Zur Nomenklatur und Etymologie: die
Originalkombination Scarabaeus arenarius lässt nicht erkennen,
in welcher Form das Artepithet genutzt wurde: adjektivisch in
der Bedeutung "zur Arena/zum Sand gehörig" oder als Nomen in
der Bedeutung "Arenakämpfer, Gladiator". In solchen Fällen, in
denen beide Wortarten möglich sind, ist die Verwendung als
Nomen ("noun in apposition") vorgeschrieben (ICZN Article
31.2.2.; International Commission on Zoological Nomenclature
(1999)), es sei denn, es lassen sich Hinweise finden, in
welcher Form der Autor das Wort verwendet hat. Die Endung
-arius wird im Lateinischen sowohl genutzt um ein Nomen zu
adjektivieren, als auch um aus einem Nomen einen
Gattungsbegriff, meist eine Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnung
zu machen. Dabei ist folgendes zu beachten: zu den meisten
Nomina gibt es im Lateinischen bereits reguläre Adjektive, die
Adjektivierung mit -arius soll stattdessen gezielt die
Zugehörigkeit zu einem Nomen als Eigenschaft ausdrücken. Am
Beispiel von arenarius: das Wort arenarius leitet sich vom
Substantiv arena, -ae ("Sand", "Arena (sandiger Kampfplatz)")
ab. Zu arena gibt es bereits das reguläre Adjektiv arenosus,
-a, -um ("sandig") und das Partizip arens, -entis ("trocken",
"dürr"). Mit der Adjektivierung arenarius, -a, -um drückt man
dagegen die Eigenschaft "zum Sand gehörig" aus. Zum Substantiv
arena gibt es darüber hinaus bereits das reguläre Substantiv
arenaria, -ae ("Sandgrube"). Mit dem Anhängen der Endung
-arius wird ein neues Substantiv geschaffen, das eine
Tätigkeitsbezeichnung zum Ausdruck bringt, also jemand, der
mit Sand zu tun hat, in diesem Fall ein Kämpfer in der Arena:
ein "Arenarius" ist also ein Arenakämpfer oder Gladiator.
Anhand der Wortform alleine kann man also nicht entscheiden,
welche der beiden Alternativen vorliegt. Und es ist unmöglich
zu sagen, was Fabricius (1787) zur Namensgebung inspiriert
hat: die Tatsache, dass die Käfer im Sand graben und damit dem
Sandhabitat zugehörig sind, oder dass sie kraftvoll und
unaufhaltsam wie Arenakämpfer über den Sand laufen? Wir können
aber fragen, ob Fabricius (1787) in der Gattung Scarabaeus
noch weitere -arius-Formen verwendet hat und ob er diese
eindeutig adjektivisch oder eindeutig substantivisch benutzt
hat und könnten dann diese Nutzung auf das Wort arenarius
generalisieren. Fabricius (1787) hat in seinem Werk in der
Gattung Scarabaeus noch folgende -arius-Formen gelistet:
(1) scybalarius: von griech. skúbalon "krankhaft verhärtete
Kotmasse im Darm" (z. B. bei Darmverschluss). Diesen Namen hat
Fabricius selbst in einem früheren Werk geschaffen. Hier liegt
relativ sicher eine adjektivische Nutzung vor, denn eine
Tätigkeitsbezeichnung lässt sich hier wohl kaum ableiten.
(2) fimetarius: von lat. fimum, -i (auch: fimus, -i) "Kot,
Schmutz, Müll". Diesen Namen übernimmt Fabricius von Linnaeus
und hier kann zwischen adjektivischer und substantivischer
Nutzung nicht entschieden werden, da beides zutreffend wäre.
Es kann gemeint sein, dass der Käfer "zum Kot gehörig ist", es
kann aber auch gemeint sein, dass er sich als fimetarius
("Müllentsorger") betätigt.
(3) granarius: von lat. granum, -i "Korn", weiteres reguläres
Substantiv: granarium, -i "Kornspeicher". Auch diesen Namen
übernimmt Fabricius von Linnaeus. Hier sind beide Bedeutungen
"zum Korn gehörig" bzw. "Arbeiter in der Kornverarbeitung"
unwahrscheinlich, vor allem weil sich die Art wie viele
Scarabaeidae in Tierkot oder fauligem Pflanzenmaterial
entwickelt und eine Verbindung zu Getreide nicht besteht.
Linnaeus (1767) hat den Namen offenbar als (die Bedeutung
leider nicht treffendes) Adjektiv in Anspielung auf die
Körpergröße der Art gewählt, denn er schreibt: "Magnitudo
Seminis Tritici" (= "von der Größe eines Weizenkorns").
(4) stercorarius: von lat. stercus, -oris "Mist, Exkremente".
Diesen Namen übernimmt Fabricius ebenfalls von Linnaeus und
hier gilt das gleiche wie für fimetarius (siehe Punkt 2).
Jedoch gibt es für stercus bereits zwei reguläre Adjektive:
stercoreus, -a, -um "schmutzig" und stercorosus, -a, -um
"kotig", die Linnaeus aber nicht nutzt. Somit könnte man eher
an ein Substantiv denken (z. B. "Kotentsorger").
(5) testudinarius: von testudo, -inis "Schildkröte", aber auch
"Schildpatt" (braun-schwarz gemustertes Material aus dem
Schildkrötenpanzer, das zur Schmuckherstellung benutzt wird).
Diesen Namen hat Fabricius selbst bereits in einem früheren
Werk geprägt. Die adjektivische Verwendung mit der Bedeutung
"zur Schildkröte gehörig" ergibt für den Käfer keinen Sinn,
auch die substantivische Verwendung ergibt kaum Sinn (was soll
man sich unter einem "Testudinarius" vorstellen?). Sinn ergibt
jedoch die Annahme, dass Fabricius auf die braun-schwarze
Musterung der Elytren der Art angespielen wollte, und statt
des eigentlich dafür vorgesehenen Adjektivs testudineus, -a,
-um "mit Schildpatt ausgelegt, schildpattartig",
fälschlicherweise die Adjektivierung mittels -arius gewählt
hat.
(6) pilularius: von lat. pilula, -ae "Kügelchen, Pille".
Diesen Namen übernimmt Fabricius wieder von Linnaeus, der ihn
für den Pillendreher (aktuell: Canthon pilularius) geprägt
hat. Hier ist pilularius also ziemlich eindeutig ein
Substantiv ("der Pillendreher").
Somit ergibt sich zwar insgesamt kein einheitliches Bild der
Nutzung der -arius-Formen durch Fabricius (1787), jedoch kann
in den Fällen, in denen Fabricius die Namen selbst geprägt hat
(scybalarius, testudinarius) recht sicher von einer
adjektivischen Verwendung ausgegangen werden. Somit ist eine
Generalisierung auch auf arenarius möglich, wodurch ein
adjektivischer Gebrauch als am wahrscheinlichsten gelten kann
und ich die Evidenz hierfür als "decisive" nach ICZN Article
31.2.2. ansehe.