Geschichtliches
Agrikulturchemie an der Universität Göttingen
- Ein kurzer geschichtlicher Abriss -
Eberhard Przemeck
(Ergänzungen seit 2006 Reinhard Hilmer)
Tabellarische Zusammenfassung
1827/28 |
Carl Sprengel hält im Wintersemester erstmals an einer deutschen
Universität in Göttingen eine Vorlesung über „Agricultur-Chemie“. |
1873 - 1911 |
Bernhard Tollens Direktor des 1873 eingerichteten Agrikulturchemischen
Laboratoriums am Landwirtschaftlichen Institut, Nikolausberger Weg. |
1911 - 1921 |
Paul Ehrenberg Direktor des Agrikulturchemischen Instituts |
1921 - 1945 |
Edwin Blanck Direktor des Agrikulturchemischen Instituts, Umbenennung in
Agrikulturchemisches und bodenkundliches Institut. |
1945 - 1967 |
Fritz Scheffer Direktor des
Agrikulturchemischen und bodenkundlichen Instituts. |
1964 |
Auf Empfehlung des Wissenschaftsrats Teilung des Lehrstuhls in Bodenkunde
(F.Scheffer) resp. Agrikulturchemie. |
1965 - 1978 |
Erwin Welte Direktor des Instituts für Agrikulturchemie. |
1973 - 1997 |
Eberhard Przemeck Abteilungsvorsteher für Biochemie und Physiologie der
Ertragsbildung am Institut für Agrikulturchemie. |
1980 - 1990 |
Karl Müller Leiter der Arbeitsgruppe Qualität pflanzlicher Produkte am
Institut für Agrikulturchemie. |
1983 - 1993 |
Albrecht Jungk Inhaber des Lehrstuhls Agrikulturchemie. |
1995 - 2007 |
Norbert Claassen Inhaber des Lehrstuhls Agrikulturchemie. |
seit 1995 |
Elke Pawelzik Leiterin der Abteilung Qualität pflanzlicher Produkte am
Institut für Agrikulturchemie. |
2006 |
Auflösung des Instituts für
Agrikulturchemie und Eingliederung der Abteilung Pflanzenernährung und
der Abteilung Qualität pflanzlicher Erzeugnisse in das neu geschaffene
Department für Nutzpflanzenwissenschaften, die ehem. Abteilungen sind
zum Aufgabengebiet Agrikulturchemie zusammengefasst. |
2008 - August
2009 |
Joachim Schulze
kommissarischer Leiter der Abt. Pflanzenernährung und
Ertragsphysiologie |
September 2009
- März 2011 |
Elke Pawelzik
kommissarische Leiterin der Abteilung Pflanzenernährung und
Ertragsphysiologie |
April 2011 |
Klaus Dittert wird
Leiter der Abteilung Pflanzenernährung und Ertragsphysiologie. |
April 2019 |
Susanne Neugart wird
Leiterin der neu geschaffenen Abteilung Qualität und Sensorik
pflanzlicher Erzeugnisse |
Die Tradition der Agrikulturchemie als
selbständiges Gebiet der akademischen Lehre reicht bis zum Jahr 1827
zurück, als Carl Sprengel (1787 - 1859) im Wintersemester 1827/28 erstmals
an einer deutschen Universität in Göttingen eine 5stündige Vorlesung mit
dem Thema „Agricultur-Chemie“ hielt. Sprengel, Schüler und später
Mitarbeiter von A. Thaer, erkannte während seiner landwirtschaftlichen
Forschungs- und Beratungstätigkeit, dass naturwissenschaftliche
Grundkenntnisse notwendig für erfolgreiche landwirtschaftliche Tätigkeiten
sind. Im Alter von 34 Jahren begann er an der Georgia-Augusta
Naturwissenschaften (Schwerpunkt Chemie) zu studieren, promovierte zwei
Jahre später (1823) und erlangte 1826 die venia legendi. Als Privatdozent
setzte er seine wissenschaftlichen Arbeiten in Göttingen mit chemischen
Untersuchungen an Böden, Pflanzen und Düngern fort und lehrte
Agrikulturchemie. Er wies erstmals nach, dass Pflanzen für Wachstum und
Entwicklung Mineralstoffe
benötigen, die sie mit ihren Wurzeln aus dem Boden aufnehmen. Mit diesen
Erkenntnissen schuf er die Grundlagen der „Mineralstofftheorie“ (1826),
mit welcher er der Thaer’schen Humustheorie widersprach („Pflanzen
ernähren sich von Humus“), erkannte aber den Humus als Träger und
Lieferant von mineralischen Nährstoffen. 1828 formulierte er das „Gesetz
vom Minimum“, - 27 Jahre vor Liebig. Die Göttinger agrikulturchemischen
Arbeiten Sprengels insgesamt können als Beginn der
Pflanzenernährungs-Wissenschaft der Neuzeit gewertet werden.
