rotation Nr. 23


12.5.97

> Editorial

v Indeed: Britain deserves better - Ist Labour's Sieg ein Sieg der Linken?

Die Zahlen sprechen für sich: 419 Labour-Abgeordnete ziehen ins 659 Sitze zählende Unterhaus, 179 Sitze mehr als die politische Konkurrenz. Der größte Vorsprung einer Partei in diesem Jahrhundert. Auf der anderen Seite müssen sich die Konservativen mit 165 Sitzen begnügen (ein Verlust von 171 Mandaten). In Schottland und Wales sind die Tories nicht mehr vertreten: Sie sind zu einer englischen Regionalpartei geschrumpft. Insgesamt das größte Tory-Debakel seit 1832. Es scheint also nicht unmöglich zu sein, eine lange Zeit regierende konservative Partei durch eine sozialdemokratische abzulösen. Oder wurde etwa nur eine konservative Partei durch eine andere, rosa gefärbte konservative Partei abgelöst? Schaut man sich die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der neuen Labour-Regierung an, scheint es fast so.

Nach einer 18-jährigen Oppositionszeit sah die Partei keinen anderen Weg zur Macht als den der Anerkennung der Fakten, die die Tory-Ära schuf. Die alten Dogmen - Verstaatlichung, Gewerkschaftseinfluß, Umverteilung, höhere Steuern - wichen den neuen - Markt, Konkurrenz, Pofitabilität, Privatisierung. Das alte (nicht nur) sozialdemokratische Konzept einer nachfrageorietierten, keynesianischen Wirtschaftspolitik wurde über Bord geworfen. Inflationsbekämpfung und Währungsstabilität stehen an erster Stelle. New Labour entwickelte dafür die Vorstellung des "Infrastruktur-Staates": der Staat übernimmt auf der Angebotsseite Aufgaben, die der Markt vernachlässigt. Gefördert werden kollektive Güter wie Forschung und Entwicklung, die die Leistung und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft stärken sollen. Nicht die konservative Strategie einer Senkung der Arbeitskosten, sondern die Qualität der Produktion, die wiederum abhängig ist von der Qualifikation der ArbeiterInnen, sei der Schlüssel zum Erfolg. Investitionen in Bildung stellten daher den besten Weg dar, das Problem der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, nicht eine Stimulierung der Nachfrage. Der praktizierende Christ Blair erhebt den Anspruch, die Gesellschaft vom nackten Individualismus der Thatcher-Zeit zu befreien und zu einer gemeinschatfsorientierten Politik zurückzuführen. Ihm schwebt eine „stakeholder-Gesellschaft„ vor, in der „jeder eine Chance hat, in der man durch Leistung weiterkommt und von der keine Gruppe ausgegrenzt oder ausgeschlossen ist.„ Gerade Bildung sei dafür von entscheidender Bedeutung.

Das Problem: Wie will Labour diese Aufgaben finanzieren? Jede Steuererhöhung wurde aus Angst vor einer Tory-Kampagne ausgeschlossen. Geld soll durch Umschichtungen in den einzelnen Bereichen und eine einmalige Steuer auf Rekord-Profite privatisierter Groß-Unternehmen gewonnen werden. Aber ob diese Summen ausreichen, ist fraglich. Der Handlungsspielraum der neuen Regierung ist daher auf Maßnahmen beschränkt, die nicht viel kosten: Die gesetzliche Verankerung eines Mindestlohns, die Unterzeichnung der EU-Sozialcharta und das Recht der Gewerkschaften, unter bestimmten Bedingungen in Betrieben anerkannt zu werden. Dies alles ist sicherlich zu begrüßen, ist besser als die rein sozialdarwinistische Politik Marke Thatcher.

Der Wechsel an der Regierung stellt zwar einen Fortschritt dar. Die beschlossen Maßnahmen werden aber nicht ausreichen, die große Kluft zwischen Arm und Reich, die größten sozialen Unterschiede der westlichen Welt, wirklich zu verringern. Ein Wahlsieg also, erkauft auf Kosten der Untrerschichten? Wird Blair ein zweiter Clinton?

> Stichwort: New Labour

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