Hier sammle ich Informationen zur Nomenklatur einzelner Gattungen.
Genus Liris
Die Gattung Liris wurde von Fabricius (1804, p. 227)
eingeführt, der die Gattung dabei eindeutig als
grammatikalisch weiblich verwendet hat. Allerdings spielt die
Verwendung durch den Originalautor nomenklatorisch immer dann
keine Rolle, wenn es sich bei dem Gattungsnamen um ein
lateinisches oder griechisches Wort handelt; in diesen Fällen
erhält der Gattungsname das grammatikalische Geschlecht des
lateinischen bzw. griechischen Wortes (Article 30.1. des Code
for Zoological Nomenclature). Im vorliegenden Fall kann man
streiten, ob der Gattungsname ein lateinisches Wort ist: Liris
ist der römische Name des heutigen Flusses Liri (inklusive
seines Unterlaufes, der heute Garigliano heißt) in
Mittelitalien. Als solcher steht er als Stichwort in
Wörterbüchern der lateinischen Sprache (z.B. Pertsch 1983).
Man mag sich zunächst wundern, warum ein verhältnismäßig
kurzer und heute nur regional bedeutender Fluss noch immer in
Wörterbüchern der lateinischen Sprache auftaucht. Dies hat
jedoch damit zu tun, dass der Liris als Abfluss des Wassers
aus dem Fuciner See diente und damit in der späten Antike
überregionale Bedeutung und Bekanntheit erlangte: der Fuciner
See war das größte Binnengewässer Mittelitaliens, und an
seinem Ufer lag die Stadt Marruvium, damals eine wichtige
Station des römischen Straßennetzes (Marruvium ist u.a. in der
Tabula Peutingeriana verzeichnet). Da der Fuciner See jedoch
ein abflussloser, vollständig von Bergen umgebener Karstsee
war, schwankte sein Wasserspiegel stark, und es kam zu
häufigen Überschwemmungen und Malariaepidemien in Marruvium.
Schon Gaius Julius Caesar plante deshalb den See
trockenzulegen, doch erst unter Kaiser Claudius gelang dieses
Unterfangen (zumindest teilweise). In elf Jahren Bauzeit
trieben etwa 30.000 Arbeiter einen beinahe 6 Kilometer langen
Tunnel durch das umgebende Gebirge und schufen damit eine
Abflussverbindung vom Fuciner See zum in der Nähe
vorbeifließenden Liris, so dass der Großteil des Wassers des
Sees über den Fluss ins Mittelmeer abfließen konnte und
darunter äußerst fruchtbaren Boden freigab. Im Jahr 52 wurde
der Claudius-Tunnel vollendet und der Abfluss durchgestochen,
nicht ohne zuvor noch im See die bis heute größte Naumachia
(inszenierte Seeschlacht) mit 100 Kriegsschiffen und beinahe
20.000 zum Tode Verurteilten als Statisten zu veranstalten.
Diese besondere Naumachia hallt übrigens noch bis heute nach,
denn bei dieser Naumachia riefen die Verurteilten dem Kaiser
Caudius das heute geflügelte Wort zu: "Ave Imperator, morituri
te salutant". Der Claudius-Tunnel war in der Folge über 1800
Jahre lang das längste Tunnelbauwerk der Welt und gilt auch
heute noch als ein Meisterwerk des Tunnel- und Stollenbaus. Es
ist daher verständlich, dass die Trockenlegung des Fuciner
Sees über den Liris als Abfluss in der damaligen Zeit in aller
Munde war und der Liris in diesem Zusammenhang sicherlich eine
ähnliche Bekanntheit erlangte wie andere viel größere und
wichtigere Flüsse, z.B. der Rhein oder die Donau. Somit finden
sich in den lateinischen Wörterbüchern nicht nur der Rhenus
und der Danuvius als Stichwort, sondern eben auch der Liris.
Ich richte mich nach der Formulierung im International Code of
Zoological Nomenclature: "a genus-group name that is or ends
in a Latin word takes the gender given for that word in
standard Latin dictionaries" (Article 30.1.1.), und betrachte
alle Stichworte, also auch Eigennamen von Personen, Orten oder
Flüssen, die in einem Standardwörterbuch der lateinischen
Sprache aufgeführt sind, als "Latin words" im Sinne des Code
of Zoological Nomenclature. Das grammatikalische Geschlecht
des römischen Flussnamens Liris ist maskulin. Obwohl nicht
bekannt ist, ob Fabricius (1804) bei der Namensgebung für die
Gattung tatsächlich an den italienischen Fluss mit all seinen
Superlativen gedacht hat, so hat er es eben versäumt die
Etymologie und das grammatikalische Geschlecht seines neuen
Gattungsnamens deutlich zu erklären, und dadurch muss das
Geschlecht nun nach den Nomenklaturregeln bestimmt werden,
wonach es nach dem lateinischen Flussnamen Liris als maskulin
festgelegt werden muss.
Genus Nysson
Die Gattung Nysson wurde von Latreille (1802, p. 340)
aufgestellt, allerdings ohne Erklärung oder Angabe des
grammatikalischen Geschlechts. Das Wort nysson (νύσσων
(maskulin) oder νῠ́σσον (neutral)) ist das altgriechische Wort
für "stechen" in der Partizipform. Nach Article 30.1.2. des
International Code of Zoological Nomenclature erhalten
unverändert transliterierte griechische Begriffe dasjenige
grammatikalische Geschlecht, das sie bereits im Griechischen
hatten. Da bei der Transliteration im vorliegenden Fall der
Unterschied zwischen ω und ο (beides wird als "o"
transliteriert) verlorengeht, ist das Geschlecht leider nicht
eindeutig zu bestimmen. Wir können hier aber analog zu Article
30.1.4.2. bei mehreren möglichen Geschlechtern standardmäßig
die maskuline Form wählen. Auch Latreille hat kurze Zeit
später (Latreille (1804, p. 305ff)) die Gattung im maskulinen
grammatikalischen Geschlecht verwendet; das hat zwar
nomenklatorisch keine Relevanz, zeigt aber, dass auch der
Originalautor den Gattungsnamen als maskulines Nomen angesehen
hat.
Genus Pemphredon
Die Gattung Pemphredon wurde von Latreille auf Seite 128 in
seinem Werk "Précis des caractères génériques des insectes"
eingeführt, das im 5. Revolutionsjahr erschienen ist und
deshalb nicht exakt auf 1796 oder 1797 datiert werden kann
(das 5. Revolutionsjahr des französischen Revolutionskalender
dauerte vom 22.09.1796 bis zum 21.9.1797). Im allgemeinen wird
für die Anwendung der Prioritätsregel der frühere Zeitpunkt,
also 1796, angenommen. Das grammatikalische Geschlecht legt
Latreille in dieser Publikation leider nicht fest. Erst später
nutzt er den Gattungsnamen in Verbindung mit adjektivischen
Art-Epitheta (z. B. Latreille 1807:83ff und Latreille
1825:47ff) und zwar in der maskulinen Form ("Pemphredon
minutus"). Das hat nach den Nomenklaturregeln jedoch keine
Relevanz, da nur die Originalbeschreibung betrachtet wird.
Pemphredon (in Varianten auch Pemphredo und Pemphretu) ist der
Name einer der drei Graien aus der griechischen Mythologie,
was also eindeutig das weibliche grammatikalische Geschlecht
bestimmt.