Um offenbar letzte Zweifel an der Mineralstofftheorie zu beheben, griff
die Göttinger ‘Königl. Gesellschaft der Wissenschaften’ 1838 die Frage
nach der Notwendigkeit von Mineralstoffen für das Pflanzenwachstum erneut
auf und schrieb eine von einem „Freund der Wissenschaften“ mit 30 Pistolen
(1 P = 1 goldenes Fünfthalerstück) dotierte Preisaufgabe aus, in der zu
beantworten war, „ob die so genannten unorganischen Elemente (Kalium,
Eisen Silizium etc.) auch dann in den Pflanzen sich finden, wenn sie
denselben von Außen nicht dargeboten werden, und ob jene Elemente so
wesentliche Bestandtheile des vegetabilischen Organismus sind, daß dieser
sie zu seiner vollständigen Ausbildung durchaus bedarf?“ (F. G. Bartling,
A. A. Berthold, F. Wöhler). Im Sinne der Sprengel’schen
Mineralstofftheorie haben der Biologe A. F. Wiegmann und der Apotheker L.
Polsdorff die Aufgabe 1842 gelöst und den Preis zuerteilt bekommen.
Etwa 50 Jahre später, um 1870, war in Weende (b. Göttingen) an der
Landwirtschaftlichen Akademie ein Landwirtschaftsstudium eingerichtet,
nachdem zuvor bis zum Ende des 18. Jahrhunderts landwirtschaftliche
Kameralistik an der Georgia-Augusta studiert werden konnte. Die
Universitätsleitung beschloss, das Landwirtschaftsstudium von Weende
wieder in die Universität einzugliedern. Der Kurator der Universität
erteilte dem 1872 zum Direktor des neuen Landwirtschaftlichen Instituts
berufenen o.Prof. Dr. Gustav Drechsler (1833 - 1890) den Auftrag, die
Wiederansiedelung des Studiums hier vorzubereiten. Zu den Gebäuden des
Landwirtschaftlichen Instituts im Norden der Stadt am Weg nach
Nikolausberg, die von Drechsler bereits errichtet worden waren und welche
die Universität nun übernahm, gehörte auch das „Agrikulturchemische
Laboratorium“ (s. Fotos links). In ihm befanden sich neben den chemischen Laboratorien zur
Untersuchung von Böden, Pflanzen, Düngemitteln sowie tierischen und
pflanzlichen Nahrungsmitteln Unterrichts- und andere Arbeitsräume. Dieses
Gebäude (später Nikolausbergerweg 7) war für mehr als ein Jahrhundert
Agrikulturchemisches, später Agrikulturchemisches und bodenkundliches
Institut, bis es 1988 dem Neubau der Göttinger Staats- und
Universitätsbibliothek weichen musste.
Zum Direktor des Agrikulturchemischen Laboratoriums wurde 1873 der
a.o.Professor Dr. Bernhard Tollens (1841 - 1918) bestellt. Tollens, ein
Schüler F. Wöhlers, bereits in der Chemie bekannt durch seine Arbeiten zur
Aufklärung der chemischen Konstitution und des sterischen Baus der
Kohlenhydrate (Ringstruktur der Monosaccharide, Aldosen, Ketosen,
Tollenssche Probe zum Nachweis reduzierender Zucker u.a.), richtete hier
mit Vorlesungen und Praktika einen von zahlreichen Studenten mit großem
Interesse aufgenommenen agrikulturchemischen Unterricht ein, der diese
Einrichtung zu internationalem Ansehen führte. Studenten aus Übersee kamen
nach Göttingen, um hier Agrikulturchemie zu studieren. Seine Forschung am
Naturstoff Zucker setzte er hier fort. (Von Tollens ist überliefert, dass
er – in vor-elektronischer Zeit – in dem Gebäude ein perfekt
funktionierendes Kommunikationssystem mit Hilfe von Sprachrohren schuf,
das nahezu alle Räume miteinander verband.) Tollens wandte sich in
zahlreichen Vorträgen und mit Schriften auch an die landwirtschaftliche
Praxis. Er leitete das Agrikulturchemische Laboratorium bis 1911.
