Gerd Lüdemann's Homepage
Zur Person
In eigener Sache
DER DEKAN
DER THEOLOGISCHEN FAKULTÄT
DER GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT IN GÖTTINGEN
Theologische Fakultäten in Deutschland sind staatliche
Einrichtungen. Der Staat hat sich selbst verpflichtet, die Theologie
als Teil der Wissenschaften in seinen Universitäten zu verankern und
den gegenseitigen Austausch mit anderen Wissenschaften zu fördern.
Zugleich erfüllen die Theologischen Fakultäten in Deutschland eine
kirchliche Aufgabe. Zum einen tragen sie durch ihre wissenschaftliche
Tätigkeit zur Entfaltung der kirchlichen Lehre bei. Zum anderen sorgen
sie für die wissenschaftliche Ausbildung der künftigen Geistlichen und
Religionslehrer.
Die Theologischen Fakultäten in Deutschland besitzen somit
juristisch einen Doppelstatus. Dieser Doppelstatus liegt im Interesse
sowohl des Staates als auch der Kirche. In Übereinstimmung mit der
deutschen und der europäischen Wissenschaftstradition sind die
Theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten angesiedelt und
stehen unter dem Schutz des Grundrechts der Religionsfreiheit. Der
staatliche Status schützt vor Bevormundungen durch die Kirche, der
kirchliche vor Übergriffen des Staates. Der Doppelstatus begründet die
uneingeschränkte Freiheit in Lehre und Forschung an den Theologischen
Fakultäten, sofern sich ihre Mitglieder, was für alle staatlichen
Institutionen gilt, sich auf dem Boden der geltenden Gesetze bewegen.
Aus dem Doppelstatus der Theologischen Fakultäten resultiert eine
besondere dienstrechtliche Stellung ihrer Professoren. Sie werden (in
der Regel) in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und sind
daher dem Staat und seinen Gesetzen, insbesondere solchen, die das
Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland regeln, verpflichtet.
Zugleich erfüllen sie mit der wissenschaftlichen Entfaltung der
kirchlichen Lehre und mit der Ausbildung von Geistlichen und
Religionslehrern eine kirchliche Aufgabe und sind damit der Kirche und
ihren vom Staat gewährten, vertraglich geregelten Rechten
verpflichtet. Mit Rücksicht auf diese kirchliche Aufgabe ist ihr Amt
als sogenanntes konfessionsgebundenes Staatsamt ausgestaltet, d.h. die
Verleihung des Amtes ist über die allgemeinen Berufsvoraussetzungen
hinaus davon abhängig, dass ein Professor der Konfession angehört, der
die Fakultät zugeordnet ist. Die Konfessionsbindung trägt dem Umstand
Rechnung, dass die Verfassung die kirchlichen Aufgaben eines
Theologieprofessors - im Rahmen der staatlichen Universität - als
eigene Angelegenheit der Kirchen und Teil ihrer freien
Religionsausübung schützt. Und indem die Kirchen die wissenschaftliche
Theologie, einschließlich der Bibel- und Dogmenkritik, im Rahmen von
staatlichen Theologischen Fakultäten als ihre eigene Angelegenheit
betrachten, steht die Konfessionsbindung nicht im Widerspruch, sondern
in Einklang mit der Freiheit von Lehre und Forschung. An den
Theologischen Fakultäten in Deutschland lehren und forschen daher in
erster Linie Professoren und studieren in erster Linie Studenten
derjenigen Konfession, der die Fakultät zugeordnet ist. Auch die
Abschlüsse (Diplom, Magister, Promotion, Habilitation) sind, sofern es
sich um theologische Abschlüsse handelt, konfessionsgebunden, entweder
protestantisch (einschließlich aller im Ökumenischen Rat der Kirchen
vertretenen Denominationen) oder römisch-katholisch.
Darüber hinaus forschen, lehren und studieren an den Theologischen
Fakultäten in Deutschland auch Personen anderer Konfessionen oder
Religionen, da Forschung und Lehre uneingeschränkt frei und nicht
konfessionsgebunden sind. Nur können solche Personen keine
konfessionsgebundenen Staatsämter bekleiden und keine theologischen
Examina ablegen. Für Professoren anderer christlicher oder
nichtchristlicher Konfessionen gilt dieselbe Regelung wie für
Professoren anderer, nichttheologischer Fakultäten: Sie können als
Gastprofessoren auf Zeit eingeladen oder in einem Sonderstatus an
Theologischen Fakultäten installiert werden und genießen hier
uneingeschränkte Freiheit in Forschung und Lehre in ihrem Fachgebiet.
