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Veröffentlichungen 1994
Gespräch mit Gerd Lüdemann über sein Buch "Die Auferstehung
Jesu"
"Für die Jünger war sie wichtig"
Die Auferstehung Jesu ist ein heikles Thema, denn sie ist eine
Sache des Glaubens. Sobald sich ein wissenschaftlicher Theologe dem
Thema widmet und zu Ergebnissen kommt, die auch die Bibel in Frage
stellen, setzt ein Sturm der Entrüstung ein So ist es jetzt dem
Göttinger Theologen Gerd Lüdemann ergangen, der ein Buch über
"Die Auferstehung Jesu" geschrieben hat [...]. Er versteht
sie nicht wörtlich Im Sinne der neutestamentlichen Berichte. Für ihn
ist die Auferstehung ein symbolischer Vorgang. Gerd Lüdemann will mit
seinen Thesen nicht den christlichen Glauben zerstören, sondern ihn in
unserer Zeit neu deuten und neue Antworten geben. Dabei bezieht er die
evangelische Tradition der historisch-kritischen Theologie mit ein.
Das Gespräch führten Erich Franz und Joachim Piper in der
EZ-Redaktion.
EZ: Herr Professor Lüdemann, was hat Sie veranlaßt, Ihr Buch über
die Auferstehung zu schreiben?
Prof. Lüdemann: Kurz gesagt, das kirchliche Bekenntnis
"gestorben und auferstanden", wobei meine Lehrer in den
ersten Semestern mir nie erklärten, was denn Auferstehung heißt. Es
wurde gesagt, Jesus sei ins Kerygma (Verkündigung des Evangeliums)
auferstanden, und dabei, bei dieser formalen Beschreibung blieb es.
Diese Frage hat mich seit dem ersten Semester meines Theologiestudiums
förmlich gequält. Das Buch, das ich jetzt geschrieben habe, hat mich
also mindestens 24 Jahre bewegt. Die Abfassung dauerte dann nur noch
drei Jahre.
EZ: Ist ein Christ ein Ketzer, wenn er nicht an die leibliche
Auferstehung Jesu glaubt?
Prof. Lüdemann: Dann müßte man zunächst einmal klären, was heißt
"leibliche Auferstehung Jesu". Wenn man zum Beispiel
darunter versteht, glauben zu müssen, daß Jesus vor den Jüngern
wirlich etwas gegessen hat, dann muß meines Erachtens ein Christ daran
nicht glauben. Und er ist kein Ketzer. Im übrigen möchte ich darauf
hinweisen, daß der Begriff Ketzer in der evangelischen Kirche eine
ganz andere Bedeutung hat als in der römisch-katholischen: Unsere
evangelische Kirche ist eine Kirche der Freiheit, auch der
Denkfreiheit.
EZ: Der leiblich auferstandene Jesus ist für viele Christen eine
selbstverständliche und trostvolle Glaubenstatsache. Darüber anders zu
denken und trotzdem Christ zu bleiben, haben viele nicht gelernt. Ist
die Kirche zu einseitig in ihrer Lehre und Predigt von der
Auferstehung?
Prof. Lüdemann: Das scheint mir In der Tat der Fall zu seln. Die
Kirche hat es zuweilen versäumt, die verschiedenen Vorstellungen von
Auferstehung im Neuen Testament zu klären. So bestehen erhebliche
Unterschiede, indem zum Beispiel eine fleischliche Auferstehung
gelehrt wird oder eine leibliche Auferstehung oder ein ewiges Leben.
Diese unterschiedlichen Vorstellungen weisen aber alle in eine
bestimmte Richtung, und um diese Richtung, um diese Denkrichtung geht
es eigentlich. Darübes hätten die Kirche und die Theologen mehr
nachdenken sollen. Zum Beispiel auch darüber, ob hier der Begriff des
Symbols möglicherweise eine Rolle spielt. Auferstehung als Symbol, als
Ausdruck, als Teilhabe an etwas anderem, nämlich an Gott,
EZ: Symbole entstehen ja immer in ihrer Zeit und in ihrer Umwelt.