Ihm folgte von 1911 bis 1921 o.Prof. Dr. Paul Ehrenberg (1875-1956) als
Direktor des Agrikulturchemischen Instituts. Die Umwandlung des früheren
Laboratoriums in ein Institut kennzeichnet die Entwicklung der
Agrikulturchemie zu einer akademischen Disziplin und ihr gefestigtes
Ansehen in der Universität. Ehrenberg wurde in seiner Göttinger Zeit vor
allem durch Arbeiten über die Eigenschaften der Bodenkolloide und ihre
Bedeutung für die Ernährung der Pflanzen sowie durch das von ihm
formulierte „Kalk-Kali-Gesetz“ international bekannt. In zahlreichen
Veröffentlichungen nahm er auch zu Fragen der Düngung Stellung.
Als Ehrenberg einen Ruf an die Universität Breslau annahm, wurde 1921
o.Prof. Dr. Edwin Blanck (1877 - 1953) auf den Lehrstuhl für
Agrikulturchemie berufen, den er bis 1945 innehatte. Blanck, Chemiker und
Geologe, knüpfte an die stärker auf den Boden ausgerichtete Forschung
seines Vorgängers an und verankerte in dem Institut zwei
Arbeitsrichtungen: die klassische Agrikulturchemie mit Schwerpunkt
Pflanzenernährung und Düngung sowie die auf den Boden ausgerichtete
Forschung. (Nur für wenige Jahre boten Blanck und F. Giesecke
Lehrveranstaltungen für das Fach Tierphysiologie und Tierernährung an.)
Besonderes Gewicht legte Blanck in Lehre und Forschung auf die chemische
Bodenanalytik zur Darstellung der Zusammensetzung und Eigenschaften der
Böden wie auch zum Studium der Bodengenese. Diese Arbeitsgebiete wurden
für die Zukunft der Landwirtschaftswissenschaften als so prägend bewertet,
dass die Universität seinem Antrag stattgab, das Institut in
„Agrikulturchemisches und bodenkundliches Institut“ umzubenennen. Diesen
Namen trug das Institut bis 1964. Zusammen mit Emil Haselhoff (1862 -
1948) verfasste er das „Lehrbuch der Agrikulturchemie“ in 4 Bänden (Berlin
1924-1929), das ein Standardwerk seiner Zeit wurde. In den Jahren 1929 bis
1939 erschien, von Blanck herausgegeben und mitverfasst, das „Handbuch der
Bodenlehre“ in 10 Bänden mit einem Ergänzungsband, das für die
internationale Bodenkunde richtungweisend wurde, und 1949, nach seiner
Emeritierung, eine „Einführung in die genetische Bodenlehre als
selbständige Naturwissenschaft und ihre Grundlagen“.
1945 wurde o.Prof. Dr. Fritz Scheffer (1899 - 1979) auf den Lehrstuhl für
Agrikultuchemie und Bodenkunde berufen, den er bis 1967 innehatte.
Scheffer, Schüler von Blanck, danach Assistent und Habilitand bei Th.
Roemer, Halle, stand zunächst vor der Aufgabe, die Lehre in
Agrikulturchemie und Bodenkunde für die „Kriegsgeneration“ neu zu
organisieren. Die Georgia-Augusta nahm als eine der ersten deutschen
Universitäten nach Kriegsende ihre Lehrtätigkeit bereits am 17. September
1945 wieder auf. Außerdem musste das von englischem Militär zeitweilig
besetzte Institut am Nikolausbergerweg 7 nach zwischenzeitlicher
Unterbringung im Anorganisch-Chemischen Institut an der Hospitalstraße 8/9
neu eingerichtet werden. 1962 erhielt das Institut einen Neubau an der
Von-Siebold-Straße 4.
Als Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeiten dieses Instituts
kristallisierten sich in Lehre und Forschung Gebiete heraus, wie
„Nährstoff-Transformationsvermögen“ der Böden, Düngemittel und Düngung
(langsam wirkende Stickstoffdünger, Phosphat- und Kalidüngung, Stallmist-
und Strohdüngung, Kalkversorgung der Böden, Methoden der Düngerbemessung
u.a.), Bodenfruchtbarkeit, Humusforschung (Entstehung, stoffliche
Charakterisierung, Eigenschaften, Bedeutung für die Pflanzenernährung und
für die Eigenschaften von Böden u.a.m.[später von Prof. Dr. Wolfgang
Ziechmann im Lehrgebiet Chemie des Fachbereichs Agrarwissenschaften
weitergeführt]), aber auch breit angelegte Themen zu bodenkundlichen
Grundlagen (Bodengenese, Bodeneigenschaften, Bodenstruktur, Tonmineralogie
u.a., näheres hierzu siehe Institut für Bodenwissenschaften, Göttingen).
