Die Ypsolophidae umfassen in Deutschland zwei sehr
unterschiedliche Gattungen. Die Arten der Gattung Ypsolopha
sind mittelgroße Falter, die aufgrund der lang behaarten
Labialpalpen, die eine Schnauze bilden, den Zünslern
(insbesondere der Gattung Crambus) ähneln. Die Arten der
Gattung Ochsenheimeria sind dagegen kleiner und haben mit
ihren kurzen Flügeln mit aufrechten Schuppen überhaupt keine
Ähnlichkeit mit Ypsolopha. Auch in ihrer Biologie
unterscheiden sich die beiden Gattungen grundlegend. Es kann
deshalb nicht verwundern, dass die beiden Gattungen früher in
zwei verschiedene Familien eingeteilt wurden. Die Imagines der
Gattung Ypsolopha fliegen nachts und verstecken sich tagsüber
in der Vegetation. Ihre Larven ernähren sich von den Blättern
von Bäumen und Sträuchern; vor allem jüngere Larven bilden ein
leichtes Gespinst aus losen Seidenfäden meist auf der
Unterseite des Blattes. Die Verpuppung erfolgt in einem
stärkeren spindelförmigen Seidenkokon. Die Imagines der
Gattung Ochsenheimeria fliegen tagsüber, meist an warmen und
sonnigen Tagen zur Mittagszeit. Ihre Larven fressen in den
Stängeln von Gräsern.
Die Ypsolophidae gehören innerhalb der Yponomeutoidea zu
einer Gruppe von Taxa, deren Rang (z. B. als Familia oder
Subfamilia) und Verwandtschaftbeziehungen untereinander unklar
sind. Üblicherweise werden die Ypsolophidae und die
Plutellidae als eigene Familien abgetrennt und die übrigen
Taxa im Rang von Unterfamilien (Orthoteliinae, Acrolepiinae,
Glyphipteriginae) als Familie Glyphipterigidae zusammengefasst
(Sohn et al. 2013). Ich folge dieser Auffassung hier in der
Zoographia Germaniae, allerdings deutet die phylogenetische
Analyse der inzwischen (Datenstand: Februar 2025) zahlreichen
verfügbaren Sequenzfragmente des Mt-CO1-Gens an, dass die
Ypsolophidae eine Gruppe innerhalb der Glyphipterigidae bilden
und somit als Unterfamilie in diese einbezogen werden müssten
(Abb. 1). Eine alternative Auffassung wäre es, alle bisherigen
Unterfamilien jeweils im Rang einer Familie anzuerkennen.
Abb. 1: Phylogenetischer Stammbaum
der Ypsolophidae und verwandter Gruppen auf der Grundlage
der verfügbaren Sequenzfragmente des mitochondrialen Gens
Mt-CO1 (dieses Gen codiert die Untereinheit I der
Cytochrom-c-Oxidase). Der Informationsgehalt des
Sequenzfragments (658 bp, sog. "DNA-Barcode") ist auf Grund
der geringen Länge stark begrenzt. Bei nahe verwandten Arten
(wie in diesem Fall) kann jedoch oft trotzdem ein
phylogenetisches Signal ausgewertet werden. Für den
Stammbaum wurde die genetische Distanz zwischen den
Sequenzfragmenten errechnet (die Skala zeigt den Umfang an
genetischer Veränderung). Distanzmethoden sind nur für
DNA-Sequenzen aussagekräftig, die nach der Molekularen Uhr
evolvieren, was nur für wenige Gene zutrifft, was aber für
das Mt-CO1-Gen annähernd gegeben ist. Grundlage der
dargestellten Distanzbestimmung ist ein Sequenzalignment mit
Clustal Omega (Sievers & Higgins 2021; Madeira et al.
2024). Der Stammbaum wurde mittels der Art Yponomeuta
evonymella (Yponomeutidae) gewurzelt. Die
Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, die im Stammbaum angegeben
sind, sind die Zugriffsnummern der jeweiligen Sequenzen in
GenBank (Sayers et al. 2022). Die Gattungen Plutella,
Eidophasia und Rhigognostis bilden eine monophyletische
Gruppe, die üblicherweise im Rang einer Familia
(Plutellidae) anerkannt wird. Auffällig ist, dass die
Gattung Eidophasia in der Analyse nicht monophyletisch ist,
was darauf hindeutet, dass die Gattungsgrenzen bislang
fehlerhaft definiert werden. Die Gattung Orthothelia zweigt
danach alleine ab; sie wird meist im Rang einer Unterfamilie
(Orthotheliinae) geführt. Die Gattungen Digitivalva,
Acrolepia und Acrolepiopsis bilden eine monophyletische
Gruppe, die üblicherweise im Rang einer Unterfamilie
Acrolepiinae (Halbmotten) der Glyphipterigidae geführt wird.
Manchen Autoren erkennen die Gruppe jedoch als eigene
Familie an, was nach der vorliegenden Analyse jedoch auch
zur Anerkennung einer Familie Orthoteliidae führen muss. Die
Gattungen Ypsolopha und Ochsenheimeria bilden eine
monophyletische Gruppe, die üblicherweise als Familie
Ypsolophidae geführt wird. In der vorliegenden Analyse ist
dies jedoch nur möglich, wenn auch die anderen Gruppen als
Familien anerkannt werden. Sollen Orthoteliinae und
Acrolepiinae weiterhin als Unterfamilien der
Glyphipterigidae geführt werden, so müssen die Ypsolophidae
als Unterfamilie in die Glyphipterigidae einbezogen werden.
Interessant ist die Stellung von Ypsolopha ochrella
außerhalb der übrigen Ypsolopha, was darauf hinweist, dass
diese nordamerikanische Art falsch zugeordnet ist und zu
einer anderen, möglicherweise neuen Gattung gehört. Die
Arten der Gattung Glyphipterix schließlich bilden eine klar
abgegrenzte monophyletische Gruppe, mit zwei Besonderheiten:
zum einen ist die Art Digitivalva hemiglypha (hervorgehoben
in Pink) offensichtlich in Digitivalva fehlplatziert und
gehört eigentlich in die Gattung Glyphipterix, und zum
anderen ist die Gattung Lepidotarphius offenbar ein Synonym
von Glyphipterix, da Lepidotarphius perornatellus inmitten
der Arten der Gattung Glyphipterix platziert wird.
Quellen und Einzelnachweise
Madeira F, Madhusoodanan N, Lee J, Eusebi A,
Niewielska A, Tivey ARN, Lopez R, Butcher S. 2024. The
EMBL-EBI Job Dispatcher sequence analysis tools framework in
2024. Nucleic Acids Research 52(W1):W521-W525.
Sayers EW, Bolton EE, Brister JR, Canese K, Chan J, Comeau DC,
Connor R, Funk K, Kelly C, Kim S, Madej T, Marchler-Bauer A,
Lanczycki C, Lathrop S, Lu Z, Thibaud-Nissen F, Murphy T, Phan
L, Skripchenko Y, Tse T, Wang J, Williams R, Trawick BW,
Pruitt KD, Sherry ST. 2022. Database resources of the national
center for biotechnology information. Nucleic Acids Research
50(D1):D20-D26.
Sievers F, Higgins DG. 2021. The Clustal Omega Multiple
Alignment Package. Methods in Molecular Biology 2231, 3-16.
Sohn JC, Regier JC, Mitter C, Davis D, Landry JF, Zwick A,
Cummings MP. 2013. A molecular phylogeny for Yponomeutoidea
(Insecta, Lepidoptera, Ditrysia) and its implications for
classification, biogeography and the evolution of host plant
use. PLoS One 8, e55066.