24.3.97
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Her mit der Frauenuni! Höchste Zeit für eine kritische und demokratische Hochschule
Seit längerem fordern einige Initiativen von Akademikerinnen dezidiert eine Hochschule nur für Frauen. Angesichts der ins Gerede gekommenden Koedukation wird eine freiwillige Separierung der Geschlechter auch für die Hochschulen für notwendig gehalten. In Deutschland haftet jedoch einer Bildungseinrichtung nur für Frauen der Geruch der Minderwertigkeit an. Außerdem wollen sich die meisten Frauen nicht über ihr Geschlecht, sondern über ihre Leistungen definieren lassen. Warum also eine Frauenuniversität?Reformunfähige Universitäten
Die Antwort auf diese Frage können wir ganz deutlich an unserer (und den anderen) Unis sehen: Weil sich trotz jahrelanger Anstrengung wenig (bis gar nichts ) an den Hochschulen ändert. Noch immer sind im akademischen Mittelbau die Frauen eine Minderheit und in der Professorenschaft ein Spurenelement. Noch immer sind 95% der Spitzenpositionen von Männern besetzt. Und das, obwohl es seit Jahren genug qualifizierte Frauen gibt. Auch in anderer Hinsicht haben sich die alten Unis als reformunfähig gezeigt. Verantwortliche und kritische Forschung, deren Bezug zur Gesellschaft immer wieder überdacht wird, eine demokratische Struktur der Universität, interdisziplinäres Arbeiten - an welcher normalen Uni finden wir das schon?
Genau diesen Ansprüchen soll die Frauenuniversität genüge leisten. Es gibt verschiedene Modelle, die von verschiedenen Trägerinnengruppen ausgearbeitet wurden (Deutscher Frauenrat, Arbeitskreis Frauen, Technik, Zivilisation, Förderkreis Virginia Woolf Uni). Allen gemeinsam ist jedoch, daß diese Universität anders strukturiert sein soll als die herkömmlichen:
Zum einen soll sie projektorientiert und nicht fächerorientiert sein. Studiengänge wären dann nicht nur einzelne Fächer, sondern beispielsweise
1. Politiken für Frauen: Interdisziplinäres aus Politikwissenschaft, Geschichte, Sprachen, Psychologie, 2. Umwelttechnologie: Naturwissenschaften, Wirtschaft, 3. Management und Organisation gegen das Patriarchat: Wirtschaft, Psychologie, Ökologie und dergleichen.
Wissen soll nicht nur vermittelt werden, sondern auch in seiner Beziehung zur Gesellschaft gesehen und kritisch überprüft werden.
Gleichzeitig soll die Struktur der Universität demokratisch sein, Mitspracherechte also auch für die Studentinnen. Auch soll die Universität der "doppelten" Lebensplanung ( Beruf und Familie) von Frauen Rechnung tragen, so daß die Universität also nicht nur Vollzeitstudiengänge anbieten wird, sondern auch Teilzeit- (für Studentinnen mit Kind, aber auch als Weiterbildung für schon berufstätige Frauen) und Kontaktstudiengänge eingerichtet werden sollen.
Finanzierung ungewiß
Leider ist die Finanzierung der Frauenuniversität noch keineswegs gesichert. Zwar könnte die Bundesregierung, die sich ja schließlich zwei Männer-(Bundeswehr)universitäten leistet, natürlich auch dazu verpflichtet sein, eine Frauenuni zu finanzieren. Aber natürlich ist dies nur ein frommer Wunsch. Die Förderkreise sind jedoch einigermaßen optimistisch. Gedacht ist zum Beispiel daran, die Universität bi-(oder gar multi)lingual und damit international als eine europäische Universität zu gestalten, so daß sie auch mit Europamitteln finanziert würde. Dennoch werden private Sponsoren gesucht.
Die Finanzierung ist nicht das einzige Problem, vor dem die Frauenhochschule steht. Ein anderes ist das Vorurteil, daß eine Bildungseinrichtung nur für Frauen sowieso minderwertig sein muß (und von vorneherein diesen Ruf hat). Deshalb wird eine Frauenuniversität mindestens doppelt so gut sein müssen, wie die normalen Unis. Andererseits wird der Frauenuniversität schon jetzt vorgeworfen, daß sie eine Elite heranziehen wolle. (Und eine weibliche Elite noch dazu!) Es wird nicht einfach sein, zwischen diesen zwei Vorurteilen den richtigen Weg zu finden.
Doch ist eine Frauenuniversität eine riesige Chance. Frauen hatten in unserer Gesellschaft noch nie die Gelegenheit, Bildung autonom zu gestalten. Es wird höchste Zeit, daß wir es ausprobieren. Deswegen: Her mit der Frauenuniversität!
Frauenuniversität auf der Expo
Während der Expo soll die Frauenuniversität für 100 Tage lang Realität werden. 100 Tage lang sollen Dozentinnen aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Fachgebieten mit Studentinnen an einigen Projekten (soziale und ökologische Städteplanung, knappe Trinkwasserressourcen, Informationstechnologie) arbeiten. Leider wird hierbei der Aspekt der demokratischen Beteiligung von Studentinnen völlig außer acht gelassen. Hoffen wir darauf, daß dies nicht beim Aufbau der Frauenuniversität so übernommen wird.