Meinung war auch schon die "Auferstehung" Jesu nichts anderes als ein Vorgang extraterrestrischen Klonens, und bei seinem Besuch auf dem Heimatplaneten der Elohim hatte er Gelegenheit, auch die anderen Propheten der Erde kennen zu lernen.

 

Phantastische Wissenschaft: Die Plausibilität der Raelistischen Religion

In diesem mitunter kaltschnäuzig anmutenden Umgang mit menschlichem Klonen als einem wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur "wissenschaftlichen Reinkarnation" erweist sich die Raelistische Religion als typische Variante ufologischer Religiosität im Kontext westlicher Industriegesellschaften: Die Verschmelzung von technologischen Utopien und neomythologischen Geschichtskonstruktionen à la Däniken, gegebenenfalls mit zusätzlichen apokalyptischen Bildern vom baldigen Ende der bisherigen Welt und Menschheit, die zwischen Entzauberung und Wiederverzauberung traditioneller religiöser Vorstellungen oszillieren, scheinen für viele Zeitgenossen den als schmerzhaft empfundenen Riß zwischen wissenschaftlich-technologischem Weltbild und religiösen Traditionselementen oder Heilshoffnungen auf "moderne" Weise heilen zu können, ohne sich traditioneller religiöser Terminologie bedienen zu müssen. Zumindest werten Angehörige von solchen UFO-Glaubensbewegungen die ufologisch-technologische Komponente dieser neuen Religiosität nach eigener Auskunft als einen wichtigen Plausibilitätsfaktor im Kontext der modernen Lebenswelt. Die Sehnsucht nach einer neuen "Einheit der Wirklichkeit", die Religiöses und Wissenschaftliches im Stil einer "phantastischen Wissenschaft" vereint (vgl. hierzu auch die einschlägige Rede von einer "religiösen Technologie" bei Scientology), zieht sich jedenfalls durch alle Traditionen des UFO-Glaubens; zugleich schreibt sie aber den Fortschrittsoptimismus und die Machbarkeitsphantasien westlicher Industriegesellschaften weiter fort.

