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Veröffentlichungen 1996
Visselhövede (m). In Visselhövede 1948 geboren als Sohn eines
Bahnarbeiters, in Visselhövede zwanzig Jahre aufgewachsen, gilt
Professor Dr. Gerd Lüdemann, Theologe an der Universität Göttingen,
heute als streitbarer Kirchenkritiker, der im gleichen Atemzug wie
Küng, Drewermann und Uta Ranke Heinemann genannt wird. Lüdemann ist in
den letzten Jahren bundesweit bekannt und heftigst angegriffen worden,
weil er vehement die Auferstehung Christi leugnet. "Das Grab war
nicht leer." - "Der Osterglaube ist ein Irrglaube.", so
Lüdemanns Thesen, die im klaren Widerspruch zum Glaubensbekenntnis der
evangelisch-lutherischen wie auch der römisch-katholischen Kirche
stehen.
Wir trafen Prof. Dr. Lüdemann beim Stadtfest in Visselhövede, und
wir unterhielten uns mit ihin. Nachfolgend das Exklusiv-Interview im
Wortlaut. Das Interview führte unser Mitarbeiter, Redakteur Manfred
Klein.
LEX: Was treibt Sie, zu behaupten, das Grab Jesu sei nicht
leer gewesen?
Lüdemann: Als Wissenschaftler, der professionell mit dem
Ursprung des Christentums beschäftigt ist, muÝ ich mich mit den
zentralen Aussagen der Bibel zur Auferstehung Jesu auseinandersetzen
und die Öffentlichkeit informieren.
LEX: Warum suchten Sie und untersuchten Sie das Thema?
Lüdemann: Persönlich, weil ich die Wiederbelebung einer
Leiche für Hokuspokus halte. Sachlich, weil mich der eigentliche Grund
der Entstehung des Chrtstentums brennend interessiert.
LEX: Welche Kern-Arguinente führen Sie für Ihre These an?
Lüdemann: Erstens kennt die älteste Quelle zur
Auferstehung Jesu (1. Korintherbrief, Paulus) kein leeres Grab,
zweitens enthielt die erste Erzählung vom leeren Grab
(Markus-Evangelium), von der alle anderen abhängig sind, eine Reihe
von Ungereimtheiten. Folgt man dem Bericht des Markus, hätten die
Frauen keinem etwas von der Entdeckung des leeren Grabes erzählt.
LEX: Kann und muÝ Ihre These nicht die Kirche
revolutionieren?
Lüdemann: Eigentlich ja, aber andere Thesen auch, zum
Beispiel die Entdeckung des UnbewuÝten im Menschen durch Sigmund Freud
und vieles andere. Da die Kirche sich bisher nicht geändert hat,
sondern unbeweglich geblieben ist, bin ich zuruckhaltend.
LEX: Welches Glaubensbekenntnis sprechen, lehren Sie!
Lüdemann: Gar keines.
LEX: Dürfen wir in absehbarer Zeit eine neue
evangelisch-lutherische Freikirche unter dem Patronat Gerd Lüdemann
erwarten?
Lüdemann: Nein, ich bin in erster Linie Lehrer, der
informiert und aufklärt, nicht Priester, der von seiner Kirche dafür
bezahlt wird, die vielfach überholten Glaubensbekenntnisse und die
Bibel als Wort Gottes zu verteidigen.
LEX: Glauben Sie an Gott?
Lüdemann: Seit Auschwitz kann ich nicht mehr in
traditioneller Weise an Gott glauben.
LEX: Wie definieren Sie Ihr Gottesbild?
Lüdemann: Ich definiere überhaupt nicht, da mein
Gottesbild in das Gebiet des Fühlens, Ahnens, der Emotionen überhaupt,
fällt. Ich stoÝe an etwas, das mich hält und trägt. Allerdings weiÝ
ich nicht, ob der Begriff "Gott" dafür taugt.
LEX: Glauben Sie an Jesus?
Lüdemann: Ich glaube an Jesus, weil er für mich ein
Paradigma der Gewaltfreiheit und der Liebe ist. Allerdings kann ich
nicht zu ihm beten, da er unwiderruflich gestorben ist. Doch lebt er
in unserem Gedächtnis weiter.
LEX: Glauben Sie an Christus?
Lüdemann: Nein, der auferstandene Christus ist die Leiche
im Keller der Kirche.
LEX: Welcher Weg, welche Ereignisse und Erfahrungen
führten Sie zur Theologie?
Lüdemann: Ein tiefes emotionales, visionäres Erlebnis
während einer Zeltmission. Mit dem Studium wollte ich den Dingen auf
den Grund gehen.
LEX: Was ist Ihr Lebens-Leitspruch?
Lüdemann: Ich hatte mehrere. Als Jugendlicher sagte ich
mir immer, immer wieder: Ich will gewinnen! Während einer tiefen
seelischen Krise sagte ich mir oft: Ich bin ruhig, sicher und
gelassen. Jetzt ist mein Leitspruch: Wir leben nur einmal.
LEX: Was bedeutet Ihnen Erfolg? Was Familie?
Lüdemann: Meine Familie ist ein Stück von mir. Ohne Erfolg
keine Wirkung meiner Forschungsergebnisse. Dabei stehen Erfolg und
Familie bisweilen in Spannung zueinander, aber ohne Familie wäre der
Erfolg genausowenig denkbar.
LEX: Was verbindet Sie mit Visselhövede?
Lüdemann: Je älter ich werde, desto mehr werden mir meine
Wurzeln und mein Zuhause - im Gedächtnis - wichtig.
LEX: Ihre Meinung zu Aids?
Lüdemann: Auch diese fürchterliche Krankheit bekommt die
Wissenschaft eines Tages voll in den Griff.
LEX: Ihre Meinung zur Politik?
Lüdemann: Taten der Politiker und Politikerinnen zählen.
LEX: Ihre Meinung zur Asylpolitik?
Lüdemann: Ich bewundere diejenigen Kirchen, die
Kirchenasyl gewähren.
LEX: Ihre Meinung zur Apokalypse?
Lüdemann: Wenn die Menschen sich nicht selbst umbringen,
wird es keine Apokalypse geben. Ich setze auf Aufklärung und Bildung.
LEX: Ihre Meinung zum Weiterleben nach dem Tod?
Lüdemann: Der Wunsch danach ist in den meisten Fällen
Indiz mangelnder Bescheidenheit.
LEX: Gibt es Leben in einem anderen Teil des Universums?
Lüdemann: Das halte ich für äuÝerst wahrscheinlich.
LEX: Würden Sie gern zum Mars fliegen?
Lüdemann: Ja, unbedingt.
LEX: Welches Hauptziel haben Sie für sich selbst in diesem
Leben gesteckt?
Lüdemann: Die Ziele in meinem Leben haben sich entwickelt.
Als Jugendlicher, der aus einem relativ bescheidenen Elternhaus
stammt, wollte ich nur hochkommen. Dann verhedderte ich mich in eine
steile Erfolgskarriere und suchte ein inneres Gleichgewicht, um zu
überleben. Jetzt geht es mir darum, eigene Erkenntnisse in die Tat
umzusetzen. Wenn nicht jetzt, wann sonst?
Manfred Klein, Lokalexpress, 11.9.1996)