Für Studierende anderer Konfessionen gilt dieselbe Regelung wie für
Studierende anderer, nichttheologischer Studiengänge, die eines der
theologischen Fächer oder allgemeine Religionswissenschaft studieren,
aber keinen theologischen Abschluss anstreben: Für sie besteht eine
längst eingespielte, enge interdisziplinäre Kooperation zwischen der
Theologischen und der Philosophischen Fakultät. Die Examina werden von
Theologieprofessoren gemeinsam mit Professoren der Philosophischen
Fakultät nach der Ordnung der Philosophischen Fakultät abgenommen. Die
Geschichte der theologischen Wissenschaften, insbesondere der
historisch-kritischen Bibelwissenschaften, lehrt, dass nicht wenige
ihrer grundlegenden, teilweise umstürzenden Erkenntnisse oder
Richtungen - z.B. die Pentateuchkritik, die Evangelienkritik oder die
Religionsgeschichtliche Schule - im Rahmen von konfessionsgebundenen
Theologischen Fakultäten entstanden sind. Die Kirchen standen diesen
Erkenntnissen oder Richtungen oft skeptisch oder auch ablehnend
gegenüber, haben sie aber - jedenfalls im protestantischen Raum - nie
verhindert, zuweilen auch begrüßt und gefördert. Heute ist es längst
eine Selbstverständlichkeit, dass auch und gerade die historische
Bibel- und Dogmenkritik das ihre zur wissenschaftlichen Ausbildung der
Geistlichen und Religionslehrer sowie zur Entfaltung der kirchlichen
Lehre beiträgt. Der Doppelstatus der Theologischen Fakultäten hat sich
in Deutschland somit als Garant der Freiheit von Forschung und Lehre
bewährt. Er ist ein Zeichen der Liberalität im Verhältnis von Staat
und Kirche zur Ermöglichung und ungehinderten Entfaltung einer freien
wissenschaftlichen Theologie. Wie die - bereits in der Einladung vom
15. April 1998 angekündigte - Erklärung des Collegiums der
Theologischen Fakultät vom 22. April 1998 feststellt und die Erklärung
des damaligen Dekans (Prof. Eberhard Busch) vom 22. Dezember1998
sinngemäß wiederholt, hat sich Professor Lüdemann "in einen
eklatanten Widerspruch zu Charakter und Aufgabe einer Theologischen
Fakultät begeben".
Diese Feststellung beruht nicht im geringsten auf den Ergebnissen
seiner Forschungen, die er im konfessionsgebundenen Staatsamt und als
Mitglied einer konfessionsgebundenen Theologischen Fakultät erzielt
und publiziert hat und die im übrigen schon seit über 100 Jahren in
konfessionsgebundenen Theologischen Fakultäten diskutiert werden.
Die Feststellung beruht auch nicht auf den "persönlichen
Entscheidungen", die Professor Lüdemann lange nach seinem
Eintritt in die Theologische Fakultät aufgrund der über 100jährigen
kritischen Erforschung des Neuen Testaments und seiner eigenen
wissenschaftlichen Einsichten neuerdings für sich treffen zu müssen
glaubt und die das Collegium ausdrücklich "respektiert". Der
Konflikt von persönlichem Glauben und kritischer Bibelwissenschaft ist
nichts Ungewöhnliches. Er tritt meist schon im Studium und bevorzugt
bei Studenten mit pietistischem Hintergrund auf, die allerdings bald
begreifen, dass nicht die Geschichte den Glauben, sondern der Glaube
Geschichte macht. Auch darüber lässt sich reden.
