24.3.97

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v Göttingen - lieb und teuer?: Stadt führt Steuer auf Zweitwohnsitz ein

Seit einigen Wochen ist sie nun amtlich: die Einführung einer Zweitwohnsitzbesteuerung in Göttingen. Laut Ratsbeschluß wird sie am 1. Juli dieses Jahres gültig. Spätestens ab dann kann es den Studierenden nicht mehr egal sein, ob sie in Göttingen mit ihrem Erstwohnsitz gemeldet sind oder nicht. Wer hier seine Zweitwohnung hat, wird in Zukunft 8% der Kaltmiete als Steuer abführen müssen. Sowohl die MieterInnen als auch die VermieterInnen sind gegenüber dem Stadtsteueramt anzeigepflichtig.

Mehr EinwohnerInnen = mehr Geld

Göttingen versucht schon seit vielen Jahren, besonders Studierende zur Anmeldung ihres ersten Wohnsitzes in der Stadt zu bewegen. Hintergrund ist die Vergabe von Finanzmitteln in Abhängigkeit von der EinwohnerInnenzahl einer Gemeinde. Dieses Ansinnen ist nachvollziehbar. Tatsächlich haben nämlich viel mehr Leute ihren sog. Lebensmittelpunkt in Göttingen als die Stadt für die Mittelvergabe angeben kann. Alle nehmen aber die Einrichtungen der Stadt in Anspruch, sei es nun die Stadtreinigung, den ÖPNV, die Theater oder überhaupt alles, was kommunal finanziert oder bezuschußt wird. Bisher versuchte die Stadt ausschließlich mit Appellen, NeubürgerInnen zur Anmeldung des Erstwohnsitzes zu bewegen.

Offensichtlich nicht mit ausreichendem Erfolg. Jetzt soll eine Besteuerung genügend Motivation erzeugen. Ziel ist es wohl nicht, durch die Steuer großartige Einnahmen zu tätigen, die ohnehin von den Verwaltungskosten aufgefressen würden, sondern die Zahl der Anmeldungen nach oben zu treiben. Der Vorwurf, die Stadt wolle auf Kosten Studierender das Haushaltsdefizit reduzieren, trifft also nicht den Kern.

Studiwerk und Unileitung haben dennoch heftig auf den Beschluß reagiert. Unipräsident Schreiber lehnt die Besteuerung kategorisch ab. "Die Stadt schadet der Universität mit dieser unüberlegten Maßnahme ebenso wie sich selbst.", läßt er sich in der Presse zitieren. Ebenso wie das Studentenwerk sieht er den "Wissenschaftsstandort" Göttingen in Gefahr.

Standort Göttingen in Gefahr?

Die Argumentation läuft etwa folgendermaßen: Mit der Zweitwohnsteuer würden zum einen Studierende belangt, die in ihrem Heimatort arbeiten, um ihr Studium überhaupt finanzieren zu können, und zum anderen all die, die sich lediglich für ein Semester zu Forschungszwecken in Göttingen aufhielten. Eine finanzielle Belastung dieser Personen bedeute eine Negativwerbung für die Stadt. Nun scheint mindestens der erste Punkt wenig einsichtig. Die meisten Studis, auch die mit Nebenjob, verbringen ihre Zeit hauptsächlich am Ort der Uni. Niemand hält sie davon ab, außerhalb ihres Erstwohnsitzes Geld zu verdienen. Aber auch wenn eine Anmeldung des Erstwohnsitzes in aller Regel den Betreffenden nicht schadet, gibt es natürlich Ausnahmen. So gibt es Studis, die aufgrund ihres Jobs tatsächlich nur wenige Monate im Jahr ihr Studium in Göttingen betreiben. Auch eine Besteuerung von PraktikantInnen und Wissenschaftlerinnen, die sich hier auf absehbare Zeit aufhalten, ist kaum rechtzufertigen.

Kritik teilweise berechtigt

Hier muß sich die Stadt in der Tat die Kritik gefallen lassen, nach dem Rasenmäherprinzip vorzugehen. Mindestens ist eine Zusage vonnöten, in entsprechenden Fällen Kulanz zu üben. Bleibt zum Schluß nur noch der Aufruf: Meldet Euch, sofern nichts wirklich ernstes dagegensteht, in Göttingen an! Nicht, weil alles andere in Zukunft Geld kostet, sondern weil es fair gegenüber Euren Göttinger MitbürgerInnen ist.

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