Unter anderem entstanden Neuauflagen in der Reihe Lehrbuch der
Agrikulturchemie und Bodenkunde, die Scheffer zusammen mit Koautoren
herausgab, wie Scheffer-Schachtschabel (Lehrbuch der Bodenkunde, bis zur
Gegenwart fortgeführt), Scheffer-Welte (Lehrbuch der Pflanzenernährung)
oder Scheffer-Ulrich (Humus und Humusdüngung); zusammen mit O. Tornau
bearbeitete er das Lehrbuch des Ackerbaues (1956) von Roemer-Scheffer neu.
Darüber hinaus war Scheffer an der Wiedergründung von wissenschaftlichen
Gesellschaften und Verbänden in der gerade entstehenden Bundesrepublik
Deutschland maßgeblich beteiligt, wie an der Deutschen Bodenkundlichen
Gesellschaft, am Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und
Forschungsanstalten u.a. Dies war prägend für ein weltoffenes Institut, in
dem neben deutschen auch zahlreiche ausländische Studierende ihre
wissenschaftliche Qualifikation erwarben.
Nach einer Evaluierung der landwirtschaftlichen Fakultäten der
Bundesrepublik Deutschland erteilte der Wissenschaftsrat 1962 der
Universität Göttingen die Empfehlung, dem Prozess der Verselbständigung
von Pflanzenernährung und Bodenkunde an der Landwirtschaftlichen Fakultät
in Göttingen durch die Schaffung von zwei unabhängigen Lehrstühlen und
Instituten Rechnung zu tragen. Nach Befürwortung durch den Senat richtete
1964 die Niedersächsische Landesregierung die Professur für
Agrikulturchemie für das Studienfach Pflanzenernährung ein. Die bestehende
Professur mit dem Amtsinhaber F. Scheffer erhielt die Bezeichnung
Bodenkunde.
Zu ihrer Besetzung und zur Neugründung des Instituts im Altbau am
Nikolausbergerweg 7 wurde 1965 Prof. Dr. Erwin Welte berufen, der sie bis
zu seiner Emeritierung im Jahr 1978 innehatte. Welte war Schüler von E.
Blanck, danach Direktor des Instituts für nichtparasitäre
Pflanzenkrankheiten an der Biologischen Bundesanstalt Berlin sowie später
Direktor der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Büntehof der
Verkaufsgemeinschaft Deutscher Kaliwerke (heute Kali und Salz AG). Er
entwickelte ein arbeitsfähiges Institut und überführte es 1971 in einen
Neubau an der Von-Siebold-Straße 6. Das wissenschaftliche Personal
umfasste neben dem Lehrstuhlinhaber einen Abteilungsvorsteher (Prof. Dr.
Eberhard Przemeck Amtszeit 1973-1997), einen Akademischen Oberrat (a.pl.
Prof. Dr. Karl Müller 1926-1996, Amtszeit 1980-1990), einen
Oberassistenten (Dr. Friedel Timmermann), einen Wissenschaftlichen
Angestellten (Dr. Ladislav Cervenka) und zwei Assistentenstellen.
Das neue Institut wurde wie folgt gegliedert:
|
Allgemeine Pflanzenernährung sowie Chemie und Verwertung von Wässern und
Abwässern (Prof. Dr. E. Welte, Dr. L. Cervenka), |
|
Biochemie und Physiologie der Ertragsbildung (Prof. Dr. E. Przemeck),
|
|
Qualität pflanzlicher Produkte (Prof. Dr. K. Müller),
|
|
Düngung und technologische Chemie der Düngemittel (Dr. F. Timmermann),
|
|
Analytik und Statistik
|
Schwerpunktmäßig stellte Welte in Lehre und Forschung die engen
Verbindungen der landwirtschaftlichen Flächennutzung durch die Pflanzen-
und Tierproduktion zur möglichen Belastung der Umwelt mit Schadstoffen
dar, - zu dieser Zeit noch als „einsamer Rufer in der Wüste“ -. Besondere
Beachtung schenkte er den Ursachen der Gewässereutrophierung und der
Gewässerverunreinigungen durch Kommunen, Industrien aber auch durch die
Landwirtschaft u.a.. Er trug dazu bei, dass die Landwirtschaft ihre
Mitverantwortung für den Erhalt schadstoff-freier ökologischer Systeme als
wichtige gesellschaftliche Aufgabe zur Bewahrung von Lebensgrundlagen des
Menschen (z.B. Trinkwasser) erkannte.