Die Feststellung des Collegiums bezieht sich ausschließlich auf
Äußerungen von Professor Lüdemann, die seine dienstlichen
Verpflichtungen sowie seine dienstrechtliche Stellung in einem
konfessionsgebundenen Staatsamt betreffen. Da er beides mit seinem
Gewissen nicht (mehr) vereinbaren kann, die nach dem Willen des
Gesetzes praktizierte Ausbildung von Geistlichen und Religionslehrern
auf dem Boden des christlichen Bekenntnisses vielmehr als Heuchelei
bezeichnet und der wissenschaftlichen Theologie an den Theologischen
Fakultäten die Wissenschaftlichkeit abspricht, hat er sich öffentlich
und ausdrücklich vom Christentum losgesagt und damit selbst die Basis
verlassen, auf der er wie alle anderen Professoren seiner Fakultät
lange Jahre in aller Freiheit und ganz ohne kirchliche Einmischung
geforscht und gelehrt hat und auf der die Theologischen Fakultäten
(aus den von den Vätern der Verfassung wohlerwogenen Gründen) nun
einmal ruhen. Auch das steht ihm vollkommen frei, nur sollte man
erwarten, dass er dann auch die Konsequenzen zieht, aus der Kirche
austritt und die Theologische Fakultät verlässt, wie es sich nach
bester Tradition der freien protestantischen Theologie gehörte. Darum,
und nur darum, hat die Theologische Fakultät von sich aus am 19.
November 1998 den Präsidenten der Universität ersucht, Professor
Lüdemann - unter Wahrung aller Rechte und Pflichten eines deutschen
Universitätsprofessors - in einen Status zu versetzen, den er mit
seinem Gewissen vereinbaren kann. Dass dieser Status "außerhalb
der Studiengänge des Theologischen Nachwuchses" zu suchen ist,
versteht sich nach der Lossagung Professor Lüdemanns vom Christentum
aufgrund der geltenden Rechtslage von selbst und befreit ihn von der
Wahrnehmung der mit seinem Amt verbundenen, ungeliebten kirchlichen
Aufgabe. Die Umwidmung seines Lehrstuhls in eine Professur für
"Geschichte und Literatur des frühen Christentums" und die
Einrichtung einer Ersatzprofessur für "Neues Testament" ist
die logische Folge. Da die Philosophische Fakultät, der natürliche Ort
für jemanden, der kein konfessionsgebundenes Staatsamt innehaben
möchte, keine Verwendung für ihn hat, muss Professor Lüdemann an der
Theologischen Fakultät verbleiben, allerdings in einem Sonderstatus,
der ihm alles erlaubt und nichts nimmt, was er nicht schon selbst von
sich gewiesen hätte. Er kann weiterhin ungehindert forschen und
lehren, was er für richtig hält. Seine Veranstaltungen sind für
jedermann zugänglich, und zwar für Studenten der Theologie ebenso wie
für Studenten anderer Studiengänge. In Deutschland besuchen Studenten
gerne und fleißig Lehrveranstaltungen außerhalb ihres eigenen
Studienfaches, sofern diese von Belang und Interesse sind. Professor
Lüdemann hat uneingeschränktes Prüfungsrecht an der Universität für
sein Fachgebiet "Geschichte und Literatur des frühen
Christentums", nur nicht im Studiengang Evangelische Theologie
(Pfarramt und Lehramt), dessen gesetzliche Grundlagen zu akzeptieren
er sich außer Stande sieht. Seine Berufungszusagen galten für ihn wie
für alle Professoren befristet auf fünf Jahre. Die gegenwärtige
finanzielle Ausstattung seines Lehrstuhls bewegt sich im üblichen
Rahmen, in mancher Hinsicht sogar darüber hinaus. Sein
dienstrechtlicher Status als Professor bleibt unangetastet, sein
persönliches Einkommen ist wie bisher gesichert.
Mit der Regelung, die der Präsident der Universität im
Einvernehmen mit der Theologischen Fakultät in Göttingen vorgeschlagen
und der zuständige Minister für Wissenschaft und Kultur des Landes
Niedersachsen im Einvernehmen mit der Konföderation Evangelischer
Kirchen in Niedersachsen vollzogen hat und die mittlerweile von zwei
unabhängigen deutschen Gerichten bestätigt wurde, hatte sich Professor
Lüdemann zunächst einverstanden erklärt. Warum er nun öffentlich und
gerichtlich dagegen zu Felde zieht, weiß nur er allein.