Die Raelistische Religion liefert mit ihrer Neomythologie von den klonenden Astronautengöttern und ihren künstlichen menschlichen Produkten sogar eine mythologische (und anthropologische) Letztbegründung für jedwedes menschliches Klonen. Auf der individuellen Seite der Anhänger entsteht zugleich eine Neukonstitution der Identität, nunmehr an der wahrlich bedeutsamen Speerspitze der Menschheitsentwicklung unmittelbar beteiligt zu sein und die notwendige Aufklärung voranzutreiben; denn bald wird die Menschheit ausschwärmen und ihrerseits neue Planeten kultivieren und neue Menschen "nach ihrem Bilde" schaffen. Dennoch, die eigenen Angaben von mind. 55.000 Anhängern weltweit sind bei der Raelistischen Religion vermutlich deutlich nach unten zu korrigieren. Die Mitglieder sind eher junge Erwachsene, "white collar workers" mit College-Hintergrund. Folgt man den empirischen Untersuchungen der kanadischen Religionsforscherin Susan Palmer, dann stellen -- zumindest in der wichtigen Region um Montreal -- auch Angehörige aus Branchen des Erotikgewerbes und Menschen mit eher unkonventioneller Sexualität (Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle) einen Anteil der Anhängerschaft, da sie in dieser Gemeinschaft eine unvoreingenommene Aufnahme gefunden haben, die ihnen anderswo eher versagt worden wäre, denn die Raelistische Religion ermutigt ausdrücklich zum experimentellen Umgang mit der eigenen Sexualität. Auch die deutlichen antikatholischen Affekte schaffen z.B. gewisse Plausibilitätsvorteile im frankophonen Kanada, während die Ausbreitung im anglophonen Kanada stagniert. Trotz der effizienten internationalen Organisationsstruktur beruht die Raelistische Religion auf einer eher lockeren Form des Zusammenhalts zwischen den Mitgliedern, der abgesehen von täglichen individuellen Meditationszeiten und monatlichen bzw. jährlichen Treffen oder verschiedenen workshops wenig ritualisiert ist. Der Grad der Verbindlichkeit -- auch hinsichtlich Raels Enthaltsamkeitsvorschriften (Drogen, Alkohol, Tabak, Kaffee) -- ist bei aktiven Mitgliedern des inneren Kreises ausgeprägter als bei sonstigen Raelianern. Radikalere Szenarios wie die selbstinszenierte Apokalypse von Heaven's Gate im Jahr 1997 mit einem kollektiven Suizid von 39 Anhängern sind in diesem Rahmen kaum vorstellbar: Es fehlt eine entsprechend rigide durchgesetzte Gruppenkohäsion mit Weltvermeidungsstrategien; außerdem ist die millenaristische Komponente bei der Raelistischen Religion im Vergleich zu manchen anderen UFO-Glaubensbewegungen mit starken apokalyptischen Naherwartungen (einschließlich kosmologischer Umwälzungen) etwas weniger dramatisch akzentuiert -- wenn man einmal von der nahe bevorstehenden offiziellen Begegnung mit den Elohim absieht, für die der Bau eines besonderen "Botschaftsgebäudes" (space embassy) notwendig sei. Analog zu den melanesischen "Cargo"-Kulten verbindet sich mit diesem Ereignis -- die Rückkehr der einstigen Kulturheroen -- die Erwartung eines weiteren gigantischen Technologieschubs für die irdische Menschheit und ein neues Zeitalter. Doch wie Erich von Dänikens gigantischer Erlebnispark "World Mysteries" in Interlaken zeigt, der im Frühjahr dieses Jahres seine Tore öffnen soll (www.mysterypark.ch), erfreuen sich prä-astonautische Mythologeme auch außerhalb der Raelistischen Religion nach wie vor großer Beliebtheit; mitunter werden auch in den Paläo-SETI-Diskursen und -Publikationen Verbindungen zwischen den "historischen" Astronautengöttern der Antike und zeitgenössischen UFO-Sichtungen hergestellt. In Gestalt einer populären Religionstheorie hat die Prä-Astronautik zudem mehrere Filme wie "Stargate" oder "Mission to Mars" inspiriert; eine weitere -- schon im Titel direkt auf Däniken bezogene -- Abenteuerfilmserie "Chariots of the Gods" ist derzeit in Arbeit.

Bleibt die abschließende Frage, ob es sich bei den jüngsten Pressemeldungen Clonaids tatsächlich nur um publikumswirksame Inszenierungen ohne Wahrheitsgehalt handelt oder nicht. Da der angebliche Klonerfolg Clonaids äußerst unwahrscheinlich anmutet, wird weiterhin mit Spannung zu verfolgen sein, wie die Raelistische Religion damit umgeht. Jüngsten Pressemeldungen zufolge haben Boisselier und Rael bereits mitgeteilt, dass sich Eves Eltern allzu bedrängt fühlen und einer unabhängigen Überprüfung nun doch nicht mehr zustimmen. Auf diese und ähnliche Weise lässt sich ein anstehender Nachweis verschieben oder auch sein völliges Ausbleiben rationalisieren, ohne die Erfolgsbehauptungen -- einschließlich der Ankündigung weiterer Klone -- grundsätzlich revidieren zu müssen. Zugleich schafft man es auf diese Weise, international im Gespräch zu bleiben und potentielle Anhänger oder gutgläubige Klon-Kunden auf sich aufmerksam zu machen. In seinem jüngsten Buch "Ja zum Menschen-Klonen" ließ Claude "Raël" Vorilhon 2001 verlauten, der nahezu kostenlose Medienrummel um "Clonaid" wäre als publicity-Strategie für seine Religionsgemeinschaft bestimmt "mehr als 15 Millionen Dollar wert" und allein deswegen schon "ein voller Erfolg" gewesen: "Darüber lache ich heute noch" (S.97). Ähnlich offenherzig nahm er nun wieder in einem Spiegel-Interview (6.1.2003) zu der jüngsten Berichterstattung Stellung: "Falls eines Tages herauskommen sollte, dass es das geklonte Baby gar nicht gibt, bleibt es trotzdem für mich ein Ereignis, bei dem ich doch heute schon gewonnen habe."