Das heißt, Symbole der heutigen Art können ja nicht den Glauben der
damaligen Zeit im ersten christlichen Jahrhundert nachvollziehen.
Prof. Lüdemann: Die Frage ist dann, ob heutige Pastoren und
Pastorinnen noch über "Die Auferstehung" predigen können.
Ich sage, man kann niemals über "die Auferstehung" predigen,
sondern höchstens über Jesus. Und an der Begegnung mit Jesus entzünden
sich Bilder von Hoffnung, die eine Aussage über die Zukunft machen,
die für den Christen, die Christin gewiß ist. Also das Zentrum ist
nicht die Lehre von Auferstehung, sondern die Person Jesu.
EZ: Müssen wir dann das Jesusbild freilegen von den verschiedenen
Schichten der Interpretation, der Meditation durch die Jahrhunderte,
und wenn ja, wie kommt man durch Ihre theologische Forschung an die
Urbilder dieser Symbole heran?
Prof. Lüdemann: Die entscheidende Frage ist, wie kommen wir an die
historische Person Jesu heran. Entscheidungen, Symbole entstehen
immer, entzünden sich immer an historischen Gegebenheiten und führen
danach ein gewisses Eigenleben, je nach der Kultur. Also die Aufgabe
der Theologie ist zu zeigen, wie sich an der historischen Person Jesu
von Nazareth Symbole der Hoffnung entzünden. Das war damals so, und es
ist heute auch noch so.
EZ:Seit wann wird in der evangelischen Theologie
historisch-kritisch über die Auferstehung nachgedacht, und von weIchen
Denkern gingen auf diesem Gebiet die wichtigsten Impulse aus?
Prof. Lüdemann: Über die Frage der Historität der Auferstehung
wird in der evangelischen Theologie seit der Aufklärung nachgedacht.
Aber auch hier erst sehr zögernd. Es ist sehr bezeichnend, daß die
erste Arbeit über die Auferstehung, von dem Orientalisten und
Theologen Hermann Samuel Reimarus (1694-1768) in Hamburg geschrieben,
zunächst gar nicht veröffentlicht wurde. Als Lessing 1774 Teile daraus
publik machte, war es eine große Sensation. Reimarus meinte, die
Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen und dann erzählt, sie hätten
Jesu gesehen. Dieses sehr zögernde Umgehen mit dem Thema, auch mit
Reimarus, dessen vollständiges Werk erst 1972 (!) veröffentlicht
wurde, wirft vielleicht ein bezeichnendes Licht auf das heikle Thema
"Auferstehung" in der evangelischen Theologie. Man hat sich
- mit anderen Worten - immer zurückgehalten. Ich weiß nicht, aus
welchem Grund. Vielleicht, weil man in Angst befangen ist.
EZ: Wer wäre von den Theologen des 19. beziehungsweise 20.
Jahrhunderts noch an herausragender Stelle zu nennen?
Prof. Lüdemann: David Friedrich Strauß "Das Leben Jesu"
(1836). Er verwarf die Betrugshypothese von Reimarus und meinte, die
Jünger hätten Visionen gehabt. David Friedrich Strauß (1806-1874)
hatte, als dieses Leben Jesu geschrieben war, eine Berufung an die
Universität Zürich erhalten und wurde im Augenblick seiner Einstellung
gleich wieder pensioniert, weil sich ein großer Teil der Züricher
Christen entschieden gegen ihn als Theologieprofessor ausgesprochen
hatte.
Die eigentlichen Schüler von David Friedrich Strauß sind in der
Frage der Auferstehung Jesu Emanuel Hirsch (1888-1972) und Rudolf
Bultmann (1884-1976), der die erste Auflage seiner "Synoptischen
Tradition" dem Andenken von David Friedrich Strauß widmen wollte,
dann aber aus taktischen Gründen diese Widmung unterlassen hat. Das
Werk von David Friedrich Strauß zieht sich wie ein roter Faden durch
das Rudolf Bultmanns. Insofern sind wir mit den heutigen Fragen direkt
angeschlossen an die Fragen des 19. Jahrhunderts. Bultmann hat den
Konflikt zwischen Geschichte und Theologie dadurch gelöst, daß er
behauptete, "Jesus sei in das Kerygma auferstanden". Das
ermöglichte ihm, sich ungebrochen an die
"Wort-Gottes-Theologie" Karl Barths anzuschließen, aber
gleichzeitig in der Frage der Auferstehung Jesu dieses verheerende
Ergebnis historischer Forschung zu präsentieren. Ich bemühe mich um
die Synthese dieser beiden Aspekte, die bis heute noch nicht gelungen
ist.
