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Vielzelligkeit als Merkmal der Metazoa

Die monophyletische Gruppe der Metazoa umfasst diejenigen Lebewesen, die wir ohne weiteres als "Tiere" ansprechen würden. Ein wichtiges Merkmal der Metazoa ist ihre Vielzelligkeit. Allerdings ist das kein spezifisches Merkmal der Metazoa: die Vielzelligkeit ist während der Evolution sehr oft entstanden. Fast alle größeren monophyletischen Gruppen der Eukaryota haben unabhängig die Vielzelligkeit erreicht. In der Gruppe der Excavata sehen wir bei den Fornicata zwar noch keine echte Vielzelligkeit, aber eine besondere Form der "Zweizelligkeit" (z. B. Gattung Giardia), die vermutlich dadurch erreicht wird, dass eine normale Zellteilung begonnen wird, aber nicht vollständig abgeschlossen wird. Bei den Discoba gibt es aber schon mehrzellige Kolonien in der Gruppe der Euglenozoa, und auch Vielzelligkeit bei Arten der Heterolobosea, z. B. die "Schleimpilze" der Gattung Acrasis. In der Gruppe der Diaphoretickes ist bei den Pancryptista zumindest eine wenigzellige Art der Cryptophyta bekannt (Bjornbergiella hawaiiensis) und koloniale Formen gibt es bei den Centrohelida (z. B. Raphidiophrys viridis) und den Alveolata (z. B. Gattung Zoothamnium), netzwerkbildende Formen bei den Rhizaria (z. B. Gattung Chlorarachnion) und eine große Vielfalt an kolonialen bis vielzelligen Formen bei den Stramenopila (z. B. die Eipilze und die Braunalgen). Die Stramenopila haben die Vielzelligkeit daher mit Sicherheit sogar mehrfach evolviert. Das gleiche gilt vermutlich auch für die Archaeplastida, wo wir unterschiedliche Vielzellertypen z. B. bei den Grünalgen sehen, und natürlich richtige Vielzeller sowohl bei den Rotalgen als auch bei den grünen Landpflanzen finden. Auch innerhalb der Amorphea, mit ihrer immensen Vielfalt an kolonialen und wenigzelligen Formen und den verschiedensten echten Vielzellern, wurde die Vielzelligkeit mit großer Wahrscheinlichkeit mehrfach evolviert. Neben den vielzelligen Tieren (Metazoa), finden wir Vielzelligkeit auch bei den Amoebozoa (vor allem bei den "Schleimpilzen" der Gattung Dictyostelium), den Holomycota ("Pilze") und auch bei ursprünglichen Gruppen der Holozoa selbst (z. B. Choanoflagellata).
Es gibt also viele evolutionäre Wege, die zur Vielzelligkeit führen und diese Wege wurden auch mehrfach unabhängig voneinander beschritten. Das zeigt sich besonders gut daran, dass nicht nur eukaryotische Organismen die Vielzelligkeit erreicht haben, sondern dass es auch bei den Bacteria vielzellige Gruppen gibt (z. B. Gattungen Nostoc, Fischerella, Schizothrix). Am beeindruckendsten ist vielleicht die mehrfache Evolution der Bildung vielzelliger Körper durch Aggregation unabhängiger Einzelzellen. Die Ähnlichkeit dieses Vorgangs bei so unterschiedlichen Gruppen wie Myxobakterien, Heterolobosea und Amoebozoa ist ein ganz außergewöhnlicher Fall von konvergenter Evolution.


Besonderes Epithelgewebe als apomorphes Merkmal der Metazoa

Die Vielzelligkeit bei den Metazoa ist jedoch die Grundlage für eine Apomorphie der Metazoa, nämlich die Ausbildung eines besonderen Typs von Epithelgewebe. Da Gewebe immer aus mehreren Zellen bestehen, ist die Vielzelligkeit natürlich eine Voraussetzung, um auch Epithelgewebe bilden zu können. Jedoch sind nicht alle vielzelligen Zusammenschlüsse auch gleich Epithelien. Wie schon die Vielzelligkeit, so ist auch das Vorhandensein von Epithelien kein exklusives Merkmal der Metazoa, denn z. B. die hoch organisierten Viridiplantae (grüne Pflanzen) haben unabhängig von den Metazoa ebenfalls Epithelien evolviert. Allerdings ist der morphologische Aufbau der Epithelien der Metazoa sehr charakteristisch und findet sich in dieser Form nur bei den Metazoa. Vereinfacht beschrieben, sind metazoische Epithelien geschlossene Zellverbände, deren Zellen auf einer gemeinsamen basalen Matrix aufsitzen und am gegenüberliegenden Zell-Ende durch Verschlusskontakte fest miteinander verbunden sind. Die Zellen in einem Epithel haben also stets eine deutliche Polarität mit einem basalen Ende (in Richtung der basalen Matrix) und einem apikalen Ende (in Richtung der Verschlusskontakte). In Abb. 1 ist ein stark vereinfachtes Schema eines metazoischen Epithels dargestellt.