Nachtrag 7.3.2003: In ihren jüngsten Pressemeldungen (Anfang März 2003) berichtet die Raelistische Religion vom Projekt einer sog. "künstlichen Gebärmutter"; es folgt das Originalzitat:

Spätestens mit diesem "Babytron"-Projekt haben die scientistischen Technik-Utopien Clonaids den Boden des wissenschaftlich Glaubwürdigen verlassen, indem sie sich zunehmend an den (weiter oben geschilderten) "Offenbarungen" Raels orientieren. Für den Religionswissenschaftler bleibt ein spannender Vorgang zu konstatieren: die Amalgamierung von Technikfaszination und wissenschaftlichem Forschrittsglaube mit traditionellen religiösen Hoffnungen (z.B. postmortale Fortexistenz), wie sie für mehrere neue religiöse Bewegungen und Weltanschauungen charakteristisch ist.

-- (Januar 2003) Stand:  07. März 2003 --

© 2003 -- Prof. Dr. Andreas Grünschloß, Univ. Göttingen (Abt. Religionswissenschaft)

 


 

Andreas Grünschloß      Okt. 2000

Klonen wie die 'Astronautengötter'

UFO-Glaube als Wurzel für gentechnologische
Machbarkeitsphantasien


 

CLONAID, die weltweit "erste Firma für menschliches Klonen", die nach jüngsten Presseberichten (vgl. den nachstehenden Artikel aus der AZ vom 17.Okt.) einem amerikanischen Ehepaar zur gentechnologischen 'Auferstehung' ihres im Alter von zehn Monaten gestorbenen Kindes verhelfen will, wurde von einem bekannten UFO-"Kontaktler" ins Leben gerufen (www.clonaid.com). Der 1946 unter dem bürgerlichen Namen Claude Vorilhon in Frankreich geborene "Rael" (bzw. "Raël"), ein ehemaliger Sportjournalist und Rennfahrer, erlebte angeblich während einer Wanderung in der Nähe von Clermont-Ferrand eine Begegnung mit einem grünhäutigen außerirdischen Humanoiden. Nach einem späteren Mitflug im UFO wurde er auf einen weit entfernten Planeten gebracht, wo er u.a. auch den früheren irdischen "Propheten" begegnete. Die "Botschaft", die ihm von den Aliens anvertraut wurde, bildete den Grundstock für eine von ihm Mitte der siebziger Jahre gegründete UFO-Gruppe. Die internationale "Raelistische Religion" hat nach eigenen Angaben mittlerweile zwischen 40.000 und 55.000 Mitglieder und ist über die Adressen www.rael.de und www.rael.org auch über das Internet erreichbar. Die internationale Anlaufstelle der Bewegung ist in Genf, ein wichtiges Zentrum liegt seit einiger Zeit in Kanada (Quebec).

Ihre Glaubensvorstellungen enthalten auffällige Erich von Däniken-Motive (vgl. Dänikens Astronautengötter-Mythologem), und sie offenbaren einen scientistischen Tenor: Weit überlegene extraterrestrische Wissenschaftler, die sog. "Elohim" gemäß der Überlieferung des Gottesnamens in der hebräischen Bibel, hätten die Menschen einst in gentechnologischen Labors aus DNA gezüchtet und dann auf die Erde "verpflanzt". Immer wieder seien Propheten oder Botschafter entsandt worden, die jeweils aus einer Verbindung genialer Aliens mit menschlichen Frauen hervorgingen (Moses, Buddha, Jesus, u.v.a.). Rael versteht sich demnach sogar als ein Halbbruder Jesu, da er im Dezember 1945 direkt von JAHWE -- dem ältesten der unsterblichen Aliens -- im UFO gezeugt wurde.