EZ: Wie können wir, Professor Lüdemann, für unsere Leserinnen und
Leser diese Verbindung der theologischen Lehre von Bultmann und Strauß
verdeutlichen?
Prof. Lüdemann: Strauß' Thesen zur Auferstehung Jesu sind in
seinem zweibändigen, schon erwähnten Werk "Das Leben Jesu"
entwickelt. Sie stehen im Rahmen einer Darstellung des Lebens Jesu, in
dem er behauptet, daß Jesus ein Phantast gewesen sei. Mit diesem
Phantasten oder Enthusiasten Jesus kann der Glaube verständlicherweise
nicht viel anfangen und Bultmann auch nicht. Bultmann konnte diese
damals radikalen Ergebnisse übernehmen, ohne sein Theologendasein
aufzugeben, indem er Anschluß fand an die
"Wort-Gottes-Theologie" Karl Barths. Konsequenterweise
meinte er, alles, was er über Jesus sage, könne man auch in
Anführungszeichen setzen. Und der Anschluß an David Friedrich Strauß
wird zum Beispiel auch daran deutlich, daß Bultmann sagt, wir wüßten
nicht, ob Jesus nicht innerlich zusammengebrochen sei. Damit wird
impliziert, daß er wirklich zusammengebrochen sei, und es wird weiter
wahrscheinlich gemacht oder nahegelegt, daß man auf Jesus gar nicht
bauen kann.
Ich habe die historischen Erkenntnisse Straußens zur Auferstehung,
das heißt die Zurückführung der Auferstehungslehre auf Visionen,
ernstgenommen und gleichzeitig nachgefragt, ob sein Jesusbild
zutrifft. Und zu meiner Überraschung habe ich gemerkt, daß wir sehr
viel mehr über Jesus aussagen können, als daß er ein apokalyptischer
Schwärmer gewesen sei. Er wußte sehr wohl, was er tat. In dem, was er
über Gott lehrte, über die Menschen und über die Vergebung der Sünden
zum Beispiel, findet sich eine Entsprechung in der späteren
Ausformulierung des Osterglaubens der ersten Jünger.
So habe ich auf historischem Wege zeigen können, daß inhaltlich
eine Entsprechung besteht zwischen dem Osterglauben der Jünger und der
Verkündigung Jesu. Mit anderen Worten, Jesus bedurfte nicht der
Auferstehung. Mit ihm war Gott gegenwärtig. Die Jünger bedurften der
Auferstehung, um Jesus überhaupt richtig verstehen zu können. Also
meine Thesen wollen auf Jesus zurückführen, auf Jesus selbst, nicht
auf Vorstellungen von seiner Auferstehung.
EZ: Konnte denn Jesus ohne die Vorstellung von der Auferstehung
überhaupt Sohn Gottes sein?
Prof. Lüdemann: Zunächst einmal möchte ich darauf verweisen, daß
"Sohn Gottes" ein Symbol ist. Im wörtlichen Sinne konnte
Jesus natürlich nicht "Sohn Gottes" sein, wenn Sie sich das
vorstellen, sondern "Sohn Gottes" drückt seine hervorragende
Stellung aus. Oder anders gesagt, wenn ich von Jesus spreche als Sohn
Gottes, dann meine ich, daß Jesus teilhat an Gott. In diesem Sinne
könnte ich von Jesus ohne Auferstehung als dem Inkarnierten, dem
fleischgewordenen Sohn Gottes sprechen.
EZ: Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtiger zu fragen, wie der
historische Jesus tatsächlich gelebt hat, als im Gegenteil zu fragen,
wie er von seinen Jüngern und von den Nachlebenden geglaubt wurde?