In der Abteilung Ertragsphysiologie (E. Przemeck) waren Fragen der
Schwermetallversorgung (Mikronährstoffe) und der Schwermetallbelastung
(Schadstoffe) und deren Einwirkungen auf den Stickstoff-Stoffwechsel von
Nutzpflanzen Schwerpunkte der Forschung. Sie hatten zum Ziel, die
Kenntnisse über die N-Assimilation und den Aminosäurenhaushalt im
Wachstumsverlauf von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zu vertiefen sowie
Kriterien für eine hohe metabolische N-Effizienz unter Berücksichtigung
der Mikronährstoffernährung der Pflanzen zu erarbeiten. Daneben wurden
physiologische Grundlagen über den Transport und die Verteilung von
Schwermetallen in Pflanzen bearbeitet. - Mit der Gruppe Qualität (K.
Müller) wurde ein Arbeitsgebiet begründet, das in der wissenschaftlichen
Zielsetzung im Lehr- und Forschungsbereich der Fakultät neu war. Mit
zunehmender „Veredelung“ landwirtschaftlicher Pflanzenerzeugnisse in der
Nahrungsmittelindustrie zu Fertigprodukten werden vermehrt spezielle
Anforderungen an die Qualität der gelieferten Rohstoffe gestellt, die
durch die Landwirtschaft für diesen Marktsektor zu erbringen sind. Die
Qualitätskriterien zu definieren und ihre Beeinflussbarkeit in den
Rohprodukten durch Anbau-, Ernte- und Lagerungsprozesse zu beschreiben,
war und ist eine wesentliche Aufgabe in Lehre und Forschung dieser Gruppe.
Neben Gemüse und Obst wurde von Müller vor allem die Kartoffel untersucht
(„Kartoffel-Müller“ in Studentenkreisen). 1990 trat er in den Ruhestand.-
Im Bereich Düngung und Düngemittel standen Arbeiten zur Anwendung von
Mineral- und Wirtschaftsdüngern, über ihre Wirkungen und über methodische
Grundlagen zur Bemessung der Düngung im Vordergrund, aber auch Arbeiten
zur Rückgewinnung von Phosphat aus Abwässern in Kläranlagen sind zu
nennen.
Nach der Emeritierung von Welte führte der 1983 auf den Lehrstuhl berufene
Prof. Dr. Albrecht Jungk die Rhizosphäre als neues Forschungsgebiet in das
Institut ein. Es hat zum Ziel, das kausale Verständnis für den Übergang
der Mineralstoffe aus dem Boden in die Pflanze zu vertiefen. Seine
Arbeiten zeigten, dass die Versorgung der Pflanze mit Mineralstoffen das
Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen der Verfügbarkeit der Nährstoffe im
Boden und dem Nährstoffaneignungsvermögen der Pflanze ist. Er versuchte
insbesondere, die beteiligten Einzelfaktoren zu erfassen und ihren
Einfluss auf die Ernährung der Pflanze zu quantifizieren. Hierzu gehören
einerseits die Dynamik der Pflanzennährstoffe im Grenzbereich von Wurzel
und Boden und auf der anderen Seite die morphologischen und
physiologischen Eigenschaften der Wurzel, die den Zugang zu den
Nährstoffen des Bodens und ihren Eintritt in die Wurzel bestimmen. Hinzu
kommt die Stoffabscheidung der Wurzel, die zur Mobilisierung von
Bodennährstoffen führt, wie auch die Besiedelung der Wurzeln mit
Organismen, besonders Mykorrhizen, die ebenfalls für die Ernährung der
Pflanze bedeutsam sein können. Ausführlich legte er die Grundlagen und
Zusammenhänge des auf die Pflanzenernährung bezogenen Teils der
Rhizosphärenforschung dar in “Plant Roots - The Hidden Half”(herausgegeben
von Y. Waisel et al., s.u.). - Jungk führte außerdem langfristige
Feldversuche an verschiedenen Standorten durch, um die Empfehlungen für
die Phosphat- und Kali-Düngung den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Er
trat 1993 in den Ruhestand.
