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Veröffentlichungen 2003
Jörn Barke: "Die reichsten auf der Welt"
Die christlichen Kirchen in Deutschlands sind die reichsten auf
der ganzen Welt und haben keinerlei Schulden. In einzigartiger Weise
durch den Staat begünstigt, bestreiten die evangelischen Kirchen sogar
knapp die Hälfte des Etats des Lutherischen Weltbundes und des
Ökumenischen Rates der Kirchen. Der Staat zieht für sie die
Kirchensteuer ein, bezahlt die Ausbildung der künftigen Geistlichen
und Religionslehrer an den Universitäten und ersetzt auf Verlangen der
Kirchen sogar missliebige Theologieprofessoren, was den Staat pro Fall
jährlich 200.000 Euro kostet. (Infolge der Beanstandung meiner Lehre
durch die Konföderation evangelischer Kirchen kommen auf das Land
Niedersachsen insgesamt zwei Millionen Euro Mehrausgaben zu.)
Weniger bekannt sind die staatlichen Zuwendungen, deren
Rechtgrundlagen bis auf den Reichsdeputationshauptschluss aus dem
Jahre 1803 und davor zurückgehen. Sie betragen für die christlichen
Kirchen in Deutschland jährlich rund 400 Millionen Euro und für die
evangelischen Kirchen in Niedersachsen knapp 30 Millionen Euro.
(Letztere Summe findet ihre rechtliche Begründung in Ý 16 des Loccumer
Vertrages von 1955 zwischen dem Land Niedersachsen und den
evangelischen Kirchen in Niedersachsen.). Mehr als ein Drittel der
deutschen Bevölkerung beteiligt sich so zwangsweise an einer Abgabe,
obwohl diese Menschen keiner der beiden großen Konfessionen angehören.
Man kann der Öffentlichkeit nicht mehr verständlich machen, dass
die schuldenfreien großen Kirchen weiter jährlich 400 Millionen Euro
als Geschenk von einem überschuldeten Staat erhalten und dies
hauptsächlich aufgrund eines Rechtstitels, der zweihundert Jahre alt
ist. Auch ohne diese Abgaben bleiben die Kirchen die am meisten
begünstigten Interessengruppen in unserer Gesellschaft. Sie sollten in
Solidarität mit dem Staat freiwillig auf diese Dotationen verzichten
und so einen Beitrag zu überfälligen Reformen leisten. Zu ihnen muss
in naher Zukunft auch die Neuregelung des Verhältnisses Staat-Kirche
einschließlich des Religionsunterrichtes und der Theologischen
Fakultäten gehören.
Prof. Dr. Gerd Lüdemann.