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Veröffentlichungen 2003
Göttinger Tageblatt vom 19. Juli 2003, S. 24
Göttingen. (fra) In einem Schreiben an das Tageblatt unter der
Überschrift "Gedenken an den 70. Jahrestag des Reichskonkordates
am 20. Juli und Konsequenzen daraus" wendet sich der Göttinger
Theologe Gerd Lüdemann gegen den Vertrag und seine Auswirkungen: Am
20. Juli 1933 schlossen das Deutsche Reich und der Heilige Stuhl als
Vertreter des internationalen Katholizismus das sogenannte
Reichskonkordat, einen "internationalen" Vertrag. Dem
NS-Regime verschaffte es seinerzeit einen erheblichen Ansehensgewinn
unter der katholischen Bevölkerung Deutschlands. Dieser Vertrag ist
als einziger "internationaler" Vertrag aus der NS-Zeit noch
heute gültig. Da der Staat die beiden großen Kirchen nach dem
Gleichheitsprinzip behandelt, profitieren heute auch die evangelischen
Kirchen von ihm. Das Reichskonkordat dient bis heute als
Rechtfertigung verschiedenster kirchlicher Privilegien. Es erschwert
beispielsweise die längst überfällige Einstellung der sogenannten
"Staatsleistungen" von jährlich insgesamt mehr als 400
Millionen Euro. Ich halte es für fatal, wenn heutige
Kirchenfunktionäre sich zwecks juristischer Absicherung ausgerechnet
auf das Reichskonkordat berufen. Ich fordere die sofortige Kündigung
des Reichskonkordates durch die Bundesregierung, damit sie auch an
dieser Stelle einen Schnitt zur unseligen Nazivergangenheit vollzieht.
Dieser Schritt wäre auch ein begrüßenswerter Einstieg, das durch
sogenannte "Staatskirchenverträge" geprägte Verhältnis
zwischen Staat und Kirchen zu reformieren.
Göttinger Tageblatt vom 19. Juli 2003, S. 24