13.1.97

> Editorial

v "Wir brauchen eine Quote!"

Interview mit der Universitätsfrauenbeauftragten Dorothea Mey

Mit welchen Problemen kommen Studentinnen zu Ihnen?
Die Probleme, mit denen Studentinnen zur Frauenbeauftragten kommen, sind überwiegend solche, die sich ihnen gegen Ende des Studiums, in der Phase der ersten Abschlußarbeit oder auch im Anschluß an das Examen stellen. In dieser Zeit machen nicht wenige die Erfahrung, daß es für sie als Frauen schwerer ist, wissenschaftliche Anerkennung und Förderung zu finden als für ihre männlichen Kommilitonen. Verschiedentlich wird Klage über diskriminierendes Verhalten von seiten einiger Dozenten geführt. Weiterhin wird häufig nach Finanzierungsmöglichkeiten für eine Promotion gefragt. Die Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Familie und Studium werden auch oft thematisiert. Sie lasten offensichtlich immer noch überwiegend auf den Frauen.

Wie werden Frauen an der Universität benachteiligt?
Die Universität hat eine jahrhundertelange Tradition als eine ausschließlich von Männern geprägte Anstalt. Die Strukturen, in denen Forschung betrieben wird, die Riten, die absolviert werden müssen, um dazuzugehören, der Jargon der wissenschaftlichen Kommunikation sind vielen Frauen fremd. Mein Eindruck ist, daß es den männlichen Studenten im allgemeinen schneller gelingt, sich mit Selbstverständlichkeit in dieser spezifischen Kultur zu bewegen und das entsprechende Selbstbewußtsein zu entwikkeln. Insofern sind Männer deutlich im Vorteil und im Rückschluß Frauen benachteiligt. Formal sind Frauen und Männer im Studium gleichberechtigt. Doch ist das Vorurteil, daß Frauen eher für die anspruchsloseren Arbeiten, die sie mit der Erziehung von Kindern vereinbaren können, geignet seien als für ernsthaftes wissenschaftliches Nachdenken, unterschwellig noch ziemlich häufig anzutreffen. Und da es so wenige Professorinnen als Vorbilder gibt, müssen junge Studentinnen viel mehr Mut aufbringen als junge Studenten, um sich eine wissenschaftliche Karriere zuzutrauen und darauf hinzuarbeiten.

Was muß von offizieller Seite gegen die Benachteiligung von Frauen unternommen werden?
Es muß darauf geachtet werden, daß die Bestimmungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes, die in bezug auf die Frauenförderung gute Ansatzpunkte bieten, auch umgesetzt werden. Die Frauenförderrichtlinie der Universität, die im Entwurf schon lange vorliegt, muß endlich beschlossen und ihre Einhaltung überwacht werden. Das Beste jedoch, was getan werden könnte, wäre es, eine Quotierung folgender Art zu beschließen: 30 % der wissenschaftlichen Stellen auf jeder Stufe werden ausschließlich für Männer vorgesehen, 30 % ausschließlich für Frauen und der Rest wird nach herkömmlichen Verfahren verteilt. Ich hielte dies für eine gerechte und wirksame Methode, um den Anteil der Frauen in den gut dotierten Positionen schnell zu erhöhen.

Was haben Sie mit Ihrer Arbeit als Frauenbeauftragte bereits erreicht?
An dieser Universität besteht ein gut verankertes Netz von Fachbereichsfrauenbeauftragten. Die Arbeit der Frauenbeauftragten ist bekannter geworden, sie werden als Ansprechpartnerinnen in Anspruch genommen. In bezug auf die Entwicklung des Problembewußtseins beobachte ich zwei gegenläufige Tendenzen: einerseits ist die Sensibilität für die Diskriminierung gewachsen und auch Männer unterstützen die Arbeit der Frauenbeauftragten, andererseits ist der Gegenwind noch schärfer geworden.

