20.1.97

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v Bedarf decken!

Soziale Grundsicherung statt BAföG-Stückwerk

Die bestehende Ausbildungsförderung wie das Sozialsystem überhaupt stehen in der Kritik. Hauptsächlich gilt sie der Unübersichtlichkeit, deren Folge wiederum die am Bedarf vorbeigehende Vergabe von Mitteln ist. So besteht das heutige System der Ausbildungsförderung aus mindestens neun unterschiedlichen Transferleistungen: BAföG, Kindergeld, Kindergeldzuschlag, Kinderfreibetrag, Ausbildungsfreibetrag, Haushaltsfreibetrag für Alleinstehende, Kinderbetreuungskosten für Alleinstehende, Unterhaltsfreibetrag und Baukindergeld. Von diesen Leistungen wird lediglich das BAföG direkt an Studierende ausbezahlt, die anderen kommen den Eltern zugute.

Bei den Übergängen kommt es zu zahlreichen "Gerechtigkeitslücken". Da werden diejenigen Familien am wenigsten entlastet, deren Kinder gerade so eben kein BAföG erhalten. Besserverdienende profitieren hingegen großzügig von den Geschenken, die ihnen der Fiskus macht. Kritisierenswert ist überhaupt die Verknüpfung von Ausbildungsförderung und Elterneinkommen. Studierende sind selbständige Individuen und sollten auch als solche behandelt werden.

Paragraphenlawine

Klar ist, daß eine Bündelung des sozialen Netzes not tut. Die Idee ist keine neue. Bereits 1970 beschloß die seinerzeit SPD-geführte Bundesregierung, alle sozialrechtlichen Regelungen zu einem Sozialgesetzbuch zusammenzufassen. Bis heute haben es außer den Verwaltungsvorschriften nur die Gesetzliche Kranken- und die Rentenversicherung dort hinein geschafft. Die allein umfassen schon über 1100 Paragraphen. Das Arbeitsförderungsgesetz, die Unfallversicherung, das Bundessozialhilfegesetz und eben das BAföG umfassen als wichtigste Gesetze, die dem hinzuzufügen sind, weitere knapp 800 Paragraphen. Dieses System ist allein schon deswegen ineffektiv, weil um die 100 verschiedene Leistungen durch ca. 40 staatliche Institutionen verteilt werden. Für ein und dieselbe Sache (z.B. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit) sind nach- oder gar nebeneinander zig Trägerinnen zuständig.

Um die Malaise zu beseitigen, sind derzeit vor allem zwei Vorschläge in der Diskussion. Da ist zum einen das Bürgergeld, auch negative Einkommensteuer genannt. Dieser Idee der Ikone des Neoliberalismus, Milton Friedmann, hat sich insbesondere die FDP verschrieben. Grundidee ist die Fortschreibung des Steuertarifs in den negativen Bereich. Um einen Anreiz zur Arbeitsaufnahme zu bieten, soll Erwerbseinkommen nur teilweise angerechnet werden. Bei 1000 DM Mindesteinkommen würde bei einer 50%-Anrechnung der Staat bis zu einer Einkommenshöhe von 2000 DM Geld zuschießen. Das aber ist real eine Lohnsubventionierung, die zudem den Berechtigtenkreis solcher Transferleistungen beträchtlich wachsen lassen würde. Sollen Mehrausgaben in erheblichem Umfang vermieden werden, müßte die Leistungshöhe gegenüber heute zusammengestrichen werden. Faktisch wäre dann Tür und Tor offen für ungeschützte und niedrig entlohnte Arbeitsverhältnisse.

Bedarfsorientierte Grundsicherung

Aufgrund dieser Kritik wird von Gewerkschaften, SPD und Grünen ein Modell der bedarfsorientierten Grundsicherung bevorzugt. Die Sozialdemokratie fordert sie schon seit 1986. Das Ziel ist keine Totalreform. Anspruch auf Grundsicherung besteht erst, wenn die Leistungen des bestehenden Systems das staatlich zugesicherte Mindesteinkommen unterschreitet. Der Unterschied zu heute besteht darin, daß mit dem Antrag auf Grundsicherung eine aufwendige und peinliche behördliche Überprüfung der Lebenssituation wegfällt. Aufgehoben würde dabei das Subsidiaritätsprinzip, wodurch z.B. Studierende eine eigene Bezugsberechtigung erhielten.

gemeinsam Alternativen entwickeln

Betrachten wir unter diesem Aspekt einmal die derzeitigen BAföG-Reformvorschläge, so läßt sich folgendes feststellen: Das von den Grünen forcierte Fondsmodell (Baff), bei dem Berufstätige mit Studienabschluß ihre NachfolgerInnen finanzieren, läßt sich darin nicht integrieren, weil eine Sonderkasse aufgemacht würde.

Eine einheitliche Grundförderung mit einkommensabhängiger Aufstockung würde zwar zunächst bloß das bestehende System verbessern, ließe sich aber später in ein Konzept der sozialen Grundsicherung einbetten.

Eine Zusammenarbeit mit der GEW und dem deutschen Studentenwerk, die solche Modelle entwickelt haben, ist für uns daher sinnvoll.

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