In dieser Zeit wurden die Arbeiten zur Qualität pflanzlicher Produkte
fortgesetzt. In der Abteilung Ertragsphysiologie verlagerte sich der
Forschungsschwerpunkt auf Untersuchungen zur Quantifizierung der
pflanzeninternen, ontogenetisch gesteuerten Remobilisierung des
Stickstoffs. Neu aufgenommen wurden ökologische Forschungsansätze zu
Fragen der Freisetzung von auswaschungsgefährdetem Nitrat aus Böden durch
verschiedene Formen der Grünbrache oder durch Veränderung der
Anbauintensität und durch Besonderheiten im Stickstoffhaushalt einiger
Nutzpflanzen. Außerdem führte Przemeck (zusammen mit Dr. B. Berger, Inst.
f. Phytopathologie und Pflanzenschutz, und Dr. J. Niemeyer, Inst . f.
Bodenwissenschaften) das Fach „Umweltanalytik und Ökotoxikologie“ als
Wahlpflichtfach an der Fakultät ein. Nach seiner Pensionierung im Jahr
1997 wurde die Professorenstelle innerhalb der Fakultät verlagert. Die
Arbeit der Abteilung, die umbenannt wurde in ‘Ökotoxikologie’, wird in
vollem Umfang in Lehre und Forschung von Dr. T. Lickfett (Wiss. Assistent)
fortgesetzt.
Als Nachfolger von A. Jungk wurde 1995 Prof. Dr. Norbert Claassen, zuvor
Professor für Pflanzenernährung an der TU München in
Freising-Weihenstephan, auf die Professur für Agrikulturchemie berufen.
Den Ruf auf die Professur Produktqualität (Pflanze) nahm 1995 Frau Prof.
Dr. Elke Pawelzik als Lebensmitteltechnologin an. Über die gegenwärtige
wissenschaftliche Ausrichtung des Instituts für Agrikulturchemie
unterrichten die Abschnitte Organigramm und Forschung.
1991 trat (apl.) Prof. Dr. Wilhelm Römer in das Institut für
Agrikulturchemie ein und habilitierte sich im Fachbereich
Agrarwissenschaften um. Er war zuvor Hochschuldozent für Pflanzenernährung
an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit dem
Arbeitsschwerpunkt Phosphatdynamik in Böden und Pflanzen sowie dem Problem
der Schadstoffbelastungen in Gebieten mit Kalisalzproduktion. Am Göttinger
Institut arbeitete er in der Forschung auf dem Gebiet der Nährstoff- und
Schadstoffmobilisierung in Böden durch Wurzelausscheidungen sowie auf dem
Gebiet der genetisch bedingten Nährstoffeffizienz bei verschiedenen
Pflanzenarten. Darüber hinaus publizierte er über Fragen der P-Verwertung
aus Klärschlämmen und über die Optimierung der P- und K-Düngung. Die von
A. Jungk begonnenen P- und K-Dauerversuche im Feld setzte er fort. - In
der Lehre war er verantwortlich für das Wahlpflichtfach der
Diplom-Prüfungsordnung "Ernährung der Kulturpflanzen der Tropen und
Subtropen" und hielt vertretungsweise die Vorlesung "Grundlagen der
Pflanzenernährung". Nach der Beendigung der Lehrtätigkeit von E. Przemeck
setzte er dessen Lehrveranstaltungen (Physiologie, Mikronährstoffe) fort.
Im Jahr 2001 ging W. Römer in den Ruhestand.
Literaturhinweise:
Böhm, W. (1997): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus.
Verlag K. G. Saur, München.
Jungk, A. (1996): Dynamics of Nutrient Movement at the Soil - Root
Interface. In: Waisel, Y., A. Eshel und U. Kafkafi (Editors), Plant Roots
- The Hidden Half. Marcel Dekker, Inc., New York, Basel, Honkong, p. 529 -
556.
Herpel, H. J. (1932): Die Entwicklung des landwirtschaftlichen Studiums an
der Universität Göttingen. Göttingen.
Sauerbeck, D. und H. Söchtig (1987): Carl Sprengel, precursor of
agricultural chemistry. In: E. Welte und I. Scabolcs, Agricultural waste
management and environmental protection. 4th Internat. Sympos. of CIEC,
11-14 May 1987 in Braunschweig, Proceedings Vol. 1, p. 25-33.
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