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Veröffentlichungen 2010
- Gerd Lüdemann zieht in seinem neuen Buch eine radikale Bilanz
der Bibelforschung
Von Stephan Cezanne (epd)
Göttingen (epd). Der Theologe Gerd Lüdemann verwirrt in seinem
neuen Buch "Die gröbste Fälschung des Neuen Testaments" (zu
Klampen Verlag) erneut fromme Bibelleser: "Das Neue Testament
besteht zu einem wesentlichen Teil aus Briefen mit falschen
Verfasserangaben." Sieben der 27 Dokumente des Neuen Testaments
seien echt, drei "vielleicht echt, die übrigen bewegen sich
zwischen Unechtheit und Anonymität", so Lüdemann weiter, der sich
in den 1990er Jahren vom christlichen Glauben losgesagt hatte.
"Zugegeben: Dieser Betrug geschah nicht in niederer, sondern
in höherer Absicht", räumt Lüdemann ein. Die Verfasser - oft
Kirchenoberhäupter, deren Schriften zugleich ein hohes Wahrheitsethos
enthalten - meinten Lüdemann zufolge, Gott durch ihre Lügen zu dienen.
Doch dabei hätten sie sich nur etwas vorgemacht, so der seit 1983 in
Göttingen lehrende Autor. Er wurde wegen seiner kritischen Sicht auf
Religion und Kirche 1998 in das Fach "Geschichte und Literatur
des frühen Christentums" versetzt. Lüdemann wehrte sich dagegen,
scheiterte aber 2009 vor dem Bundesverfassungsgericht.
Lüdemann steht mit seiner Bibelkritik in einer langen Tradition.
Seit Jahrhunderten nehmen Gelehrte die Heilige Schrift unter die Lupe.
Zentrale Frage dabei: Ist die Bibel Gottes Wort oder nur fromme
Dichtung? Wurde die Bibel ausgewählten Menschen quasi von Gott in die
Feder diktiert oder fasst sie - ganz rational - die jahrtausendealte
Erfahrung von Menschen mit Gott in Erzählungen und mythischen
Geschichten zusammen?
So kam im 18. Jahrhundert der Professor für orientalische
Sprachen, Hermann Samuel Reimarus (1699-1768), zum Schluss: Die
Aussagen der vier Evangelisten weichen so weit voneinander ab, dass
sie vor keinem Gericht der Welt Bestand hätten. Warum sollte die
Menschheit darauf "Glauben und Hoffnung zur Seligkeit
gründen"? Als Zerstörer der Bibel wurde der evangelische Theologe
David Friedrich Strauß (1808-1874) angegriffen. In seinem "Das
Leben Jesu" interpretiert er das Neue Testament weitgehend als
unhistorisch.
Lüdemann beruft sich in seinem neuem Buch auf die historische
Bibelkritik. Diese hatte herausgefunden, dass das Bild von Jesus in
den Evangelien im Wesentlichen das der "glaubenden Gemeinde"
ist. Denn die meisten der in den Evangelien berichteten Worte und
Taten Jesu gingen auf Christen zurück, die nachträglich dem von ihnen
angebeteten "Herrn" Sprüche in den Mund gelegt und Taten
zugeschrieben haben. Ob diese Texte "echt" oder
"unecht" sind, ist von hoher Bedeutung. Immerhin beruhen
zentrale Aussagen der christlichen Botschaft - etwa dass Gott Mensch
wurde - auf ihnen.
Die Erforschung der Briefe des Neuen Testaments führe zu einem
ähnlichen Ergebnis, so der Wissenschaftler: "Ebenso wie spätere
Christen viele Jesusworte und -taten erfanden, kannten sie keine
Skrupel, Schriftstücke unter dem Namen von Aposteln zu fabrizieren und
deren Echtheit durch literarische Manipulationen vorzutäuschen."
Auch in diesen Dokumenten mit unwahrer Verfasserangabe spiegele sich
der christliche Glaube einer späteren Zeit wider.
Auch das Alte Testament wurde von der Textforschung bereits
entzaubert. Schon lange ist bekannt, dass etwa die fünf Bücher Mose
auf mehrere Quellen zurückgehen und das Jesajabuch mindestens von drei
Verfassern stammt. Doch sei dies kein Argument gegen den Glauben,
meinen die Kirchen. Die Wahrheit der Bibel zeige sich im Gebrauch,
etwa als Trostbuch im Leid, betont die Vereinigte
Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands in ihrem Katechismus:
"Dafür ist sie geschrieben."
Buchhinweis: Lüdemann, Gerd: "Die gröbste Fälschung des Neuen
Testaments - Der zweite Thessalonicherbrief" Verlag zu Klampen,
Hardcover, ca. 112 Seiten, erscheint September 2010, 12,80 Euro.