Die Entwicklung der Zahlen ergibt bei den Professuren erstmal ein gutes Bild: In den Jahren seit 1992, dem Beginn meiner Amtszeit als Frauenbeauftragte, ist der Anteil der Professorinnen beachtlich gestiegen, nämlich von 4,6 auf 7,6 Prozent. Die Universität Göttingen, die in bezug auf den Anteil an Professorinnen vor 1992 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt lag, liegt jetzt leicht darüber. Aber was bedeutet dies ? Der Tatbestand kann sehr unterschiedlich bewertet werden. Im C 4 -Stellen-Bereich, den bestbezahlten Professuren, ist der Anteil der Männer von 97,3 % auf 95,7% gesunken. Während einige Männer hierin schon ein alarmierendes Zeichen drohenden Umschwungs sehen, zeigt diese Entwicklung aus Sicht der Frauenbeauftragten, daß noch viel zu tun und noch zu wenig erreicht ist.

Im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist der Frauenanteil nahezu konstant geblieben, zwischenzeitlich war er sogar leicht rückläufig. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Es gibt eine große Anzahl hervorragend qualifizierter Frauen auf dieser Stufe, die nicht zum Zuge kommen, weil immer wieder Gründe gefunden werden, Männer bei gleicher, manchmal auch bei geringerer Qualifikation zu bevorzugen.

Warum ist Ihrer Meinung nach der Anteil der Professorinnen an der Uni so gering?
Dafür sind viele Gründe, die nicht isoliert betrachtet werden können, verantwortlich. In einigen Fächern gibt es eine größere Anzahl habilitierter und sehr gut ausgewiesener Frauen, die dennoch nicht berufen wurden. Vorurteile gegenüber dem Leistungsvermögen von Frauen spielen dabei eine beachtliche Rolle, auch wenn Frauen jetzt aufgrund der Beteiligung der Frauenbeauftragten an den Berufungsverfahren bessere Chancen haben als noch vor fünf Jahren. In anderen Fächern stehen nicht genügend Bewerberinnen zur Verfügung. Frauen entscheiden sich noch zu selten für eine Habilitation. Dies liegt zum einen daran, daß Frauen im Studium und in der Promotions- und Habilitationsphase nicht in gleicher Weise gefördert werden wie Männer. Zum anderen spielt auch eine Rolle, daß Frauen häufiger Lebensentwürfe entwickeln, von denen sie meinen, daß sich diese nicht mit einer wissenschaftlichen Karriere vereinbaren ließen. Sie befürchten, daß Anpassungsleistungen an männliche Strukturen gefordert werden, die sie nicht erbringen wollen, daß Kinder und Wissenschaft sich nicht vertragen, daß Wissenschaft betreiben bedeutet, sich vom wirklichen Leben und den Menschen zu entfernen. Ich meine, daß darin eine sehr berechtigte Wissenschaftskritik zu sehen ist, die jedoch nicht selten mit einem zu geringen Zutrauen in die eigenen Kräfte verbunden wird.

Welchen Rat geben Sie Frauen, damit diese sich an der Uni besser behaupten können ?
Wenn sie Unbehagen darüber verspüren, daß sie in Seminaren weniger zu Wort kommen, sollten sie herausfinden, ob es anderen Frauen auch so geht und ggfs. gemeinsam Strategien der Abhilfe entwickeln. Diese könnten z.B. darin bestehen, das Problem im Seminar oder in einem Tutorium zur Sprache zu bringen, oder /und einen Rhetorikkurs für Frauen zu besuchen, oder/und individuell zu üben, mindestens jeweils einen Beitrag in jeder Sitzung zu wagen. Die Selbstbehauptung im Wissenschaftsbetrieb ist eng an den Mut zum Sprechen ( und zur Selbstdarstellung, die Frauen zumeist viel schwerer fällt) geknüpft. Und als weiterer Tip: zu den Frauenbeauftragten ihres Fachbereichs Kontakt herstellen!

> Stichwort: Universitätsfrauenbeauftragte

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