Neben den vielen Arten der Überfamilie Sciaroidea, die
eindeutig einer der gut begründeten Familien zuzuordnen sind,
gibt es auch wenige Arten, die sich nicht sicher einer Familie
zuordnen lassen. Viele Forschungsarbeiten zu den Sciaroidea
haben diese "schwierigen Arten" ignoriert oder sie in einen
"Sammeltopf" geworfen, der als Sciaroidea incertae sedis (=
"Sciaroidea mit unsicherer Zuordnung") bekannt ist. Erst als
Chandler (2002) in seiner bahnbrechenden Arbeit zeigte, dass
diese "schwierigen Arten" offenbar Ähnlichkeiten mit Arten
haben, die man nur als Fossilien aus dem Bernstein kennt, kam
Bewegung in die Erforschung dieser Tiere. Konnte es etwa sein,
dass es sich hier um eine (fast) ausgestorbene Linie der
Sciaroidea handelt, von der nur wenige Arten bis heute
überlebt haben, quasi als "lebende Fossilien"?
In der Zwischenzeit sind Studien erschienen (siehe Abb. 1 und
Abb. 2), in denen die Verwandtschaftbeziehungen der rezenten
Vertreter der "Sciaroidea incertae sedis" mittels
molekulargenetischer Vergleiche untersucht wurden. Es zeigte
sich, dass die rezenten "Sciaroidea incertae sedis" keine
monophyletische Verwandtschaftsgruppe bilden. Die Idee, dass
es sich hier um eine alte Verwandtschaftslinie handelt, von
der nur wenige Arten bis heute überlebt haben, muss also
aufgegeben werden. Allerdings bildet der größte Teil der
rezenten Arten sehr wohl einen separaten Zweig in den
phylogenetischen Stammbäumen der verfügbaren Analysen, so dass
es sich hier also tatsächlich um eine separate monophyletische
Abstammungslinie handelt (Abb. 1, Abb. 2).
Die monophyletische Gruppe aus dem Großteil der rezenten "Sciaroidea incertae sedis" kann also mit großer Sicherheit als eigenständige Familie innerhalb der Sciaroidea anerkannt werden. Einige Arten in dieser Gruppe sind bereits als Typusarten für Taxa auf Familien- oder Unterfamilienrang (sog. family-group names nach dem International Code of Zoological Nomenclature) verwendet worden, so dass der älteste dieser Namen als Name für die Familie gelten kann. Es sind dies:
(1) Rangomaramidae Jaschof et Didham, 2002
(Typusgattung: Rangomarama)
(2) Sciarosominae Hippa et Vilkamaa, 2005
(Typusgattung: Sciarosoma)
(3) Sciarotrichinae Hippa et Vilkamaa, 2005
(Typusgattung: Sciarotricha)
(4) Chiletrichinae De Souza Amorim et Rindal, 2007
(Typusgattung: Chiletricha)
Der älteste Name für die Familie ist daher Rangomaramidae.
Es ist allerdings argumentiert worden (siehe z. B. Chandler
2002; Hippa & Sevcik 2014), dass sehr sicher auch einige
der fossilen "Sciaroidea incertae sedis"-Arten in diese
Familie gehören und deshalb auch Familien-Namen in Betracht
gezogen werden müssen, die für diese fossilen Arten geschaffen
wurden und die in vielen Fällen zeitlich weit vor den
Familien-Namen für die rezenten Arten publiziert wurden.
Beispielsweise ist der älteste Familien-Name für eine der
fossilen "Sciaroidea incertae sedis" bereits im Jahr 1938
publiziert worden: Antefungivoridae Rohdendorf, 1938
(Typusgattung: Antefungivora). Hippa & Sevcik (2014)
vermuten, dass dies der valide Name der Familie sein könnte.
Ich stimme der generellen Argumentation von Hippa & Sevcik
(2014) zwar zu, jedoch gibt es bislang keine phylogenetische
Studie, die nahelegt, dass die Typusgattung der
Antefungivoridae oder irgendeine andere fossile Gattung
tatsächlich in jene monophyletische Gruppe gehört, die sich
für die rezenten Arten abzeichnet. In der Analyse von Hippa
& Vilkamaa (2005) zumindest scheint die Gattung
Antefungivora eher zur Familie Diadocidiidae zu gehören. Ich
ziehe die zahlreichen Familien-Namen für fossile Vertreter
deshalb zum aktuellen Zeitpunkt nicht in Betracht und
beschränke mich bei der Suche nach dem validen Familien-Namen
nur auf die rezenten Arten: ich verwende hier in der
Zoographia Germaniae als validen Namen für die Familie, die
von den "restlichen Sciaroidea incertae sedis" gebildet wird,
den Namen: Rangomaramidae. Diese Familie ist in Deutschland
nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur mit einer einzigen Art
der Gattung Sciarosoma vertreten.