Erklärung zu den Ausführungen des Dekans der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen über "Wissenschaftliche Theologie in Deutschland"
von Gerd Lüdemann
Ich begrüße, dass der Dekan eine öffentliche Stellungnahme zur
Theologie an deutschen Universitäten und zu den meinen Status
betreffenden Zwangsmaßnahmen des Präsidenten der Universität abgegeben
hat, die aufgrund der Beanstandung meiner Lehre durch die
Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen ausgelöst wurden.
Dazu erlaube ich mir folgende Bemerkungen:
Es ist unrichtig zu sagen, dass ich meine dienstlichen
Verpflichtungen an einer evangelisch-theologischen Fakultät nicht mehr
mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Vielmehr war und ist mein
Zuhause der freie Protestantismus, der, auch wenn er sich von
dogmatischen Glaubensinhalten löst und gegenwärtig in der Minderheit
ist, ein Heimatrecht an evangelisch-theologischen Fakultäten hat.
Es ist unrichtig zu sagen, dass vor der Beanstandung meiner Lehre
durch die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen ohne
kirchliche Einmischung gelehrt hätte. Vielmehr wurde ich mit voller
Absicht bereits 1996 von der kirchlichen Prüfungstätigkeit
ausgeschlossen und seit der Publikation meines Buches über die
Auferstehung Jesu im Jahre 1994 wiederholt Zielscheibe bischöflicher
Attacken und Denunziationen.
Es ist unrichtig zu sagen, dass meine Forschungsfreiheit seit der
Beanstandung meiner Lehre durch die Konföderation evangelischer
Kirchen in Niedersachsen voll erhalten blieb. Vielmehr ist der
zwangsweise Entzug der mir auf Dauer schriftlich zugeordneten
Assistentenstelle und die Halbierung meiner Forschungsgelder, die mit
einer Befristung auf fünf Jahren nichts zu tun hatten, eine
Einschränkung der Forschungsfreiheit, da ich Zusagen gegenüber
Mitarbeitern nicht mehr einhalten konnte und Projekte ausfallen lassen
musste.
Es ist missverständlich zu sagen, dass ich für mein neues
Fachgebiet "Geschichte und Literatur des frühen
Christentums" uneingeschränktes Prüfungsrecht hätte. Dieses
Fachgebiet gibt es in keiner Prüfungsordnung, und mein Lehrstuhl soll
nicht wiederbesetzt werden.
Es ist unrichtig zu sagen, dass ich jemals der Maßnahme des
Präsidenten zugestimmt hätte. Diese Information ist dem Dekan mündlich
von einem für rechtliche Fragen zuständigen Beamten zugeleitet worden.
Sie kam so zustande, dass ich nach der Beanstandung meiner Lehre durch
die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit der
Universitätsleitung in Verhandlungen darüber eingetreten war, die
Neubenennung meines Lehrstuhls zu akzeptieren und eine dauerhafte
Kompensation für eine evtl. freiwillige Aufgabe der mir dauerhaft
zugesagten Assistentenstelle einzutauschen. Eine Voraussetzung für die
Einigung wäre aber eine weitere Prüfertätigkeit innerhalb der
Theologischen Fakultät einschließlich der Religionspädagogik gewesen.
Erst als beides nicht gewährt und mir zusätzlich die Assistentenstelle
zwangsweise entzogen wurde, habe ich den Weg der Klage gewählt.
Deutsche Universitäten sind herkömmlich Orte der freien Forschung
und Bildung. Nur muss, wie die jüngste deutsche Geschichte lehrt,
Anspruch und Wirklichkeit nicht immer übereinstimmen. Die DDR war lt.
eigenem Bekunden ein demokratischer Staat, in Wirklichkeit aber einen
Diktatur. Die von dem Dekan der Theologischen Fakultät beschriebene
Theologie ist ihrem Anspruch nach völlig frei, kann es in Wirklichkeit
aber nicht sein, da sie von vornherein nicht zu Ergebnissen kommen
darf, die im Gegensatz zum Bekenntnis der Kirche stehen.
Ebenso wie ein Nicht-Marxist Fachkompetenz für Marxismus haben
kann, so beanspruche ich für mich weiter Kompetenz im Bereich des
Neuen Testaments. Nur wenn diese nicht mehr besteht, darf der
Präsident einer säkularen Universität mich maßregeln, auch wenn noch
soviel Druck von der Kirche ausgeübt wird. Dies muss der Kanon der
Wissenschaft bleiben.