Prof. Lüdemann: Die Voraussetzung der Theologie Bultmanns in
Anlehnung an die Dialektische Theologie ist, daß Jesus nicht in die
Theologie des Neuen Testaments hineingehört, sondem zu deren
Voraussetzungen. Theologie gebe es erst, seitdem etwas über Jesus
gesagt wird. Das geht zurück auf Martin Kähler (1835-1912), der dieses
1892 geäußert hat unter Polemik gegen die historisch-kritische
Jesu-Leben-Forschung.
Jetzt, etliche Jahrzehnte nach dem Aufkommen der Dialektischen
Theologie, dürfte es jedem vernünftigen Menschen einleuchten, daß es
aus historischen Gründen nicht möglich ist, Jesus und das frühe
Christentum so auseinanderzudividieren. Jesus ist gewissermaßen der
Stifter des Christentums oder der Gründer dieser Bewegung, denn wie
soll man sich das anders vorstellen.
Man müßte voraussetzen, daß die frühe Gemeinde unendlich viele
Geschichten über Jesus produziert hätte, statt - was jetzt
wahrscheinlicher ist - historische Jesustraditionen weiterentwickelt
zu haben. Also aus allgemein historischen Überlegungen ist eine
Verbindung zwischen Jesus und der frühesten Gemeinde zwingend. Wenn
dem so ist, gehört Jesus mit in die Theologie des Neuen Testaments. Er
steht am Anfang der Theologie. Auf ihn, auf sein Auftreten reagieren
die ersten Theologen.
EZ: Gibt es Ihrer Meinung nacb wirklich einen Gegensatz zwischen
dem Glauben an den historischen Jesus uan den Erfahrungen mit dem
geglaubten Christus?
Prof. Lüdemann: Ich darf Ihre Frage vielleicht so formulieren:
Gibt es einen Gegensatz zwischen Jesus und Christus, oder wie verhält
es sich damit? Ich sage, es gibt nur einen Jesus, wie es auch nur ein
Evangelium gibt. Es ist ein und derselbe Jesus.
EZ: Wenn wir an die pfarramtliche Praxis denken, dann gibt es
bestimmt die Frage: War Jesus der erste Christ?
Prof. Lüdemann: Ich könnte die Frage auch ergänzen: War Paulus ein
Christ? Diese Frage wird oft dann so entschieden: Jesus war Jude und
Paulus war der erste Christ. Aber ich glaube, man muß es umkehren und
von den späteren Bezeichnungen der Jesusbewegung absehen. Die
Bezeichnung "Christ" kam erst viel später auf. Die
eigentliche Frage lautet doch: "Gehört Jesus in die Bewegung mit
hinein, die sich später zur Kirche entwickelte?" Darauf antworte
ich mit einem klaren "Ja".
EZ: Müssen wir nach Ihrem Buch das Glaubensbekenntnis neu
schreiben, weil die Erfahrung von Auferstehung nicht mehr geglaubt
werden kann?.
Prof. Lüdemann: Ich gehe noch weiter. Ihre Frage betrifft das
gesammte Glaubensbekenntnis. Es müßte ja im Grunde genommen, jede
Einzelheit neu geschrieben werden, und in dem Falle behielt ich doch
bei, zu sagen, wir glauben mit unseren Vätern und Müttern, und setzte
dabei von vornherein voraus, daß das Glaubensbekenntnis selbst
interpretationsbedürftig ist. Also entweder das ganze
Glaubensbekenntnis beibehalten oder es völlig neu schreiben. Ich
plädiere für das erstere.
EZ: Sie nennen ihr Buch einen Denkversuch. Glauben Sie persönlich
an die Auferstehung, oder ist sie für Sie ein Denkversuch?
