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 Paulus, der Gründer des Christentums

Heinz Röhr: "Paulus, der Gründer des Christentums"

Copyright © Heinz Röhr online zu lesen unter

zu Klampen Verlag, Lüneburg 2001, 272 S., Euro 19.

Um es vorweg zusagen: dies ist das beste Paulus-Buch, das ich seit A.Schweitzers "Mystik des Apostels Paulus" gelesen habe. Es stellt selbst M. Dibelius, G. Bornkamm und Sch. Ben-Chorin in den Schatten.

Der Titel des Buches ist Programm: nicht Jesus, sondern Paulus ist die entscheidende Gestalt des frühen Christentums. Im zentralen Kapitel VIII ("Paulus und Jesus") legt Lüdemann die Unterschiede dar: Jesus kam vom Dorf, Paulus ist Städter. In Jesu Gleichnissen wird die Welt des Dorfmenschen, das ländliche Milieu, lebendig.

Die Briefe des Paulus, in seiner Sprache Griechisch verfasst, beschreiben die Verhältnisse in der Stadt. (Jesus konnte nur Aramäisch und weder lesen noch schreiben.) Paulus war römischer Bürger. "Von Herkunft und Bildung her standen sich in Paulus und Jesus Welt und Provinz gegenüber." Paulus hätte einem "Naturburschen" wie Jesus gegenüber lediglich "geschmunzelt"... Und umgekehrt wäre es Jesus genauso mit Paulus gegangen. "Die hochgestelzte theologische Argumentation hätte er ohnehin nicht verstanden."

Gleichwohl haben die beiden als Glieder des Volkes Israel auch Gemeinsamkeiten: Gottesbegriff, Hochschätzung des AT: Eine poetische Spitzenleistung des Paulus ist das "Hohelied der Liebe" 1 Kor 13. Es fehlt darin allerdings die Lehre über Christus; "Glaube" hat eine ganz und gar jüdische Färbung (= "Urvertrauen"); die "Naherwartung" (des Reiches Gottes) fehlt völlig. Paulus hat diesen einmalig schönen Text wahrscheinlich schon in seiner vorchristlichen Zeit geschrieben.

Das Buch beginnt mit einer akribisch gearbeiteten "Chronologie" (48 Seiten). In c. III, einem kleinen philologischen Meisterwerk, erörtert Lüdemann die Probleme des Philemon-Briefes, und zwar literarisch (Vergleich mit 2 Plinius-Briefen), soziologisch und theologisch. Besonders beleuchtet wird der Begriff des "Seins-in-Christus" (V. 8 und V.20). Liegt hier Mystik vor? Im Gegensatz zu R. Bultmann wagt es Lüdemann (im Anschluss an M. Dibelius und A. Schweitzer), von Mystik bei Paulus zu reden. Dafür gebührt ihm besondere Anerkennung.

Jesus war kein Christ, sondern Jude. Aber war Paulus "Christ"? Paulus ist zunächst Jude, Pharisäer und Verfolger der jungen Jesus-Gemeinde. Das Damaskus-Erlebnis macht aus ihm einen glühenden Verfechter des "Neuen Gesetzes" Christi. Die Ausführungen des Paulus zur Gesetzesfrömmigkeit wie zur Gesetzeskritik sind zwiespältig: Paulus bleibt im Herzen Jude, "obwohl er den Juden Jesus als den erlösenden Sohn Gottes neu definiert hatte". Und natürlich fühlt sich Paulus als "Apostel Jesu Christi" (c. VII), zu dem er auch betet. Er ist Ekstatiker und Visionär, und er interpretiert Taufe ("auf den Tod Jesu") und Herrenmahl (als "liturgische Begehung", als "Teilhabe" an Leib und Blut Christi) völlig neu. Gegenüber der paulinischen Blut- und Wundentheologie ist Lüdemann sehr kritisch. ("Wenn Paulus ... über die Bedeutung des Blutes Jesu als Sühnemittel spricht, läuft es mir kalt den Rücken herunter.")

Auch charakterlich ist Paulus kein Musterknabe: "Ein Mensch wie Paulus muss immer die Nummer 1 sein." Er will (vor der Bekehrung) alle anderen in der Beobachtung des Gesetzes übertroffen haben. Er will mehr als alle anderen in Zungen geredet und mehr als alle anderen als Missionar gearbeitet haben. Es gibt bei Paulus einen Hang zum Fanatismus. Ja, auch der christliche Antijudaismus kann sich auf Paulus stützen (1 Thess 2,14-16). Paulus ist der Gründer des Christentums, wobei es allerdings nicht ohne teilweise entscheidende Änderungen der Religion Jesu abging. Paulus hat Jesus nicht gekannt, aber ohne Paulus gäbe es kein Christentum, d.h. wir wüssten nichts über Jesus!

Das Buch ist (auch) für Laien geschrieben. Es ist ausgesprochen gut lesbar. Es enthält, didaktisch sehr gut aufbereitet, alle wichtigen Paulus-Texte in deutscher Übersetzung (mit Erläuterungen). Ein echter Lüdemann!

Heinz Röhr

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Last updated on April 22, 2020
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