Zur Nomenklatur: die vielen "Mottenarten", die in der
Vergangenheit mit Artepitheta mit der Endung -ella (bzw.
-ellus, -ellum) benannt wurden, sorgen nomenklatorisch für
Probleme. Viele Autoren betrachten diese Epitheta pauschal als
Adjektive, die dann dem grammatikalischen Geschlecht des
Gattungsnamens angepasst werden müssen. Einige Autoren
vertreten alternativ die Ansicht, dass es sich dabei pauschal
um sog. "nouns in apposition" handelt, die dann in der
Originalschreibweise erhalten bleiben müssen (und nicht dem
Gattungsnamen angepasst werden dürfen). Leider führen solche
pauschalen Vorgehensweisen nicht zum Ziel, weil nach dem
International Code of Zoological Nomenclature alle
Artbenennungen im Einzelfall betrachtet, geprüft und bewertet
werden müssen.
Die vorliegende Art ist von Linnaeus (1758) als Phalaena Tinea
ramella beschrieben worden. Das Artepithet dürfen wir nach dem
Code (1999) nur auf vier verschiedene Weisen auffassen ("must
be, or treated as"; Article 11.9.1.):
1) Adjektiv oder Partizipialform im Nominativ Singular
2) Substantiv im Nominativ Singular in Apposition zum
Gattungsnamen ("standing in apposition to the generic name")
3) Substantiv im Genitiv
4) Substantiviertes Adjektiv im Genitiv
Die Alternativen 3 und 4 scheiden sofort aus. Der Endung
"-ella" nach kann es sich jedoch um ein Diminutiv handeln. Im
Lateinischen können sowohl Substantive als auch Adjektive ins
Diminutiv gebeugt werden, somit kann hierdurch nicht zwischen
Alternative 1 und 2 unterschieden werden. Anders als im
Deutschen erhält das Diminutiv im Lateinischen jedoch kein
eigenes grammatikalisches Geschlecht, sondern bezieht sein
grammatikalisches Geschlecht direkt vom Adjektiv oder
Substantiv, das es verkleinert, in diesem Fall also ramus
(Ast, Zweig), ein maskulines Substantiv. Das korrekte
Diminutiv von ramus wäre also ramellus (Ästchen, Zweiglein).
Bei ramella scheint es sich also um ein fehlerhaft gebildetes
Diminutiv des Substantivs ramus zu handeln. Damit wäre
zunächst recht sicher begründet, dass es sich um ein
Substantiv handelt, und damit die Alternative 2 zutrifft: das
Artepithet ramella ist ein "noun in apposition". Zuletzt muss
noch geklärt werden, ob die fehlerhafte Bildung des Diminutivs
ramella zur korrekten maskulinen Form ramellus korrigiert
werden muss. Hierzu schreibt der Code (1999) eindeutig vor,
dass ausschließlich unbeabsichtigte Fehler korrigiert werden
dürfen (Article 32.5.), was hier eindeutig nicht vorliegt,
denn Linnaeus (1758) begeht den gleichen Fehler bei anderen
Arten noch viele Male offensichtlich absichtlich, um die von
ihm bevorzugte "Motten-typische" Endung -ella zu erhalten. Es
gibt zwar zusätzlich die Pflicht zur Anpassung des
grammatikalischen Geschlechts des Artepithets (Article 31.2.),
allerdings gilt das nur für die Anpassung des Geschlechts an
das Geschlecht des Gattungsnamens; andere Anpassungen des
grammatikalischen Geschlechts sind nicht erlaubt. Somit bleibt
ramella die gültige Schreibweise und wird als "noun in
apposition" auch nicht an das grammatikalische Geschlecht des
Gattungsnamens angepasst.