21.Juni 1996
Die Rechtsausleger vom RCDS
Daß der RCDS, die Uni-Vorhut der CDU, in der Wahl seiner Mittel in der politischen Auseinandersetzung nicht immer übermäßig stilsicher ist, dürfte auch den unbefangenen BeobachterInnen der Göttinger Szene nicht entgangen sein. Man mag bedauern, auf welch erschreckend niedrigem Niveau die Nachwuchs-Kohls hier Politik betreiben; im Prinzip sind ihre *ußerungen jedoch meist eher harmlos und in den seltensten Fällen wirklich ernstzunehmen.
In Nordrhein-Westfalen aber greifen die Parteifreunde des Bundeskanzlers zur Zeit wieder verstärkt in die juristische Trickkiste: Die Gerichte werden von RCDS-Mitgliedern mit einer Flut von Klagen behelligt, die darauf abzielen, die linken ASten politisch mundtot zu machen. So konnte es der ehemalige RCDS-Landesvorsitzende Christoph Grüneberg z.B. nicht ertragen, daß der Wuppertaler AStA, wahrlich keine Hochburg des "Linksextremismus", gemeinsam mit den Grünen und anderen linken Gruppen zu einer Demonstration zum Gedenken an die Nazi-Progrome am 9. November aufgerufen und dabei eine Verbindung zur gegenwärtigen Asylpolitik hergestellt hatte. Flugs wurde eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht Düsseldorf mit dem Ziel beantragt, in Zukunft solche Ungeheuerlichkeiten zu unterlassen.
"Amtssprache ist Deutsch" Daß der RCDS eine ganz eigentümliche Vorstellung von der deutschen Vergangenheit hat, dürfte geläufig sein: Schließlich ist der Göttinger RCDS-Funktionär Andreas Schwegel dadurch zu trauriger bundesweiter Bekanntheit gelangt, daß er den unsäglichen Aufruf der Neuen Rechten zum 8. Mai unterzeichnete.
Der Wuppertaler Kollege der hiesigen AStA-Koalitionäre stieß sich aber noch an einem anderen Punkt: Auch der Sprachgebrauch der Wuppertaler Studierendenvertretung, die in ihren Veröffentlichungen immer von StudentInnen spricht, sei widerrechtlich und gehöre deshalb untersagt: "Die Amtssprache ist deutsch und kennt das sexistische Binnen-I nicht!".
Juristischer statt politischer Streit Über solchen Schwachsinn könnte man getrost lachen, würden durch die Klagelust des RCDS nicht die Arbeit vieler ASten erheblich eingeschränkt und die Existenzen der betroffenenen AStA-MitarbeiterInnen gefährdet. In Münster und Köln nämlich hatten ähnliche Denunziationen bereits vorläufig Erfolg, weil das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz - anders als das niedersächsische - das politische Mandat der Studierendenschaften nicht ausdrücklich festschreibt. Nun drohen den Betroffenen bei erneuter allgemeinpolitischer Betätigung hohe Geldstrafen oder gar Ordnungshaft. Aufgeschreckt durch die Klage-Praxis des RCDS, will die Düsseldorfer Landesregierung nun das entsprechende Gesetz nach niedersäsischem Vorbild präzisieren.
Politische Auseinandersetzungen können (und müssen oft sogar) hart geführt werden. Wer sich aber dem Austausch von Sachargumenten entzieht und stattdessen Gerichte als Hilfstruppen zu mißbrauchen versucht, verstößt nicht nur gegen alle Regeln des gerade vom RCDS in seinen Veröffentlichungen immer so hochgehaltenen politischen Stils. Ein solches Vorgehen wirft auch wieder einmal ein bezeichnendes Licht auf das Demokratieverständnis des RCDS. Und daß die Göttingen nicht besser sind als ihre nordrhein-westfälischen Gesinnungsgenossen, zeigt ein Blick in die noch nicht allzu ferne Vergangenheit: Auch hiesige AStA-MitarbeiterInnen wurden jahrelang von RCDS'lern auf die gleich Art juristisch behelligt. Erfolg hatten die Herren damals aber nie. Noch nicht einmal vor Gericht.