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"Theologe kann man auch sein, wenn man nicht glaubt"

in: Idea Spektrum 45/2000, S. 4.

Zum Interview mit der hannoverschen Landesbischöfin, Margot Käßmann, "Von der Kirche so begeistert wie VW-Arbeiter vom Volkswagen (Nr. 44, S. 18)

Unter der Voraussetzung, dass Frau Dr. Käßmann in dem Gespräch das gesagt hat, was sie wirklich denkt, und sich nicht nur einer für Evangelikale bestimmten Sprache bedient hat, sei folgendes angemerkt:

  1. Frau Dr. Käßmann hält es für einen Widerspruch in sich selbst, dass ich weiter Neues Testament unterrichten will, obwohl ich mich nicht mehr als Christ bezeichne. Diesen Widerspruch verstehe ich nicht, weil ich meine, dass es beim Unterrichten des Neuen Testaments allein auf die Sachkompetenz ankommt. Diese hat mir die Hannoversche Landeskirche bisher nicht absprechen können. Ebenso wie ein Nicht-Marxist Marxismus unterrichten kann, wenn er die notwendige Sachkompetenz besitzt, so kann auch einer, der sich nicht mehr als Christ bezeichnet, das Neue Testament unterrichten.

  2. Frau Dr. Käßmann ist der Meinung: "Ein Mensch muss an Christus glauben, um in den Himmel zu kommen." Diese radikale Sicht verwundert mich sehr, denn sie impliziert, dass alle, die nicht an Christus glauben, nicht in den Himmel kommen. Sie steht zudem auch in Spannung zu Röm 11,26, wo die Annahme ganz Israels am Ende der Zeiten ohne Glaube an Christus eine ernsthafte Möglichkeit des Verständnisses ist. Zudem kennt auch das Neue Testament solche Fälle, dass jemand an Christus geglaubt hat, jedoch nicht in den Himmel kommt (vgl. Matthäus 7,21-23), und andere Fälle, dass die, die nicht an Christus geglaubt haben, doch in den Himmel kommen (vgl. Matthäus 25,31-46). Von ihren eigenen Voraussetzungen aus ist Frau Dr. Käßmann also zu widersprechen.

  3. Das Gespräch zeigt zudem, dass Frau Dr. Käßmann keine Vertrautheit mit der historisch-kritischen Methode besitzt. Sonst hätte sie nicht sagen können, dass der Missionsauftrag Matthäus 28 "später hinzugefügt" worden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Ohne Missionsauftrag kein Matthäusevangelium. Erst von hinten ist das ganze Evangelium zu lesen und entstanden zu denken. Ferner ist es exegetisch ausgeschlossen, Galater 3,28 zur Aufhebung der Hierarchie von Frauen und Männern zu verwenden, denn Paulus hat diesen Schritt nicht nur nicht praktiziert, sondern sich ausdrücklich dagegen verwehrt (vgl. nur 1Korinther 11,2-16). Frau Dr. Käßmann bedient sich der historisch-kritischen Methode hochselektiv, so dass der Eindruck entsteht: Hier sucht sich jemand nur das heraus, was gerade passt. Sie sollte lieber zugestehen, dass die Ordination von Frauen, die ich persönlich sehr begrüße, keineswegs aus dem Neuen Testament begründet werden kann, sondern die erst in der Neuzeit gegen Bibel, Bekenntnis und Kirche gewonnene Einsicht von der Gleichheit von Mann und Frau zur Voraussetzung hat. Ist das einmal erkannt, kann in einer Kirche, wo Frauen ordiniert werden, die Bibel nicht mehr Grundlage des christlichen Glaubens sein.

  4. Wenn Frau Dr. Käßmann meint, die Pastoren könnten "nur glaubwürdig verkündigen, wenn sie selbst an Jesus Christus und an die Auferstehung glauben", dann legt sie ein hohes Maß an und müsste konsequenterweise nicht wenige ihrer Pastoren und Pastorinnen vom Predigtdienst suspendieren. Dieses Urteil wäre nur dann falsch, wenn Frau Dr. Käßmann die Auferstehung nicht körperlich, sondern symbolisch versteht. Doch scheint das nicht der Fall zu sein. Vom ganzen Gespräch her zu urteilen, schließt sie sich eng an Schrift ("sola scriptura") und Bekenntnis an, und in beiden ist Auferstehung ein körperliches Geschehen. Wer's glaubt, wird selig.

Prof. Dr. Gerd Lüdemann, 37073 Göttingen.


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Letzte Aktualisierung am 22. April 2020
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