Prof. Lüdemann: Es mag Sie vielleicht entsetzen, daß ich sage, sie
ist für mich ein Denkversuch. Aber ich möchte gleich folgendes
hinzufügen. In unseren christlichen Quellen und Traditionen hat die
Vorstellung der Auferstehung eine zentrale Bedeutung. Darüber denke
ich nach und versuche, ihren eigentlichen Sinn zu ergründen und den
Anlaß für diese Vorstellung aufzuzeichnen.
lnsofern ich wie Jesus glaube und mich von dem von ihm angefachten
Feuer innerlich erwärmen und in diese Bewegung hineinstellen lasse,
glaube ich auch daran, daß die von ihm gelebte und vermittelte Einheit
mit Gott über den Tod hinaus Bestand hat. Aber in dieser Reihenfolge,
bitte nicht als losgelöste Vorstellung'
EZ: Hat die Auferstehung für Jesus nun eine Bedeutung? Ja oder
Nein?
Prof. Lüdemann: In Jesus war das ganze göttliche Sein gegenwärtig.
Dieses göttliche Sein, dies neue Sein bedarf keines Beweises.
EZ: Ist die Hoffnung auf Leben nach dem Tode durch Ihre Ergebnisse
aussichtslos geworden? Was soll Trauernde dann an Gräbern trösten?
Prof. Lüdemann: Die Frage ist nicht aussichtslos geworden, nur ich
möchte diese Frage an ihren richtigen Ort stellen. Und zwar gehört sie
dort hin, wo wir durch Jesus in eine Gemeinschaft mit Gott
hineingeführt werden. Diese Gemeinschaft mit Gott dauert über den Tod
hinaus. Mehr kann man darüber meines Erachtens nicht sagen, aber auch
nicht weniger.
EZ: Herr Lüdemann, haben Sie als Wissenschaftler selbst Erfahrung
im Predigen?
Prof. Lüdemann: Fast überhaupt keine. Ich habe in zehn Jahren in
Göttingen einmal gepredigt, hatte dabei aber Gewissensbisse. Diese
Gewissensbisse, auf die Kanzel zu steigen und zu predigen, habe ich
nicht mehr, seitdem ich dieses Buch über die Auferstehung Jesu
geschrieben habe, und zwar deswegen, weil ich jetzt mit gutem Gewissen
über Jesus als Grund meines Glaubens reden kann. Endlich kann ich ihn
argumentativ auch im Gespräch mit Nichtchristen vertreten, dabei ganz
ehrlich bleiben und die Einladung Jesu zur Gemeinschaft der Kinder
Gottes weitergeben. Der Rest ist dann nach meiner Erfahrung Sache des
heiligen Geistes.
EZ: Evangelische und katholische Theologen haben Ihre
Auferstehungshypothesen, wonach der Leichnam Jesu vermutlich verwest
sei, schroff zurückgewiesen. Wolfhart Pannenberg aus München sagte,
Ihre Ausführungen entbehrten jeder Grundlage und seien pure Fantasie.
Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Prof. Lüdemann: Zunächst einmal möchte ich formal fragen, wie es
möglich ist, daß ein Wissenschaftler einen anderen Wissenschaftler
aufgrund eines nicht gelesenen Buches schon im vorab verurteilt? Das
ist äußerst bedauerlich. Auf der anderen Seite haben einige
evangelische und katholische Theologen Stellung genommen. Ich
behaupte, daß die Mehrheit der heutigen deutschsprachigen Exegeten
diese These voraussetzt, ohne sie, aus welchen Gründen immer, offen
auszusprechen. Ich betrachte mich hier nur als kritischer Vollender
des Werkes von Rudolf Bultmann, dessen Thesen zur Traditionsgeschichte
der Auferstehungsgeschichten allgemeiner Konsens sind.
EZ: Spielt das Thema Auferstehung im Gespräch mit Ihren
Studentinnen und Studenten eine Rolle, beziehungsweise haben Sie
Veranstaltungen zu diesem Thema angeboten?
Prof. Lüdemann: Ich habe etwa sechs bis sieben Seminare angeboten,
und etwa 25 bis 30 Studentinnen oder Studenten haben darüber bei mir
Seminararbeiten geschrieben. Von diesen Beiträgen habe ich am meisten
profitiert, und ich freue mich besonders, daß die, die Arbeiten
geschrieben haben, ihre eigenen Meinungen in meinem Buch
wiederentdecken werden.
(Evangelische Zeitung, 20. Februar 1994)