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Die Abgrenzung der Arthropoda zu den nächstverwandten Gruppen
der Ecdysozoa wird in der Literatur unterschiedlich
gehandhabt. Manchmal werden die Arthropoda sehr weit gefasst
und beinhalten dann auch die Bärtierchen (Tardigrada) und die
Stummelfüßer (Onychophora), meistens werden die Arthropoda
jedoch im engeren Sinne aufgefasst (so auch in der Zoographia
Germaniae), definiert durch den Besitz von gegliederten Beinen
(sog. Arthropodien), einem Syncerebrum, und Komplexaugen
(Facettenaugen). Die Frage nach den
Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb der Arthropoda
beschäftigt die Zoologie seit fast 300 Jahren und gehört zu
den am heftigsten umstrittenen Themen der Zoologie. Auch durch
die heutigen Möglichkeiten der genetischen
Verwandtschaftsanalyse konnten die meisten Fragen noch immer
nicht geklärt werden. Abb. 1 zeigt die Untergliederung der
Arthropoda, wenn man ausschließlich derzeit als sicher
monophyletisch anerkannte Großgruppen berücksichtigt. Als
sicher monophyletisch gelten die Chelicerata, die wiederum aus
folgenden größtmöglichen, sicher monophyletischen Gruppen
bestehen: Amblypygi (Geißelspinnen), Araneae (Webspinnen),
Opiliones (Weberknechte), Palpigradi (Palpenläufer), Pantopoda
(Asselspinnen), Pseudoscorpiones (Bücherskorpione), Ricinulei
(Kapuzenspinnen), Scorpiones (Skorpione), Solifugae
(Walzenspinnen), Uropygi (Geißelskorpione) und Xiphosura
(Schwertschwänze). Problematisch sind nur die "Acari"
(Milben), die weiter unten noch besprochen werden. Die genauen
Verwandtschaftsbeziehungen dieser monophyletischen Gruppen
untereinander sind jedoch völlig unklar. Meist werden die
Pantopoda den restlichen Gruppen ("Euchelicerata")
gegenübergestellt, allerdings unterscheidet sich der Bauplan
der Pantopoda deutlich vom postulierten Grundbauplan der
Chelicerata, so dass die tatsächliche Verwandtschaft der
Pantopoda zu den "Euchelicerata" nicht klar ist. Innerhalb
dieser "Euchelicerata" werden meistens die Xiphosura den
restlichen Gruppen gegenübergestellt; diese übrigen Gruppen
werden dann als "Arachnida" zusammengefasst. Die "Arachnida"
gelten in den meisten Arbeiten als monophyletische Gruppe,
obwohl die Gruppe durch keine sicheren Apomorphien definiert
werden kann: die meisten mutmaßlichen Apomorphien der
"Arachnida" haben mit dem Landgang zu tun (der als singuläres
Event angenommen wird), können also ebenso Konvergenzen
darstellen, falls die Annahme eines einzigen Landgangs falsch
sein sollte. Sicher monophyletisch sind deshalb nur die
Chelicerata als Ganzes (die ich deshalb im Rang einer Classis
führe) und die größtmöglichen, gesichtert monophyletischen
Untergruppen (die ich deshalb als Ordines führe).
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Myriapoda. Diese Gruppe
ist ebenfalls zweifelsfrei monophyletisch und besteht aus 4
zweifelsfrei monophyletischen Untergruppen (Chilopoda
(Hundertfüßer), Diplopoda (Doppelfüßer), Pauropoda
(Wenigfüßer) und Symphyla (Zwergfüßer)), aber auch hier sind
die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen diesen 4 Gruppen noch
ungeklärt. Ich führe die Myriapoda deshalb als Classis, die 4
größtmöglichen, gesichert monophyletischen Untergruppen als
Ordines.
Die Krebstiere wurden lange als monophyletische Gruppe
"Crustacea" geführt, inzwischen gilt jedoch als sicher, dass
die "Crustacea" ohne die Insekten eine paraphyletische Gruppe
darstellen. Will man also die Insekten als separate Classis
beibehalten, so müssen die größtmöglichen, gesichert
monophyletischen Krebstier-Untergruppen (nämlich die
Branchiopoda (Kiemenfußkrebse), Cephalocarida
(Hufeisengarnelen), Copepoda (Ruderfußkrebse), Malacostraca,
Oligostraca, Remipedia, Tantulocarida und die Thecostraca)
ebenfalls zu Classes erhoben werden (was ich hier in der
Zoographia Germaniae ebenfalls umsetze). Das Monophylum aus
den Krebstier-Klassen und den Insekten wurde zunächst als
Tetraconata benannt (weshalb die phylogenetische Auffassung,
wie sie in Abb. 1 dargestellt wird, auch als
Tetraconata-Konzept bezeichnet wird), bis klar wurde dass das
namensgebende Merkmal (die vier Kristallkegelzellen im
Ommatidium) auch bei den Myriapoda (in rudimentärer Form)
vorkommen. Dass der Name Tetraconata unpassend ist, würde
nicht zwingend erfordern, ihn durch einen anderen Namen zu
ersetzen, allerdings hat sich in der Literatur in den letzten
Jahren stattdessen der Name Pancrustacea etabliert. Auch für
die Pancrustacea gilt: die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen
den hier als Classes aufgefassten Monophyla ist unklar,
weshalb jegliche Zusammenstellungen dieser Taxa zu größeren
Gruppen noch nicht sicher als monophyletische Gruppen belegt
werden können. Die Classis Insecta heißt in der
englischsprachigen Literatur meist Hexapoda und dort bezieht
sich dann der Begriff "Insecta" nur auf die ectognathen
Insektengruppen. Ich übernehme dies hier in der Zoographia
Germaniae nicht, weil der Begriff "Insekt" im Deutschen weit
verbreitet ist, während der Begriff "Sechsfüßer" eigentlich
keine Verwendung findet. Die Pancrustacea bilden zusammen mit
den Myriapoda eine übergeordnete monophyletische Gruppe, die
als Mandibulata bezeichnet wird. Neben der in Abb. 1
zusammengefassten Auffassung (Tetraconata-Konzept), existieren
noch einige weitere Auffassungen zur Phylogenie der Arthropoda
(z. B. das Antennata-Konzept und das Myriochelata-Konzept),
die jedoch derzeit als unwahrscheinlich gelten und deshalb in
der Zoographia Germaniae nicht verwendet werden.
Wie oben bereits angesprochen, gibt es innerhalb der
Chelicerata noch ein weiteres weitgehend ungelöstes Problem:
die sehr artenreiche Gruppe der Milben ist phylogenetisch kaum
fassbar. Die Monophylie der Milben ("Acari") ist umstritten,
und die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Milben und zu
den anderen Cheliceratengruppen sind völlig unklar. Da ich
hier in der Zoographia Germaniae trotzdem eine Entscheidung
treffen muss, damit ich die hierarchische Link-Struktur
aufrecht erhalten kann, habe ich mich auf der Basis der
neuesten Studien zur Phylogenie der "Acari" zu folgendem
Konzept entschlossen, das in Abb. 2 dargestellt und erklärt
wird.