Für eine zweite Bildungsreform
Koalitionsvertrag nicht überzeugend * Die Arbeit fängt jetzt an
Vor ziemlich genau einen Jahr erlebten die deutschen Hochschulen die größte Protestbewegung ihrer jüngsten Geschichte. Hunderttausende Studierende traten in einen aktiven Streik - vor allem, um gegen die vielerorts katastrophalen Studienbedingungen und gegen das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) zu aufzubegehren. So unterschiedlich die Forderungen der Studierenden waren - auf einer Großdemonstration in Bonn fand sich im vielstimmigen Chor ein gemeinsamer Nenner: "Kohl muß weg!"
Diese Forderung immerhin ist erfüllt. Ob sich der umfassende Politikwechsel - das zweite Wichtige, wenn auch höchst diffuse Ziel der Streikbewegung - wird realisieren lassen, ist noch nicht abzusehen. Der von uns erhoffte und (nicht nur) von BILD befürchtete große Wurf wird es wohl nicht werden. Trippelschritte haben Konjunktur, nicht nur in der Steuer- und Atompolitik.
"Megathema" Bildung?
Und was ist mit dem von Herzog so wortgewaltig postulierten "Megathema" Bildung? Im Wahlkampf war es allenfalls Fußnoten wert, in den nun abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen rangierte es unter "ferner liefen". Immerhin: Mit Edelgard Bulmahn wird das Wissenschaftsressort von einer ausgewiesenen Bildungspolitikerin aus der SPD-Linken besetzt - gegen die Neoliberalen à la Oppermann.
Die designierte Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn (47) stand bislang auf Bundesebene nicht gerade im Rampenlicht. Ihre Berufung in Schröders ‚Wahlkampf-team' wurde deshalb auch allgemein als große Überraschung gewertet - verbunden mit dem hämischen Hinweis auf eine vermeintliche ‚Doppelquote' (Frau und Linke). Dabei hat die Studienrätin aus Hannover - seit dem unrühmlichen Abgang von Peter Glotz 1996 wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion - bislang keine schlechte Figur gemacht:
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Als allgemein anerkannte Forschungspolitikerin wandte sie sich immer wieder gegen einen ökonomisch verengten Wissenschaftsbegriff. In den Verhandlungen zur Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) war sie eine der wenigen in der SPD, die die Forderungen der Studierenden wirklich ernst nahm. Durchsetzen konnte sie damit allerdings nicht. In Sachen HRG wurde sie von den Länderministern überfahren, die von ihr geforderte BAföG-Strukturreform wird im schlimmsten Fall dem ‚Finanzierungsvorbehalt' geopfert.
Gehör für HRG und BAföG?
Bulmahns Ressort wird allerdings abgespeckt um die Komplexe "Ausbildung im dualen System" und "industrienahen Forschung". Letzterer wird dem neuen Wirtschaftsminister Werner Müller zugeschlagen. Was genau unter "industrienaher Forschung" zu verstehen ist, sagt Schröder (noch) nicht - der ehemalige Atom-Manager Müller wird da wohl seine ganz eigenen Vorstellungen haben. Sicher aber ist, daß diese Aufspaltung, durchgesetzt gegen den Protest vieler Verbände - darunter auch der Juso-Hochschulgruppen - , nichts Gutes hoffen läßt. Denn das Ressort des der Vergangenheit anheimgefallenen "Zukunftsministers" Rüttgers hat damit zwei prestigeträchtige Zuständigkeiten verloren: "Ausbildungsplätze" und "Zukunftstechnologien" - das sind Schlagworte, die in der Öffentlichkeit Gehör finden. "HRG" und "BAföG" klingen dagegen etwas trocken.
Handlungsbedarf gibt es allerdings auch hier mehr als genug: Zwar sollen laut Koalitionsvertrag in einem novellierten HRG Studiengebühren verboten, die Verfaßte Studierendenschaft bundesweit eingeführt und die Reform der Personalstruktur angegangen werden.
Fortsetzung S. 3
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Editorial
Vier Wochen ist es nun schon her, seit wir die rotation 37 herausbrachten, damals noch mit dem Wahlaufruf, am 27. September für Rot-Grün zu stimmen. Inzwischen hat es Rot-Grün geschafft und auch Lafontaine zeigte mit seinem Mobbing gegen Stollmann, daß wir uns zumindest auf ihn in Teilen verlassen können. Sehr ärgerlich bleibt aber, daß die Postenvergabe zu einem Machtspiel unter Männern verkam. Der Lichtblick: neue Bildungsministerin wird Edelgard Buhlmahn. Wir wünschen ihr viel Glück und versprechen ihr die nötige kritische Aufmerksamkeit. Natürlich kommentieren wir den hochschulpolitischen Teil der Koalitionsverhandlungen, berichten über den neuen Studiengang, den es in Göttingen bald geben soll, und über unsere Vorstellungen für ein neues BAföG.
Ach ja, diese rotation lesen diesmal sehr viele Neu-GöttingerInnen. Willkommen und auch herzlich eingeladen zu unserem Begrüßungsabend! Er findet am Donnerstag, 29.10.98 um 20 Uhr statt (s.S. 4). Da kann man sich diese komischen Jusos mal angucken. Wir sind nämlich gar nicht so. Wer sich nicht traut zu kommen, mag sich unsere Homepage im Internet (www.gwdg.de/~jusos) anschauen. Da findet ihr außer der vorliegenden auch die anderen 37 Ausgaben der rotation .
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