Gerd Lüdemann's Homepage
Recent Interviews/Press Releases
Veröffentlichungen 1999
Lüdemann will angehende Pfarrer wieder prüfen dürfen
Von Hartmut Meesmann (Wiesbaden)
Der Göttinger Neutestamentler Gerd Lüdemann will wieder volles
Mitglied der Evangelisch-Theologischen Fakultät werden. Deshalb hat er
über seinen Rechtsanwalt Widerspruch gegen eine Verfügung von
Universitätspräsident Roland Kern eingelegt, mit der dieser ihm einen
Sonderstatus zugewiesen hatte. Der streitbare Wissenschaftler Lüdemann
hatte sich Anfang 1998 öffentlich vom Christentum losgesagt. Daraufhin
wurde sein Lehrstuhl für Neues Testament von der Universitätsleitung
auf Drängen der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen
in "Geschichte und Literatur des frühen Christentums"
umgewidmet.
Lüdemann blieb zwar der theologischen Fakultät zugeordnet, ihm
wurde aber verwehrt, Prüfungen im theologischen Diplomstudiengang
abzunehmen und prüfungsrelevante Seminarscheine auszustellen. Auf
dieses Verbot hatte die Fakultät bestanden. Zur Begründung hieß es,
indem Lüdemann der evangelischen Theologie die Wissenschaftlichkeit
abspreche, habe er faktisch den Raum der Fakultät verlassen.
Lüdemann hat seine Zustimmung zur Sonderstatus-Regelung jetzt
zurückgezogen. Wie sein Rechtsanwalt, der Verwaltungsrechtler Wolfgang
Müllensiefen, der FR erklärte, seien Lüdemann und er überzeugt, daß
die vom niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur
erlaubte Regelung nicht von der Hochschulgesetzgebung und den Loccumer
Verträgen zwischen evangelischer Kirche und Landesregierung gedeckt
sei. Außerdem sei ihm, so Lüdemann, eine 1994 "dauerhaft
zugesicherte Assistentenstelle genommen" und die
Mittelausstattung für seinen Lehrstuhl "drastisch
heruntergefahren" worden. Dies alles bedeute eine erhebliche
Einschränkung seiner Freiheitsrechte als Wissenschaftler.
Seitens der Fakultät heißt es dazu, die Assistentenstelle gehöre
in die Lehre. Da Lüdemann aber nicht mehr lehre, habe er keinen
Anspruch auf diese Stelle.
Der Versuch einer gütlichen Einigung zwischen Lüdemann und
Unipräsident Kern scheiterte. Jetzt setzt Lüdemann auf die
aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs. Da Kern jedoch an Lüdemanns
Sonderstatus festhalten will, "bleibt mir nur der Gang vors
Verwaltungsgericht", so der Neutestamentler. Er wolle wieder
prüfen dürfen. "Man sieht doch, daß selbst im Bereich der
staatlichen Diplomprüfung und der Prüfung für das Amt des
Gymnasiallehrers die Kirche ihre Hände im Spiel hat."
Wissenschaftliche Forschung und Lehre habe jedoch mit Glauben nichts
zu tun. Letztlich gebe es deshalb nur eines, sagt Lüdemann: "Die
vollständige Trennung zwischen Kirche und Staat."
Copyright © Frankfurter Rundschau 1999
Dokument erstellt am 04.06.1999 um 20.45 Uhr
Erscheinungsdatum 05.06.1999