   Rael-Buch: Botschaft der Außerirdischen

Das ursprüngliche "Terraforming"-Projekt der Außerirdischen erreiche jetzt allmählich sein Ziel: Als letzter Prophet in einer langen Kette sei es nunmehr die Aufgabe Raels, die Menschheit auf das seit 1945 einsetzende "Zeitalter der Apokalypse" vorzubereiten, in der die bisherigen Religionen endgültig durch eine überlegene "Wissenschaft" abgelöst würden. Ein sorgenfreies, hedonistisches Leben, in dem die Menschen u.a. von genetisch konstruierten Replikanten "bedient" würden, stehe kurz bevor. Wie in vielen anderen ufologischen Bewegungen der Gegenwart werden in der apokalyptischen Vorstellungswelt der Rael-Bewegung daher auch der Fortschrittsoptimismus und die technologischen Machbarkeitsphantasien westlicher Industriegesellschaften in Gestalt einer 'phantastischen Wissenschaft' fortgeschrieben und mit esoterisch-religiösen Elementen einer schlaraffenlandartigen, endzeitlichen Paradiesvision verschmolzen.

Doch nur ein kleiner auserwählter Teil der Menschheit ("Geniokratie") soll an allen Segnungen dieses ufologischen Millenniums teilhaben können, wenn das planetarische Bewußtsein erleuchtet ist und die Wissenschaft an den Stand der außerirdischen Kulturbringer von einst angeglichen wurde. Dann aber werden die Menschen buchstäblich sein wie die 'Götter': in der Lage, durch den Weltraum zu fliegen oder unbesiedelte Planeten mit Lebewesen "nach dem eigenen Bilde" zu bevölkern. Die Gründung der gentechnologischen Firma "Clonaid" im Jahre 1997 war hier ein buchstäblich naheliegendes Anliegen -- sie erscheint geradezu als ein notwendiges Zeichen der angebrochenen Endzeit, denn das "Klonen von Menschen" ist nach den Pressemitteilungen von Rael nur "als erster Schritt in Richtung des ewigen Lebens" zu werten, "das wissenschaftlich gesehen für alle Menschen möglich ist" (www.rael.de/presse.htm). So stelle auch das "Übertragen von Erinnerung und Persönlichkeit" nach den phantastischen Aussagen auf der Clonaid-Homepage irgendwann keine Schwierigkeit mehr dar: "Man wird nach dem Tod in einem brandneuen Körper aufwachen wie nach einem guten nächtlichen Schlaf" (hier), schließlich war nach Raels Meinung auch schon die Auferstehung Jesu nichts anderes als ein Vorgang extraterrestrischen Klonens.

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Modell der geplanten Weltraum-Botschaft     Neben diesem schon lange anvisierten Projekt für menschliches Klonen plant die Gruppe den Bau einer kostspieligen "Weltraum-Botschaft", in der die Kulturheroen von einst würdig empfangen werden können (siehe nebenstehendes Modell). Zu diesem Zweck wurden bereits Versuche unternommen, entsprechenden Baugrund möglichst nahe bei Jerusalem zu erwerben.

Einen Einblick in die ufologischen Hintergrundannahmen von "Clonaid" und "Rael" bieten nicht nur die Informationen auf den Internetseiten der Rael-Bewegung, sondern auch der in der Nähe von Montreal (Kanada) gelegene Themenpark "Ufoland", der auch über das Internet eine "virtuelle Tour" ermöglicht.     UFO-Nachbildung aus Raels 'Ufoland'

 


 

Emblem der Rael-Bewegung

Das heutige Emblem
der Rael-Bewegung

   Weitere Informationen über Rael und Clonaid liefern u.a. die folgenden Internetseiten:


 

©Andreas Grünschloß --- 10.03.2003

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