Gerd Lüdemann's Homepage
Bibliography of all scientific publications
Was er wirklich sagte und tat
(890 Seiten)
zu Klampen-Verlag
Lüneburg, 2, verbesserte Aufl. 2004
ISBN 3934920489
Hardcover mit Schutzumschlag: Euro 44,–
Werner Raupp: "Ein sympathischer Naturbursche"
Gerd Lüdemann zeigt in "Jesus nach 2000 Jahren", wie
wenig vom Messias bleibt
Über die Theologenschaft hinaus ist der umstrittene Göttinger
Neutestamentler Gerd Lüdemann kein Unbekannter mehr. Jetzt hat er ein
neues Buch vorgelegt.
1994 hatte Lüdemann mit einer profunden Studie über die
"Auferstehung Jesu" Schlagzeilen gemacht, in der er die von
den meisten seiner Fachkollegen stillschweigend geteilte Überzeugung
aussprach, dass Jesus im Grab verwest sei. Die evangelische Amtskirche
belegte ihn mit Zensur und betrieb seine Enthebung vom Lehrstuhl für
Neues Testament. Als Ersatz hat die Hochschule ihm den neuen Lehrstuhl
"Geschichte und Literatur des frühen Christentums"
eingerichtet. Seither darf er jedoch keine Prüfungen mehr abnehmen.
Mittlerweile gilt er neben dem Paderborner Ex-Priester Eugen
Drewermann als prominentester Kirchenkritiker.
In seinem jetzt erschienenen 900-seitigen Hauptwerk geht er der
Frage nach, was denn Jesus von Nazareth "wirklich sagte und
tat". Damit zieht er zugleich die Bilanz der seit 250 Jahren
betriebenen historisch-kritischen Bibelwissenschaft, die die
historische Grundlage der christlichen Religion immer mehr
dahinschmelzen liess.
Je mehr man über Jesu Zeitalter in Erfahrung brachte, desto klarer
trat vor Augen, dass zwischen dem historischen Jesus und den
mythologischen Glaubensvorstellungen der christlichen Kirchen ein
tiefer, nicht zu überbrückender Graben klafft. Dem asketischen
Wanderprediger aus Nazareth, der sich nicht für den Messias hielt,
wurden nach seinem Tod zahlreiche Worte in den Mund gelegt und
legendarische Taten zugeschrieben; er wurde vom vergöttlichten
Christus des Glaubens ("Christus-Mythos") weitgehend
aufgesogen.
Die von Lüdemann vorgenommene Analyse dieser frühchristlichen
Tradition (die vier biblischen Evangelien und die Apokryphen) lässt
sich von der redaktions- und traditionsgeschichtlichen
Quellenscheidung leiten, deren Kriterien er in jeder Textpassage
darlegt. Am Ende Buches faßt er den Ertrag zusammen: 90 Worte Jesu,
die mit großer Wahrscheinlichkeit auf den historischen Jesus
zurückgehen.
Davon gehören acht Worte dem apokryphen, gnostischen
Thomasevangelium an (u.a. Logion 42: "Werdet
Vorübergehende"); das biblische Johannesevangelium mit seinem
hochstilisierten Christusbild hingegen geht leer aus. Zu den
bekanntesten Worten zählen: "Liebet eure Feinde" (Matth.
5,44a) und "Es komme dein Reich" (Matth. 6,10a). Mit diesen
Ergebnissen stellt Lüdemann als genuiner Vertreter des liberalen
Protestantismus manch konservative Theologen in den Schatten, die von
weitaus weniger authentischen Jesus-Worten ausgehen. Diese passten,
nach Ansicht einiger Forscher, sogar lediglich auf eine Postkarte.
Im Schlußkapitel skizziert Lüdemann schließlich das Leben und
Schicksal Jesu. Er betrachtet ihn als "schwärmerische
Gestalt" wie auch als "sympathischen und humorvollen
Naturburschen", der möglicherweise als unehelicher Sohn der
Prostituierten Maria das Licht der Welt erblickte. Ruhelos wirkte er
als Exorzist, Weisheitslehrer und Apokalyptiker und erwartete zu
Lebzeiten das Reich Gottes. Als "politischer König der
Juden" wurde er schließlich verleumdet und hingerichtet. Von der
anstelle des Gottesreiches gekommenen judenfeindlichen Kirche und
ihrer bis heute verkündigten christologischen Lehre indes habe er
nichts gewußt. Weder von ihm noch von dieser Lehre könne man heute
Antworten auf die uns bedrängenden Fragen erwarten.
Mit diesem Jesusbild bewegt sich Lüdemann durchaus im weiten
Rahmen der neutestamentlichen Forschung. Mit seinem Buch hat er zudem
eine ihrer Lücken geschlossen. Zugleich hat er ein zuverlässiges
Kompendium geschaffen, das auch dem interessierten Laien ermöglicht,
sich abseits der kirchlichen Bevormundung über die Anfänge der
christlichen Religion in der Person Jesu von Nazareth zu vergewissern.
Dieser wird unserer heutigen Zeit allerdings auch weiterhin ein
Fremder bleiben.
Gerd Lüdemann: Jesus nach 2000 Jahren. Was er wirklich sagte und
tat. - Lüneburg: zu Klampen Verlag 2000, 890 S., 49 Euro. (engl. Ausg:
London: SCM Press 2000)
Werner Raupp
Quelle:
- Südwestpresse, Nr. 184/185, 11./12.8.2000
- Stuttgarter Zeitung, Nr.196, 25.8.2000,
- Göttinger Tageblatt, Nr. 203, 31.8.2000
- Nürnberger Zeitung, 14./15.10.2000
- Pforzheimer Zeitung, Nr. 278, 1.12.2000
- Südkurier (ersch. Januar 2001)
- Publik-Forum. Zeitschrift kritischer Christen, Nr.21,2000, S.59
(gekürzt)
- Historisch-Politisches Buch 48 (2000)