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Forderung inkonsequent

(Göttinger Tageblatt vom 9. November, 2002)

Zum Bericht "Pastor gegen 'Judenhasser'-Ehrung" Göttinger Tageblatt vom 30. Okt. 2002

Heinrich von Treitschke war in der Tat ein schlimmer Antisemit. Insofern ist die Forderung von Pastor Gaillard, die an Treitschke erinnernde Tafel abzunehmen, durchaus gerechtfertigt. Unverständlich ist jedoch folgendes: Warum setzt sich Herr Gaillard nicht zugleich dafür ein, die antijudaistischen Teile des Neuen Testaments zu streichen? Immerhin wird in Johannes 8,44 behauptet, daß die Juden den Teufel zum Vater haben. Ferner fragt sich, warum Herr Gaillard nicht fordert, auch die zahlreichen Lutherdenkmäler und -gedenktafeln in Deutschland zu entfernen. Denn Luther war ebenfalls Antisemit. In seiner Schrift "Von den Juden und ihren Lügen" aus dem Jahre 1543 ruft er gar dazu auf, die Synagogen und Schulen der Juden mit Feuer anzustecken, und begründet dies unter anderem damit, daß die Juden "1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen und noch sind". Von Luther bis zu Treitschke ("Die Juden sind unser Unglück") ist es demnach nicht weit. Oder sollte für Pastor Gaillard ein theologisch motivierter Antijudaismus etwa weniger schwer wiegen als ein rassistisch begründeter?

Prof. Dr. theol. Gerd Lüdemann


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Letzte Aktualisierung am 22. April 2020
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