Abb. 1: Stark vereinfachtes Schema eines metazoischen Epithels. Die Zellen (grau, Zellkern dunkelblau) bilden einen geschlossenen Zellverband und sitzen basal auf einer gemeinsamen basalen Matrix (orange) auf. Die basale Matrix besteht zum großen Teil aus Laminin und Collagen IV. Am apikalen Ende sind die Zellen untereinander durch spezielle Verschlusskontakte (rot) fest miteinander verbunden.

Das erste (primordiale) Epithel eines Individuums entsteht bereits in der Frühphase der Embryonalentwicklung. Aus der befruchteten Eizelle (Zygote) entstehen durch Zellteilungen (Furchungsteilungen) zunächst mehrzellige Stadien (2-Zell-Stadium, 4-Zell-Stadium usw.), die jedoch noch nicht gewebeartig organisiert sind. Durch weitere Zellteilungen bildet sich aber schon kurze Zeit später eine vielzellige, innen üblicherweise hohle "Zellkugel", die Blastula. Die Zellen, die die Blastula bilden, sind nun als Epithel organisiert. Dieses primordiale Epithel wird als Blastoderm bezeichnet (Abb. 2 links). Die Zellen des Blastoderms differenzieren sich weiter: es entstehen die primären Keimblätter. Der Name ist unglücklich gewählt, da eine Verwechslung mit den Keimblättern bei den Pflanzen droht. Die Keimblätter der Metazoa haben mit den pflanzlichen Keimblättern jedoch überhaupt nichts zu tun. Der Name "Keimblätter" soll bei den Metazoa stattdessen zwei Punkte zum Ausdruck bringen:
(1) es handelt um Epithelien. Für den Fachbegriff "Epithelium" war im 19. und frühen 20. Jahrhundert der deutschsprachige Begriff "Blatt" üblich, was aber nichts mit den Blättern bei Pflanzen zu tun hat.
(2) sie sind Quelle bzw. Ausgangspunkt für die Entwicklung von Organen. Auch hier ist wieder der Begriff "Keim" eine alte Formulierung für "Quelle, Ausgangspunkt".

Abb. 2: Stark vereinfachter und generalisierter Schnitt durch das Blastulastadium. Die Farben sind die gleichen wie in Abb. 1: die Zellen des primären Epithels (Blastoderm, grau, Zellkern dunkelblau) sitzen basal auf einer basalen Matrix (orange) auf. Am apikalen Ende sind die Zellen untereinander durch Verschlusskontakte (rot) fest verbunden. In der jungen Blastula (links) bildet das Blastoderm die "Hülle" um einen zentralen Hohlraum (die primäre Leibeshöhle, Blastocöl). In der etwas älteren Blastula sind dann Teile des Blastoderms bereits unterschiedlich determiniert (differenziert): ein Teil der Zellen erhält ein ektodermales Schicksal (gelb), der übrige Teil erhält ein entodermales Schicksal (grün).

Die Differenzierung des Blastoderms in die primären Keimblätter findet meist noch im Blastulastadium statt. Ein Teil der Blastodermzellen erhält dabei ein ektodermales Schicksal (gelb in Abb. 2, rechts), der andere Teil der Blastodermzellen erhält stattdessen ein entodermales Schicksal (grün in Abb. 2, rechts). Danach setzen umwälzende embryonale Entwicklungsmechanismen ein, die dafür sorgen, dass die determinierten Zellen an ihren vorgesehenen Bestimmungsort gelangen und sich differenzieren können: die ektodermalen Zellen bleiben zunächst an der Oberfläche, während die entodermalen Zellen in das Innere der Blastula gelangen. Dieser Prozess wird als Gastrulation bezeichnet, sein Ergebnis ist die Gastrula, die nun aus den beiden primären Keimblättern Ektoderm (außen) und Entoderm (innen) besteht. Meistens bildet sich während der späten Phase der Gastrulation aus Teilen der bereits vorhandenen primären Keimblätter ein weiteres, sekundäres Keimblatt, das als Mesoderm bezeichnet wird.
Für die Bildung des Mesoderms gibt es diverse Mechanismen, prinzpiell stammen aber die mesodermalen Zellen ursprünglich entweder aus dem Ektoderm oder aus dem Entoderm: man spricht differenzierend von Ektomesoderm bzw. Entomesoderm. Beides schließt sich aber nicht gegenseitig aus, so dass in einer Art sowohl Ekto- als auch Entomesoderm vorliegen kann. Die Zellen des Mesoderms stammen also aus Epithelien und sind somit mit der Fähigkeit Epithelien zu bilden vollständig ausgestattet. Nicht immer wird diese Fähigkeit jedoch auch umgesetzt. Neben epithelial organisiertem Mesoderm (z. B. als Cölothelien um sekundäre Leibeshöhlen (sog. Cölome)) bilden mesodermalen Zellen aber auch andere Gewebetypen, allen voran das Bindegewebe und das Muskelgewebe.

Quellen und Einzelnachweise
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Zoographia Germaniae wird verfasst und herausgegeben von Niko Prpic-Schäper.
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