Was andernorts fast schon ein alter Hut ist, taugt in Göttingen immer noch zum letzten Schrei. Aber: Gute Ideen werden nicht dadurch schlechter, daß man schon früher auf sie hätte kommen können. So ist das auch mit den Geschlechterstudien. Zu diesem Thema soll an der Philosophischen Fakultät nun ein Studiengang als Magister-Nebenfach angeboten werden.
Geschlecht als Kategorie
Schon vor Jahren haben die Geistes- und Sozialwissenschaften erkannt, daß die Kategorie ‚Geschlecht' die menschliche Kultur in all ihren Ausprägungen maßgeblich bestimmt: Frauen haben nicht nur schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und werden als Wissenschaftlerinnen - die Uni bietet da vielfältiges Anschauungsmaterial - von den Männern nicht so recht ernst genommen. Die Rollenzuschreibungen gehen weiter und sind weniger offensichtlich: So wurde (und wird) in Kunst, Literatur und Medien ein bestimmtes Bild von ‚Weiblichhkeit' gezeichnet. Und schon in Schule und Familie wird - oft unbewußt - vermittelt, was ein Mädchen wissen muß (wie man z.B. einen Streit in der Familie schlichtet) und was nicht (z.B. wie sie ihr Auto repariert).
Die Frage, wie sich diese Differenzen (und Hierarchien) kulturell manifestieren und mit welchen Konstrukten sie begründet werden, bietet also reichlich Stoff für wissenschaftliche Beschäftigung in allen Disziplinen. Schnell hat sich dabei herausgestellt, daß auch diese Medaille zwei Seiten hat. Man kann sich nur dann sinnvoll über die Konstruktion von ‚Weiblichkeit' unterhalten, wenn man gleichzeitig das Phänomen ‚Männlichkeit' untersucht.
|
Und so weitete sich die traditionelle Frauenforschung zu den ‚Geschlechterstudien' (gender studies) aus.
In Oldenburg und an der Berliner Humboldt-Uni kann man schon seit einiger Zeit Geschlechterstudien als reguläres Fach studieren. Bald könnte es auch in Göttingen so weit sein: Einige Lehrende aus verschiedenen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern haben sich nämlich zusammengetan, um einen solchen Studiengang auf die Beine zu stellen.
Schwieriges Unterfangen
In Zeiten leerer Kassen ist das gerade an einer so konservativen Hochschule wie der Göttinger ein höchst löbliches und schwieriges Unterfangen. Der Arbeitskreis HistPhil - ein Zusammenschluß von Studierenden der Philosophischen Fakultät - will auf einer Veranstaltung (s.u.) das Konzept bekannter machen und diskutieren. Dabei gilt es, einige kritische Fragen zu stellen: Werden die gender studies, die dem Anspruch nach ein gleichberechtigter Teil aller Disziplinen sein sollten, ein harmloses ‚Nischenfach', wenn sie sich als eigene Disziplin institutionalisieren? Wie kann ein Studiengang eingerichtet werden, ohne daß es ein entsprechendes Seminar oder Institut gibt? Auf welches Selbstverständnis stützt sich das Fach?
"Gender studies" - ein neuer Studiengang in Göttingen?
Veranstaltung des AK Hist-Phil
mit Prof. Dr. Carola Lipp (Uni-Vizepräsidentin, Volkskunde), Dr. Ilse Costas (Soziologie) und Prof. Dr. Doris Lemmermöhle (Pädagogik).
Mittwoch, 4. November,
20:15 Uhr ZHG 105
|
|