21.Juni 1996
Studierende aus Kroatien berichtetenIm Rahmen der Studienreform-Bustour der JUSO-Hochschulgruppen, die in den nächsten zwei Wochen zahlreiche Hochschulstandorte in Norddeutschland besucht, waren drei kroatische Studierende in Göttingen zu Gast. Sie berichteten über die Situation an den vier Hochschulen des Landes während und nach Ende des Krieges. Die Diskussion war geprägt vom Versuch, den Anwesenden klarzumachen, daß nicht ganz Kroatien während des Krieges von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen war und somit die Situation der Studierenden derzeit sehr unterschiedlich ist. Während sich in Zagreb kaum etwas verändert hat, müssen die Studierenden in Osijek derzeit immer noch in Kellern ihrem Studium nachgehen, da viele Gebäude zerstört wurden. An allen Hochschulen hat sich die Zahl der Studierenden deutlich erhöht hat, da viele Studenten, die während des Krieges zum Militärdienst eingezogen worden waren, nun alle gemeinsam an die Universitäten zurückkehren. Die Ausstattung der Unis mit Bücher, Lehrmitteln und DozentInnen ist dagegen weiterhin schlecht geblieben. Durch zahlreiche Zerstörungen und die Flucht Tausender etwa nach Zagreb ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt, so daß eine bezahlbare Wohnung nur schwer zu bekommen ist. Da keine staatlichen Gelder an finanzschwache Studierende gezahlt werden, können viele die Lebenshaltungskosten, Mieten und Studiengebühren nicht bezahlen und können erst gar kein Studium aufnehmen oder müssen dieses abbrechen. Darüberhinaus berichteten die drei über ihre politischen Aktivitäten. So ist Ivana z.B. in der Koordination studentischer Organisationen an der Universität Zagreb tätig. Diese versucht die Arbeit der an den einzelnen Fachbereichen tätigen Gruppen, die im übrigen nicht parteipolitisch gebunden sind, zu bündeln und ihre politischen Einflußmöglichkeiten gegenüber Uni und PolitikerInnen zu verbessern. Da es in Kroatien keine gesetzlich festgeschriebenen politischen Rechte von Studierenden gibt, erweist sich deren Arbeit als sehr schwierig. Einzig von den Gewerkschaften werden sie finanziell unterstützt. Und so ist es eines der Hauptziele, die Regierung zu einem Studierendenstatut zu bewegen, das den Studierenden zumindest in den Gremien der Universität Sitz und Stimme verleihen soll.
Zoran und Asijana arbeiten in der Bewegung der sozialdemokratischen Jugend, die zum Teil in einigen Städten - so auch in Zagreb - bei Stadtratswahlen als eigene Liste antritt, um die Interessen der Jugend zu vertreten. Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit ist die Oppositionspolitik gegen den kroatischen Präsidenten Tudjman, dessen Politik nicht wenige autoritäre Züge zeigt und der keinerlei Interesse zeigt, Demokratiebestrebungen an den Hochschulen zu unterstützen. Von besonderem Interesse für die drei kroatischen Studierenden waren daher nach Ende der Veranstaltung die politischen Rechte von Studierenden in Deutschland.